Man sieht nur mit dem Herzen gut – Wagners „Parsifal“ in Bayreuth

Foto: Andreas Schager (Parsifal) und Elīna Garanča (Kundry) im 1. Akt © Bayreuther Festspiele/ Enrico Nawrath

Bayreuther Festspiele, 30. Juli 2023

Richard Wagner
Parsifal

Pablo Heras-Casado, Dirigent

Jay Scheib, Inszenierung
Orchester der Bayreuther Festspiele

Andreas Schager, Tenor
Georg Zeppenfeld, Bass
Elīna Garanča, Mezzosopran
Derek Walton, Bariton

von Dr. Andreas Ströbl

Wie Absinth sieht sie aus, die giftgrüne Brühe im Teich des Kobalt-Abbaugebietes im dritten Aufzug von Jay Scheibs„Parsifal“. Ähnlich wie beim Genuss dieses ehemaligen Modegetränkes geht die berauschende Wirkung dieser Produktion mit Nebenwirkungen einher, mit denen man zuvor nicht gerechnet hat. Allerdings wird man im Bayreuther Festspielhaus nicht blind, wie es bei zahlreichen Absinth-Süchtigen zu Beginn des 20. Jahrhunderts geschah, sondern man sieht im Gegenteil zuviel. „Richard Wagner, Parsifal
Bayreuther Festspiele, 30. Juli 2023“
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Bayreuth: Andreas Schager singt die Götterdämmerung in Grund und Boden – Regie-Buhgewitter für Valentin Schwarz

Prompt ist das Bayreuther Regie-Buhgewitter zurück. Fast so heftig wie vor einem Jahr. Das Regieteam tritt vor den Vorhang, schon spürt man den Boden unter den Füßen schwingen, so stark schallen die U-Vokale durch den Saal. Diesmal reicht den Leuten das Buh-Rufen wohl nicht, der Oberösterreicher Valentin Schwarz , 34, und sein Team werden regelrecht ausgepfiffen!

Götterdämmerung 2023 © Enrico Nawrath, Bayreuther Festspiele

Andreas Schagers Stahlkraftstimme lässt sich auch von einem Wagner-Gesangsmarathon nicht beeindrucken. Ganz im Gegenteil, die drei Tage Hochleistungssingen scheinen ihm gut zu tun. Denn auf einmal entdeckt dieser einzigartige Heldentenor, dass seine Stimme mehr als nur laut ist. Einzigartig ist auch die Rückkehr des Bayreuther Regie-Buhgewitters.

Bayreuther Festspiele, 31. Juli 2023

Götterdämmerung
Musik und Libretto von Richard Wagner

von Peter Walter

Einst hat er mit reiner Kraft Drachen besiegt und Zwerge erschlagen. Nun ist Siegfried erwachsen. Und prompt reifen die Früchte seiner Stimme zu ihrer vollen Blüte. Gegenüber Brünnhilde  sind Andreas Schagers Melodien feingeschliffen wie nie, verlieren dabei aber kein bisschen ihrer einzigartigen Stärke. Besser kann man den Siegfried nicht singen! „Götterdämmerung, Musik und Libretto von Richard Wagner
Festspielhaus Bayreuth, 31. Juli 2023“
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Richard Wagner für Kinder 2023 – Parsifal

Szene aus dem „Parsifal“ für Kinder mit Andreas Hörl als Gurnemanz und Jonathan Stoughton als Parsifal. (Foto: Bayreuther Festspiele//Jonas Lotz)

Die „Kinderoper“ der Bayreuther Festspiele (offiziell inzwischen: „Richard Wagner für Kinder“) wird immer in den ersten 10 Tagen der Festspielsaison gegeben (in 2023 noch bis zum 4. August). Die für Kinder kostenlosen Tickets erhält man über die Bayreuther Festspiele.

von Dr. Gerald Hofner

Schon einmal vorweg – anders als „Die Meistersinger“ oder „Lohengrin“, die Opern für Kinder in den Vorjahren, ist es schwierig, „Parsifal“ für Kinder zu übersetzen. Zu sehr sind die zentralen Themen der Oper Erwachseneninhalte. Vollständig schlüssig gelang das deshalb auch nicht.

Aber die Story ist ja auch nur die eine Seite. Das Event. Das Ereignis, direkt am grünen Hügel die wichtigsten Stücke und Szenen einer Wagneroper unter Mitwirkung vieler großer Stars von der Hauptbühne sehen zu können, ist und bleibt ein grandioses Unikum. Katharina Wagners Herzensprojekt eben, gegeben traditionell auf einer der Probebühnen auf dem Festspielgelände. „„Richard Wagner für Kinder 2023“ – Parsifal
Bayreuther Festspiele noch bis 4. August 2023“
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Super-Siegfried Andreas Schager zeigt, wo der Hammer hängt in Bayreuth – viel Beifall für eine unverändert trostlose Inszenierung

Bayreuther Festspiele, 29. Juli 2023
Richard Wagner, Siegfried

Andreas Schager zeigt, wo beim „Siegfried“ der Hammer hängt.
Von Mythos und Mystik ist im Bayreuther Ring nicht viel zu spüren. Optisch ist die Inszenierung von Valentin Schwarz in einer tristen Jetztzeit angekommen. Eine bedrückende Tristesse spricht aus dem Bühnenbild von Andrea Cozzi. Dennoch: Starker Beifall nach 4 Stunden und 7 Minuten und 2 Pausen à 60 Minuten.

von Andreas Schmidt

Der Niederösterreicher Andreas Schager ist auch der Star der Bayreuther Festspiele 2023. Was dieser Tenor mit seiner Mega-Power, seiner Stimmschönheit und seiner physischen Präsenz als Siegfried in der gleichnamigen Oper von Richard Wagner im Festspielhaus ablieferte, war fast pure Weltklasse.

Dieser Andreas Schager kam nach der Aufführung auf die Bühne und genoss in seinem fast komplett durchgeschwitzten T-Shirt die Ovationen des Publikums. Er klopfte sich mit seinen Fäusten auf die breite Brust. Sicher hatte noch nie ein Siegfried in der abwechslungsreichen Geschichte der Bayreuther Festspiele eine solch unverwüstliche Energie, eine solch phantastische Stimmleistung und eine solch spielerische Vitalität vorzuweisen wie Schager 2022 und 2023. „Richard Wagner, Siegfried
Bayreuther Festspiele, 29. Juli 2023“
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Tannhäuser: Selbst Tobias Kratzer kann Klaus Florian Vogt nicht bremsen

Bayreuther Festspiele 2023 © Enrico Nawrath

So, nun gibt’s den Venusberg auf dem Grünen Hügel endlich auch mit dem besten Tannhäuser der Welt zu hören. Klaus Florian Vogts brillanten, einzigartigen Ruf nach Freiheit kann selbst Regisseur Tobias Kratzer bei bestem Willen nicht stoppen. Und im Graben krönt sich eine Bayreuth-Debütantin zur neuen Dirigatskönigin!

Festspielhaus Bayreuth, Bayreuther Festspiele, 28. Juli 2023

Tannhäuser
Musik und Libretto von Richard Wagner

von Peter Walter

Jetzt reicht’s ihm! Tannhäuser kann das Singen im Venus-Bus-Cockpit nicht mehr aushalten. Genau an der rechten Stell’ lehnt er sich aus dem Beifahrerfenster hinaus und singt dem Publikum lautstark „Nach Freiheit, doch verlangt es mich“ in die Ohren! Wie ein Demonstrant, der aus den hintersten Reihen einer Kundgebung plötzlich das Rednerpult stürmt. Hat der eigentlich die ganze Zeit hinter einer Glasscheibe gesungen? Das klang schon verdammt viel lauter als neben der Venus… „Tannhäuser, Musik und Libretto von Richard Wagner
Bayreuther Festspiele, 28. Juli 2023“
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Solisten, Chor und Orchester machen glücklich: Für diesen Tannhäuser lohnt es sich nach Bayreuth zu pilgern

Klaus Florian Vogt bekommt als Tannhäuser zurecht den meisten Applaus an diesem Abend – Klatschen, Bravi, Fußgetrampel. Es ist der Klaus-Florian-Vogt-Tag in Bayreuth. Aber auch Elisabeth Teige als Elisabeth, Ekaterina Gubanova als Venus, Markus Eiche als Wolfram von Eschenbach und Günther Groissböck als Landgraf Herrmann ernten reichlich Applaus und Bravi.

© ENRICO NAWRATH / BAYREUTHER FESTSPIELE
Bayreuther Festspiele
, 28. Juli 2023
Richard WagnerTannhäuser

von Andreas Schmidt

„Tannhäuser“ in Bayreuth – das  ist die Oper der Zukunft! Die Inszenierung von Tobias Kratzer ist intelligent, bunt, gefühl- und humorvoll. Das ist cool, emotional, sexy und berührend. Es singen in ihren Rollen die überwiegend besten Sänger der Welt. Das Orchester ist eine Wucht, und die Französin Nathalie Stutzmann zeigt mit ihrem einfühlsamen wie energetischen Dirigat, dass man in Bayreuth auch getrost auf „den große Thiele“ verzichten kann.

Und dann diese Musik: Jedem der knapp 2000 Menschen im Festspielhaus schlägt das Herz, brennt vor Sehnsucht die Seele, wenn die besten Musiker aus ganz Europa und dieser fulminante Chor (Leitung: Eberhard Friedrich) alles geben und diese göttlichen Noten spielen und singen.

Richard would have been happy! „Richard Wagner, Tannhäuser
Bayreuther Festspiele, 28. Juli 2023“
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Walküre: Auch der zweite Ring-Abend wird zum vollen Erfolg für das neue alte Wagner-Mekka

Walküre, Bayreuther Festspiele 2023 © Enrico Nawrath

Der Dirigent Pietari Inkinen lässt seine Streicher wie wilde Rennpferde hinter Brünnhilde herlaufen, Christa Mayers Fricka deklassiert selbst den weltbesten Wotan. Bayreuth rast weiterhin im sicheren Siegeskurs an die Spitze der diesjährigen musikalischen Richard-Wagner-Meisterschaften!  Und diesmal überzeugt auch die umstrittene, dennoch intelligente Inszenierung von Regisseur Valentin Schwarz!

Festspielhaus Bayreuth, Bayreuther Festspiele, 27. Juli 2023

Die Walküre
Musik und Libretto von Richard Wagner

von Peter Walter

Selten hat eine Fricka mit den wenigen Worten ihrer recht kleinen Rolle den Göttervater dermaßen deklassiert. Doch Christa Mayer beherrscht die Bühne auch am zweiten Ring-Abend mit beispielloser Brillanz. „Laß von dem Wälsung!“: Das ist bei ihr keine Bitte einer bangenden Frau, sondern ein Befehl der eigentlichen Herrscherin von Walhall. Dagegen ist selbst Tomasz Konieczny, der beste Wotan der Welt, machtlos! „Die Walküre, Musik und Libretto von Richard Wagner
Bayreuther Festspiele, 27. Juli 2023“
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„Man sieht, zum virtuellen Raum wird hier die Zeit“

Foto: Ein AR-Motiv im „Parsifal“, © Bayreuther Festspiele/Joshua Higgason

Die „Parsifal“-Premiere zur Eröffnung der Bayreuther Festspiele 2023

von Jolanta Łada-Zielke

Die Aussage im Titel – die paraphrasierten Worte von Gurnemanz – bezieht sich leider auf eine kleine Gruppe der Festspielgäste: nur 330 Personen. Nur so viele AR-Brillen hat die Festspielleitung dem Publikum zur Verfügung gestellt, welches die neue Inszenierung von „Parsifal“ sieht. Viele Menschen fragen sich, ob man solche, nicht für alle zugängliche Innovation braucht. „Richard Wagner, Parsifal
Bayreuther Festspiele, 25. Juli 2023 (Eröffnung)“
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Das Rheingold: Pietari Inkinen führt Bayreuth zurück in die musikalische Erfolgsspur

Rheingold 2023 © Enrico Nawrath, Bayerische Festspiele

Einen wahrhaftigen Wagner-Klang lässt Pietari Inkinen bei seinem Rheingold-Debüt durch das Festspielhaus donnern, herausragende Stimmen komplettieren das weltweit einzigartige Bayreuth-Erlebnis schlechthin. Die Regie bleibt halt… ja mei, wie’s halt so is. Freie Plätze – einst rar wie das Rheingold – gab es auch noch ein paar… sind die habituellen Regie-Buh-Rufer diesem Abend vielleicht ferngeblieben? 

Festspielhaus Bayreuth, Bayreuther Festspiele, 26. Juli 2023

Das Rheingold
Vorabend zum Bühnenfestspiel Der Ring des Nibelungen
Musik und Libretto von Richard Wagner


von Peter Walter

Pietari Inkinen lässt sich von dem Grabendeckeldämpfer nicht beeindrucken. Die Riesen trampeln durch das Festspielhaus, die Wagner-Tuben lassen den heiligen Grünen Hügel in den Walhall-Himmel hinauf schweben. Endlich kann man auch in Bayreuth mal so richtig schön in den Leitmotiven des Rheingolds baden gehen. So, wie es sich für die Wagner-Experience gehört. „Das Rheingold, Musik und Libretto von Richard Wagner
Bayreuther Festspiele, 26. Juli 2023“
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Besser geht es nicht: Wagners Lebensabschiedswerk "Parsifal" berührt in Bayreuth

Der „Parsifal“ in Bayreuth, Richard Wagners Lebens-Abschiedswerk, ist eine Offenbarung: Musikalisch, stimmlich, szenisch – über die Brillen in die  andere Dimension lässt sich trefflich streiten.

Bildquelle: © Enrico Nawrath

Hier wunderbare erste Impressionen der Deutschen Presse-Agentur (dpa),
einer Agentur voller wunderbarer Journalisten, für die ich auch schon geschrieben habe:

„Bayreuth (dpa) – Großer Jubel für die Sänger, gemischte Reaktionen für die Regie: Der neue „Parsifal“ hat bei der Eröffnung der Bayreuther Festspiele für Begeisterung beim Publikum gesorgt. Die galt in erster Linie der Musik – und zwei Einspringern.

Andreas Schager hatte die Titelpartie erst zwei Wochen vor der Premiere von Joseph Calleja übernommen, der wegen einer hartnäckigen Infektion im Halsbereich ausfiel.

Noch mehr gefeiert als der Titelheld wurde aber Opernstar Elīna Garanča bei ihrem Bayreuth-Debüt für eine glänzende Darstellung der Kundry. Auch sie hatte die Rolle sehr kurzfristig übernommen, weil die russische Sängerin Ekaterina Semenchuk ihre Teilnahme an den Festspielen „aus privaten Gründen“ abgesagt hatte.

Standing Ovations für Garanča

Garanča bekam für ihre abwechslungsreiche, ausdrucksstarke, kraft- und gefühlvolle Darbietung sogar noch mehr Applaus als der Bayreuther Publikumsliebling Georg Zeppenfeld als hervorragender Gurnemanz. Einige Zuschauer standen aus Begeisterung für sie sogar auf.

Auch Pablo Heras-Casado wurde für sein relativ zügiges Dirigat weitgehend einhellig gefeiert – anders als das Regie-Team um Jay Scheib.

Der US-Amerikaner hatte – ein absolutes Novum auf dem Grünen Hügel – Richard Wagners Gralsritter-Oper in einer Augmented-Reality-Version auf die Bühne gebracht, die allerdings nur ein Bruchteil des Publikums komplett zu Gesicht bekam.

Nur 330 der rund 2000 Zuschauer konnten die virtuellen Elemente, die das Bühnengeschehen ergänzen sollten, mit einer speziellen, rund 1000 Dollar teuren Brille sehen, weil die Festspiele aus Kostengründen nicht mehr davon angeschafft hatten.

Wer eine solche Brille trug, konnte im ersten Akt, bei Parsifals erstem Auftritt, beispielsweise einen erschossenen Schwan sehen, in Klingsors Garten im zweiten Aufzug wuchsen virtuelle Blumen und am Ende desselben brachen die Mauern des Festspielhauses in sich zusammen.

Für Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) ist die Eröffnung der Richard-Wagner-Festspiele „ein schöner Bayreuth-Abend“ gewesen. Zur Neuinszenierung von „Parsifal“ sagte sie am Dienstagabend: „Es ist immer spannend, wenn Bayreuth eröffnet wird. Ich finde es gut, dass man neue Formate, neue Versuche macht. Ob es immer funktioniert, ist eine andere Frage.“

Roth hatte nach eigenen Worten die AR-Brille nur am Anfang der Vorstellung auf. „Ich bin ohne die Brille mehr in die Inszenierung hineingekommen“, sagte sie dazu.

Auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte eine Brille, sie aber „kaum angehabt. Ich fand es ohne ehrlich gesagt besser“, sagte er. Söder lobte die „Spitzenqualität“ der Inszenierung. „Parsifal“ möge er besonders gerne, „weil es gut ausgeht“.“

klassik-begeistert, 26. Juli 2023