Fotos: Barbara Lutterbeck
Mochte Richard Wagner Schokolade?
Buchbesprechung:
Daphne Wagner, Tilman Sprenger und Barbara Lutterbeck
„Zu Gast bei Wagner. Kunst, Kultur und Kulinarisches in Villa Wahnfried mit 33 Rezepten“
ISBN 3-89910-141-3
2002 by Collection Rolf Heyne, München
von Jolanta Łada-Zielke
In diesem Buch findet man nicht nur die Antwort auf die im Titel gestellte Frage, sondern auch auf die anderen rund um die Empfänge in der Villa Wahnfried, die nicht nur während der Bayreuther Festspiele stattfanden.
Dazu kommen noch die Kurzgeschichten über die Gastgeber – Richard und Cosima – über ihre Kinder und einige besondere Gäste. Auch die Sängerinnen und Sänger der ersten Besetzung vom „Ring des Nibelungen“ unterhalten sich auf den Seiten des Buches über ihre Lieblingsgerichte und Gewürze – wie zum Beispiel Kümmel.
Es ist nicht nur ein kulinarischer Führer durch den Wagner-Haushalt, sondern auch ein wunderschönes Fotoalbum. Manche Archivbilder oder gegenwärtige Fotos von Barbara Lutterbeck nehmen ganze Seiten in Anspruch. Die Reproduktionen der Postkarten aus dem frühen 20. Jahrhundert, als die Bayreuther Festspiele ein Welterfolg geworden sind, sehen hervorragend aus. Und wenn man die Fotos der Gerichte anschaut, bekommt man einen Riesenappetit.
Die Sprache der Geschichten und Anekdoten, die Daphne Wagner und Tilman Spengler ausgewählt und zusammengestellt haben, regt die Vorstellungskraft des Lesers stark an. So erfährt man nicht nur, was für eine Hausfrau Cosima war, welche Farbe Richard am liebsten mochte, sondern auch, wie die Arbeit des Klavierstimmers in Wahnfried aussah, in wen von ihren Sängerkollegen sich Sieglinde verliebte, und wofür Hagen den Schopenhauer am meisten schätzte. Die Beschreibung Friedrich Nietzsches Besuchs in der Mohrenapotheke wirkt wie eine Szene aus einem Film.

Der Leser kann verfolgen, wie die Empfänge in der Villa Wahnfried abliefen, von den Vorbereitungen bis zum Abräumen, wenn sich der Komponist in der Bibliothek ausruhte. Wagner hasste Menschenmengen, aber seine Position und die Notwendigkeit, wichtige Kontakte zu pflegen, erforderten regelmäßig Besucher zu empfangen. Der Höhepunkt jeder Soirée war das Musizieren des Gastgebers oder eines der geladenen Gäste, zum Beispiel Franz Liszt.
Das Buch enthält 33 verschiedene Rezepte. Einige von ihnen sind einfach zuzubereiten, wie der Schafskäse-Spinat-Auflauf, Welsfilet auf Kürbis-Hönig-Schaum, Gemüsesuppe, Pflaumentarte, Mangoldquiche, oder kandierte Früchte.
Zu den exklusiveren Gerichten gehören die Rehkeule, Spargel-Tomaten-Gröstl mit geräucherter Forelle, Karpfen in Sauerrampfersauce, Biersuppe mit Äpfeln, Hasenrücken im Speckmantel mit Birnen und Pfifferlingssülze. Zu vielen Gerichten gibt man lokale Zutaten wie den Frankenwein.
Neben dem Leipziger Allerlei mit angekochten Krebsen steht eine Bemerkung, dass Richard dieses Gericht seit seiner Kindheit sehr schätzte. Es scheint die einzige sächsische Speise zu sein, die man in der Villa Wahnfried servierte. Aus anderen Quellen wissen wir, dass der Komponist auch andere Gerichte aus dieser Region, wie zum Beispiel Quarkkeulchen, gerne aß. Verglichen mit dem köstlichen Essen auf den Empfängen waren die täglichen Mahlzeiten der Familie Wagner eher bescheiden. Zum Frühstück gab es nur Brot und Milch.

Die Zubereitung der Trinkschokolade, welche die Kinder sonntags bekamen, ist nicht anders als heute. Und ein Schokoladenzwieback half einmal dem Komponisten sich von einer vorübergehenden schöpferischen Impotenz zu erholen. Die Tatsache, dass Mathilde Wesendonck diesen Kuchen für Richard backte, hatte zweifellos seinen Einfluss. Unter dem Rezept zitiert man Richards Dankesbrief an seine Muse für dieses schmackhafte und wirkungsvolle Geschenk: „Zwieback, Zwieback! Du bist die richtige Arznei für verstockte Komponisten.“ Als eine Schokoladensüchtige stimme ich ihm zu.

Ich habe mich noch nicht entschieden, wo ich bei mir zu Hause den besten Platz für dieses Album schaffen kann. Im Regal unter anderen Bänden über Richard Wagner, oder lieber in der Küche unter Kochbüchern, in der guten Gesellschaft von „Die Oper kocht“? Ich habe nämlich vor, einige Rezepte auszuprobieren. Dabei werde ich mich wie ein Gast von Cosima und Richard Wagner fühlen.
Es gibt nur ein Gericht, das ich eher nicht vorbereiten werde, nämlich die gewickelten Tauben mit Kartoffelstampft und Spitzkohl. Ich bevorzuge unsere polnischen „Täubchen“ (gołąbki), wie die Kohlrouladen mit Reis, gemischt mit Hackfleisch und Gemüse in meinem Land heißen.
Ich danke Frau Barbara Lutterbeck sehr herzlich dafür, dass ich ihre Fotos aus diesem Buch in meinem Artikel verwenden durfte.
Jolanta Łada-Zielke, 5. Juni 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at