Iván Fischer und das BSO © Sophia Hegewald
Wolkenturm, Grafenegg, 18. August 2023
Carl Maria von Weber: Ouvertüre zur Romantischen Oper „Der Freischütz“ op. 77
Joseph Haydn: Konzert für Trompete und Orchester in Es-Dur VIIe:1
Ludwig van Beethoven: Symphonie Nr. 3 Es-Dur op. 55 „Eroica“
Selina Ott, Trompete
Budapest Festival Orchestra
Dirigent: Iván Fischer
von Herbert Hiess
Wenn man am Tag zuvor das Estonian Festival Orchestra gehört hat (Estonian Festival Orchestra, Paavo Järvi, Rudolf Buchbinder, Klavier Wolkenturm, Grafenegg, 17. August 2023 – Klassik begeistert (klassik-begeistert.de) und dann eben das Budapest Festival Orchestra – man glaubt fast, dass man in eine andere Dimension katapultiert wurde.
Schwebte man dank der Estländer beglückt in höchste musikalische Sphären, wurde man Tags darauf brutal wieder auf den Boden der „Bescheidenheit“ geschmettert.
Waren die „Freischütz“-Ouvertüre und danach das Haydn’sche Trompetenkonzert interessant und souverän gespielt, war die „Eroica“ dann schon fast eine Zumutung – dazu aber noch später.
Die Ouvertüre des Romantikers Carl Maria von Weber war insofern aufführungstechnisch interessant, da die vierköpfige Horngruppe für den anfänglichen Hornchoral geteilt wurde; die eine Zweiergruppe spielte von ihrem Platz im Orchester, die andere quasi als Echo von der rechten Seitenbühne. Eigentlich eine gute Idee – hatte einen interessanten Effekt. Hier spielte das Orchester wunderbar und erfreulich.
Danach das Trompetenkonzert des Österreich-Ungars Joseph Haydn, dessen letzter Satz sowieso ein „Ohrwurm“ ist. Die junge österreichische Trompeterin Selina Ott führte eindrucksvoll vor, was auf dem Instrument möglich ist. Rasante Tonfolgen, saubere Triller und Legati; das dürfte für die junge Frau alles kein Problem sein. Gemeinsam mit dem Orchester erntete sie zu Recht einen gewaltigen Applaus. Rudolf Buchbinder, der wie immer den Solistinnen Blumen überreichte, sagte, dass Selina am gleichen Tag – also am 18. August Geburtstag feiert. Natürlich war der Applaus dann noch stärker und Selina Ott bedankte sich mit einer liedhaften Zugabe.
Aber danach kam eben Beethovens „Eroica“; eines der heimtückischsten Werke für die Interpreten überhaupt. Viele Dirigenten und Orchester treffen hier nicht den richtigen Ton – leider an diesem Abend auch Iván Fischer und die Budapester nicht. Sie finden sich da aber in guter Gesellschaft; auch Claudio Abbado, der ansonsten hochverehrte Christian Thielemann, Sir Simon Rattle – auch sie konnten mit den Wiener Philharmonikern keine überzeugende „Eroica“ liefern.
Schon allein die ersten beiden Forte-Akkorde in Es-Dur zeigen brutal an, wie es weitergeht. Diese klangen hier eigentlich „schludrig“; es war schon lustig anzusehen, wie gemütlich der Paukist der Budapester auf seinem Platz thronte und nicht mehr als ein Mezzoforte herausbrachte. Da hätte er sich die junge Estländerin am Vortag anhören sollen. Normalerweise sollten diese Akkorde schneidend und messerscharf sein und die Leute von den Sitzen reißen – so machten es beispielsweise Bernstein, Karajan, Harnoncourt, Solti unvergesslich vor.
Leider zu Recht war man dadurch gewarnt, was dann noch kommen wird. Es war insgesamt eine belanglose Wiedergabe eines der genialsten Werke der Musikliteratur. Fischer und das Orchester konnten die zugegebenermaßen äußerst schwierige Mischung zwischen Klassik und Romantik hier nicht halten. Große Melodiebögen (wie im zweiten Satz „Marcia Funebre“) fielen auseinander. Was diesen Satz so schwierig macht, ist eben, dass er aus vielen Einzelteilen besteht und dass die Künstler eben die Übergänge so gestalten, dass es ein einheitliches Ganzes wird. Hie und da gab es bei der ganzen Aufführung einige Akzente, die bei einer exzellenten Aufführung durchaus interessant gewesen wären. Aber hier wirkten sie leider nur „aufgesetzt“.
Zu allem Überdruss gab es während des Finalsatzes einen Hubschraubereinsatz genau an der Wiese hinter dem Wolkenturm. Da war es bewundernswert, wie souverän Fischer und das Orchester hier einfach weiterspielten. Bei einer kurzen Unterbrechung erklärte der Intendant Buchbinder, dass es den Hubschraubereinsatz wegen Erkrankung (angeblich Herzinfarkt) einer Person des Publikums gab. Beim Abgang murmelte er hörbar „Das hat es hier noch nie gegeben“. Andererseits nach so vielen Jahren ein Glück, dass es das JETZT erst gab.
Trotzdem wäre auch so das Finale der Symphonie leicht durchwachsen gewesen; das Zusammenspiel war niemals präzise – eigenartig, wenn man am Vortag die Estländer gehört hatte, die unvergleichlich genau spielten. Gerechterweise muss man sagen, dass im Orchester vor allem die Holzbläser brillierten; gerade die Oboe spielte ihr langes Solo (gemeinsam mit dem Fagott) einfach himmlisch. Aber insgesamt fehlte dann im Tutti-Klang das romantisch-pathetische, das gerade diese Coda ausmacht.
Der langen Rede kurzer Sinn: Für Iván Fischer war die „Eroica“ alles andere als ein Triumph; man kann sich sicher sein, dass er am 31. August 2023 gemeinsam mit dem Amsterdamer Concertgebouw Orchester Mahlers 7. Symphonie zum Strahlen bringen wird.
Nicht jeder Tag kann ein Festtag sein; man drückt Herrn Fischer alle Daumen für das Mahler-Konzert und der Patientin/dem Patienten des Hubschraubereinsatzes schickt man auch hier die allerbesten Genesungswünsche!
Herbert Hiess, 19. August 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
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