Theaterdonner vom Feinsten erfreut an einem perfekten Sommerabend in der Seebühne

Carl Maria von Weber, Der Freischütz  Bregenzer Festspiele, Seebühne, 16. August 2025

Freischütz fp© Anja Koehler

Carl Maria von Weber
Der Freischütz
Romantische Oper in drei Aufzügen (1821)

Libretto von Friedrich Kind nach der gleichnamigen Erzählung von August Apel
Dialogfassung von Jan Dvořák nach einem Konzept von Philipp Stölzl
Zusatzmusik von Ingo Ludwig Frenzel

Musikalische Leitung 
Patrik Ringborg, Christoph Altstaedt

Inszenierung, Bühne   Philipp Stölzl

Statisterie der Bregenzer Festspiele

Bregenzer Festspielchor, Leitung   Benjamin Lack
Prager Philharmonischer Chor, Leitung   Lukáš Kozubík

Wiener Symphoniker

Bregenzer Festspiele, Seebühne,
16. August 2025

von Sandra Grohmann

Das Spektakel geht eine halbe Stunde vor Vorstellungsbeginn los. „Machen Sie keine Ferien in der Kabine“, hört man die Stimme der Dame, die die Toilette betreut, schon während man in der viele Meter langen Schlange steht und auf Einlass wartet. „Nichts vergessen! Jacke, Tasche, Unterhose – alles mitnehmen“, lautet der weitere Rat. „Schals habe ich genug! Nehmen Sie Ihre Schals mit, ich brauche keinen!“


Fast fühle ich mich durch diese Kodderschnauze in mein liebes Berlin zurückgebeamt. Aber wir sind in Bregenz, und zwar ohne Schal, denn Petrus ist an diesem vorletzten Abend der Freischütz-Serie, die letztes und dieses Jahr auf der Seebühne gegeben wird, milde gesinnt. Die Damen im Publikum erscheinen vielfach schulterfrei und in Trittchen, die praktisch nur aus Riemen und Stiletto-Absatz bestehen. Andere erwarten Abendkühle und führen Regenschirme mit – im Theater wenig sinnvoll, zu empfehlen sind im Fall der Fälle die guten alten Regenjacken. Aber nichts davon wird heute gebraucht.

Stattdessen die spektakuläre Kulisse der Stölzl-Inszenierung vor einem traumhaften Blick über den Bodensee. Mit Lichterketten geschmückte Boote bringen Gäste aus anderen Orten an den bühneneigenen Steg. 7000 Gästestimmen schwirren durch die Luft in hoher Erwartung.

Fotoprobe „Der Freischütz“ 2024, Christof Fischesser (Kaspar) © Bregenzer Festspiele / Daniel Ammann

Und die Erwartung wird natürlich erfüllt. Die Oper der Schauerromantik bietet reichlich Anlass für ausgefeilte Bühneneffekte, und neben Feuerring auf dem Wasser, feuerspeiendem Drachen, aus dem Wasser steigendem und galoppierendem Pferdegerippe kommen noch leuchtende Nixen, Springbrunnen, ein fliegendes Bett, jede Menge Kunstnebel und ein einstürzender Kirchturm zum Einsatz. Auch künstlicher Donner ist sehr realistisch zu vernehmen, ein kurzer Schreckmoment. Kurz, das gesamte Theaterrepertoire wird bedient. Das ist sehr kurzweilig, gelegentlich aber zumindest kurz vorm Gimmick.

Beherrscht wird das ganze vom Teufel. Meine Begleitung und ich sind hinterher uneins, ob das dem Stück gerecht wird. Mir passt diese Beherrschung durch den Teufel nicht, weil ich in dem Stück die Entscheidung der Menschen im Mittelpunkt sehe – sie wendet ein, es gehe darum, dass die Menschen das Böse, das sie tun, auf den Teufel projizieren, dem sie Omnipräsenz zuschreiben.

Fotoprobe „Der Freischütz“ 2024 © Bregenzer Festspiele / Daniel Ammann

Wie dem auch sei: Die Dorfbevölkerung singt sehr schön. Die altdeutsche Wendung „Böse haben keine Lieder“ scheint wieder einmal widerlegt, wobei wir natürlich zwischen den Sängern und den Figuren zu unterscheiden haben. Aber für die Regel, dass die Bösewichte die eindringlicheren Arien erhalten, hält auch der Freischütz keine Ausnahme bereit. Dabei verstärken die rund 400 Lautsprecher die Sängerstimmen und übertragen das Orchester und den Prager Philharmonischen Chor aus dem Festspielhaus. Das ermöglicht die Aufführung überhaupt erst und die Sänger brauchen dadurch keine Durchschlagkraft in der Stimme unter Beweis zu stellen.

Fotoprobe „Der Freischütz“ Bregenzer Festspiele © anja koehler

Natürlich ist das Spektakuläre hier noch etwas wichtiger als in der Oper ohnehin schon oft. Verstärkungen nehmen Differenzierungen heraus, die kleine Verzögerung muss berücksichtigt werden, damit der Ton im Riesenpublikum richtig ankommt, und der Raum der Bühne wird aufgehoben: Ob jemand vorne im Bühnenraum steht oder hinten, ist nicht zu hören.

Aber das lässt sich bei diesem Setting fast nicht ändern, und der Vorteil ist, dass der karamellzarte Tenor von Mauro Peter als Max und die langen strahlenden Spitzentöne von Mandy Fredrichs Agathe überall tadellos zu hören sind. Auch David Steffens’ sonorer Kaspar und Hanna Herfurtners überraschend gestaltetes (in Agathe verliebtes) Ännchen überzeugen.

Fotoprobe „Der Freischütz“ Bregenzer Festspiele © anja koehler

Im Zentrum aber steht der Schauspieler Niklas Wetzel mit seinem Samiel, eine Tour de Force über die gesamte etwas über zwei Stunden Spieldauer, in denen er fast nur von der Bühne zu verschwinden scheint, um seine Zunge schwarz nachfärben zu lassen, sonst aber überall ist: Auf Baumgerippen, auf dem Berg, im See, auf dem Kirchturm, auf dem erwähnten Klepper und sogar in Agathes Bett. Der Text dafür wurde neu geschrieben, das Libretto an einigen Stellen sogar abgeändert. Und zuletzt bestimmt sogar der Teufel, dass es ein Happy End geben soll.

 Damit gehen die zwei Freischütz-Jahre zu Ende.

Folgen werden 2026/27 die Traviata, deren Produktion bereits fix und fertig ist, und in drei Jahren der Fliegende Holländer, dessen Erscheinen am See bereits vorbereitet wird.

Wir freuen uns schon auf den nächsten Theaterdonner.

Sandra Grohmann, 18. August 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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