Fotos im Beitrag: © Khrystyna Jalowa
Stadttheater Fürth, 16. September 2021
C. W. Gluck: Orfeo ed Euridice (konzertant)
von Leon Battran
Mit dem beliebtesten Bühnenwerk des Komponisten sind am vergangenen Donnerstag die Gluck-Festspiele in der Metropolregion Nürnberg gestartet. Michael Hofstetter, der 2020 die Intendanz des Festivals übernommen hat, dirigierte Glucks „Orfeo ed Euridice“ in der selten gespielten Parma-Fassung. Bei der Uraufführung 1769 sang der Soprankastrat Giuseppe Millico die Partie des Orfeo. Wie das damals geklungen haben mag, ließ nun der junge Sopranist und „Rising Star“ der Barockmusikszene Bruno de Sá erahnen, dessen Stimme natürlicherweise im Sopranregister zuhause ist.
Er wolle Gluck neu erfinden, das emotionale und dramatische Potenzial seiner Musik ausschöpfen, hatte Dirigent Michael Hofstetter klassik-begeistert.de bereits letzten Herbst im Interview erzählt. Umso glücklicher und gelöster wirkte der 60-Jährige nach der erfolgreichen Aufführung im Stadttheater Fürth, die beim Publikum großen Anklang fand.
Mit dem Händelfestspielorchester Halle stand Michael Hofstetter ein versierter Klangkörper zur Seite, der wenngleich nicht immer auf den Punkt gespielt, doch die Leidenschaft hörbar machte, die Hofstetter bei präzisem Dirigat verlangte und vermittelte. So gelang es, den Fluss der Musik und die ihr innewohnende Spannung aufrechtzuerhalten und Glucks musikalisch auskomponierter Dramaturgie (nicht umsonst wird der Komponist zuweilen als „Richard Wagner des 18. Jahrhunderts“ bezeichnet) gerecht zu werden.
Dank einer klugen szenischen Einrichtung und wirkungsvollen Lichtregie drohte auch nicht der etwas fade Beigeschmack einer konzertanten Aufführung aufzukommen. Außerdem war Michael Hofstetter stets darum bemüht, neue interessante Akzente zu setzen. So überraschte er mit dem bekannten „Che farò senza Euridice“, wenn er zu Beginn ein relativ schnelles Tempo vorgibt, den Schluss dann aber deutlich langsamer nimmt und mit ungewohnter Ruhe besonders nachdrücklich ausklingen lässt.
Der Parma-Orfeo ist zwar im Vergleich mit der Wiener und der Pariser Fassung deutlich kürzer – und man kann schon etwas enttäuscht sein, wenn bei dem bekannten „Reigen seliger Geister“ der Mittelteil in Moll mit seinem Melodienzauber ausbleibt. Gesanglich ist die Parma-Fassung aber ein Glanzstück für drei Soprane, die kaum verschiedener hätten sein können als an diesem Abend in Fürth.
Wenn Bruno de Sá seinen Sopran in lichten Höhen aufblühen lässt, überstrahlt er alles andere. Dann wieder wechselt er ins leiseste, säuselnde Piano und durchlotet so die ganze dynamische und emotionale Bandbreite, die Gluck seinem Orfeo eingeschrieben hat. Das tiefere Register ist hingegen eher dünn, da waren manche Noten mehr zu erahnen als tatsächlich zu hören, wenn der Sopranist nicht in die durchaus vorhandene Bruststimme wechselte.
Highlight des Abends war für mich der Auftritt von Georgina Melville als Euridice. Die 30-Jährige vermochte nicht nur mit ihrem farbenreichen Sopran zu überzeugen, den sie rund und sauber durch die Register führt, sondern auch mit einer sehr energetischen Rollengestaltung. Im Interview erzählte mir Georgina Melville, dass sie immer auch etwas Persönliches in ihren Rollen findet und sich so intensiv hineinfühlt. Diese Echtheit war während ihres Auftritts spürbar und ließ auch die Zuschauer mitfühlen, wie das Drama an Fahrt aufnimmt und sich bis zum Tode Euridices zuspitzt.
Große Sympathie eroberte sich auch ein Sopran des Tölzer Knabenchors. Der erst 13-jährige Cajetan Deßloch konnte sich in der Rolle des Amor als Solist hervortun. Einen vollen nicht zu dicken Chorklang gestaltete der Kammerchor Josquin des Préz, bereichert um die fünf Solisten des Vokalensembles Calmus.
Leon Battran, 19. September 2021, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Vincenzo Bellini, „I Puritani“, Gstaad Menuhin Festival & Academy, 28. August 2021