Die Mezzosopranistin Nadezhda Karyazina glänzt in einer ansonsten miserablen Vorführung in der Staatsoper Hamburg

Alexander Borodin, Fürst Igor
Hamburgische Staatsoper
mit der bezaubernden Nadezhda Karyazina als Kontschakowna,

28. Mai 2017, 12. Vorstellung seit der Premiere am 15. September 2012

Der Wiener Musikprofessor Reinhard Rauner, 52, hat in seinem Leben schon mehrere tausend Opern und Konzerte erlebt. Die Aufführung des „Fürst Igor“ von Alexander Borodin an der Hamburgischen Staatsoper war der absolute Tiefpunkt. Rauner, der die Abende zuvor noch zwei konzertante „Weltklasseaufführungen“ der Richard-Wagner-Oper „Das Rheingold“ unter Marek Janowski in der Elbphilharmonie erlebt hatte, war bereits nach den ersten 90 Minuten im Haus an der Dammtorstraße entsetzt: „Das waren ein nichtssagendes Ausstattungstheater, eine schlechte statische Regie, unterm Strich inferiore gesangliche Leistungen und ein erbärmlicher Opernchor. So eine Aufführung wäre in Wien nicht denkbar.“ „Alexander Borodin, Fürst Igor, Nadezhda Karyazina als Kontschakowna,
Hamburgische Staatsoper“
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Händels Erstling in Hamburg: Bravissima Christina Gansch

Foto: Staatsoper Hamburg / Declair (c)
Georg Friedrich Händel, Almira
Christiana Gansch
, Almira
Staatsoper Hamburg, 11. Mai 2017

von Leon Battran

 Almira ist umzingelt: Sie ist Königin wider Willen und muss das höfische Zeremoniell über sich ergehen lassen. Sie steht im Zentrum, ihrer Entscheidungsfreiheit beraubt, während die höfische Gesellschaft ihr buchstäblich die Kleider zuschnürt und die Luft zum Atmen nimmt. Händels Opern-Erstling ist ein Hamburger Original und musikalisch ein kleines Meisterwerk, bei dem sich ein genaues Hinhören lohnt.

Im Alter von 19 Jahren erhielt der junge Händel in Hamburg den Auftrag, eine Musik auf das Libretto von Friedrich Christian Feustking zu komponieren. Am 8. Januar 1705 wurde Almira im Opernhaus am Gänsemarkt uraufgeführt. Johann Mattheson gab damals den Fernando. Händels erste Oper war ein großer Erfolg. Neuinszenierungen in Hamburg folgten in den Jahren 1878, 1905 und 2014. Letztere Inszenierung ist aktuell wieder zu sehen.

Almira sieht sich bedrängt von gesellschaftlichen Zwängen. An ihrem zwanzigsten Geburtstag wird sie zur Königin gekrönt. Der Vater verfügt in seinem Testament, dass sie einen der Söhne ihres Vormunds Consalvo zu ehelichen hat. Die Söhne buhlen fortan um die Gunst der jungen Königin. Die Oper bewegt sich auf dem schmalen Grat zwischen Drama und Komik. „Alle benehmen sich unglaublich naiv und sehr pubertär, sind voller hormonaler Schwankungen“, sagt die Regisseurin Jetske Mijnssen.

Almira möchte jedoch am liebsten gar nicht Königin sein und wünscht sich nur, ihrem Herzen folgen zu dürfen. Sie liebt heimlich ihren Sekretär Fernando. Missverständnisse und Enttäuschungen sind programmiert. Schlussendlich entpuppt sich Fernando als Consalvos verlorener Sohn und wird so auch aus gesellschaftlicher Perspektive zum geeigneten Heiratskandidaten. Das eifersüchtige Ränkespiel um die Macht der Liebe und die Liebe zur Macht löst sich in barocker Manier im Einklang von gesellschaftlicher Konvention und der Freiheit des Herzens auf.

Die Oper ist großenteils auf Deutsch, die affektbetonten Arien sind auch in italienischer Sprache verfasst. Musikalisch prägen französische Tanzsätze die Partitur. Ohrenfällig ist vor allem ein scheinbar unscheinbares instrumentales Zwischenspiel, eine Sarabande. Händel sollte diese später für seine Londoner Oper Rinaldo zu der prominenten Arie Lascia ch’io pianga umarbeiten. Die aktuelle Inszenierung wertet die kleine Sarabande zum Leitmotiv für Almira auf und bringt sogar original die vom späteren Händel entlehnte Arie.

Dramaturgisch ist Lascia ch’io pianga kein Muss, fügt sich aber gut ein. „Diese wunderschöne und so unglaublich melancholische Musik zeigt die innere Gefühlswelt von Almira“, so Regisseurin Jetske Mijnssen. Die Arie betont den Konflikt zwischen Almiras Willen und den äußeren Erwartungen. Tatsächlich geht die Rechnung mit Händels Quotenhit auf. Das liegt auch daran, dass man Christina Gansch in der Rolle der Almira an diesem Abend alles abnimmt.

Musikalisch ist dieser Evergreen aus dem Hause Händel zweifellos ein Gewinn. Gansch interpretierte ihn frisch und unvoreingenommen und zeichnete so ein nuanciertes Charakterbild ihrer Figur. Der Mittelteil bebt so von emotionaler Intensität, dass es einen fesselt und nicht wieder loslässt. Überhaupt lieferte die 1990 in Österreich geborene Sopranistin eine durchweg bravouröse Titelpartie ab und glänzte mit spielerischer Hingabe und gesanglicher Finesse. Bravissima!

Christina Gansch beweist, dass es keine überdrehte Dramatik braucht, um zu begeistern. Ihre Figur ist dazu verdammt, zu ertragen, ohne Einfluss nehmen zu können. Sie leidet. Erst in ihrer Rachearie bricht Almira aus wie ein erwachter Vulkan, reißt sich die Kostümierung mitsamt Perücke vom Leib. Jetzt würde man ihr auch eine Arschbombe in den Orchestergraben zutrauen.

Das Philharmonische Staatsorchester kommt an diese Leistung leider nicht heran. Da hätte der Dirigent Sébastien Rouland noch viel mehr aus seinen Musikern herausholen müssen, um die Solistin zu unterstützen. Rouland dirigiert impulsiv, mit großen, fließenden Gesten, atmet dabei hörbar tief ein – sospirare tut nicht nur la libertà, sondern auch der Dirigent. Das Ergebnis ist aber eher ernüchternd: Der Sänger wird zum Zugpferd, der Orchesterapparat hinkt hinterdrein. Der Zusammenhalt geht stellenweise immer wieder flöten, weil das Orchester schleppt. Das stört.

Ein musikalisches Glanzlicht hingegen: Der hypnotisierende Zwiegesang zwischen Bellante und der Solovioline. Hier macht Dorottya Lángs melancholischer Mezzo träumen, und der Konzertmeister Konradin Seitzer formt Melodien von barockem Stolz und anrührender Eleganz. Dieses Zusammenspiel ging geradewegs unter die Haut.

Sehr gut machte seine Sache auch Michael Smallwood. Der australische Tenor sang Almiras Herzblatt Fernando aus dem Orchestergraben, während Viktor Rud auf der Bühne agierte. Smallwood zeigte viel Zartgefühl und tolles Einfühlungsvermögen. Sein Tenor bot reizvolle Dramatik und einen hohen Wiedererkennungswert auf, klang dabei in allen Registern lyrisch und klar.

Überzeugen konnten auch Edilia und Osman alias Klara Ek und Tuomas Katalaja. Die Sopranistin und der Tenor lieferten sich unterhaltsame musikalische Gefechte. Der Hallodri Osman lässt Edilia stehen, um statt ihrer die Königin zu hofieren. Edilia ist verständlicherweise aufgebracht und haut die Wut-Arien raus. Ek präsentierte einen dynamischen Koloratursopran, der hinter der Strahlkraft der Titelpartie jedoch ein wenig zurückstand, und Katalajas Osman war ein echter Volltöner.

Leon Battran, 13. Mai 2017 für
klassik-begeistert.de

Die Sopranistin Ha Young Lee lässt keine Wünsche offen

Francis Poulenc, DIALOGUES DES CARMÉLITES
Hamburgische Staatsoper, 2. Mai 2017

GASTBEITRAG von Dr. Harald Lacina

Neben „Les mamelles de Tirésias“ (1947) und „La voix humaine“ (1959) gehören die „Dialogues des Carmélites“ zu den einzigen Opern, die Francis Poulenc (1899-1963) komponiert hat. Die Oper war ein Auftragswerk der Mailänder Scala und wurde dort in italienischer Sprache unter dem Titel „Dialoghi delle Carmelitane“ am 26. Januar 1957 uraufgeführt. „Francis Poulenc, DIALOGUES DES CARMÉLITES,
Hamburgische Staatsoper“
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Mozart mit Smartphone und Astra-Werbung

Opera piccola
Erzittre, feiger Bösewicht!
Musiktheater für Jugendliche
Musikalische Fassung Johannes Harneit, Dialoge Johannes Blum
Staatsoper Hamburg, 20. April 2017

von Bianca Heitzer 

Ich mag Probebühnen. Die knarzenden schwarzen Holzböden, die ersten Anzeichen eines Bühnenbildes, das Gefühl mittendrin zu sein, im kreativen, turbulenten Entstehungsprozess eines Stücks – all diese wunderbaren Dinge, die man sonst nur hinter den Kulissen und während einer Probenphase erleben kann, kamen am Premierenabend auf der Probebühne I der Hamburgischen Staatsoper am Donnerstag zum Tragen. „Opera piccola, Erzittre, feiger Bösewicht! Kent Nagano, Johannes Harneit, Johannes Blum,
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Märchenhaftes „Schattenspiel“ – Strauss-Premiere kommt an in Hamburg

Foto (c): A. Delair
Richard Strauss, Die Frau ohne Schatten
Hamburgische Staatsoper, 16. April 2017

von Leon Battran

Vereinzelt blieben nach der zweiten Pause ein paar Sitze leer. Alle anderen Zuschauer aber, die ausgeharrt und mitgefiebert hatten, nahmen Andreas Kriegenburgs Inszenierung an diesem Ostersonntag begeistert auf und erlösten sie mit geradezu überschwänglichem Beifall. „Richard Strauss, Die Frau ohne Schatten,
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Mit Richard Wagners "Parsifal" in die neue Saison - klassik-begeistert.de verlost 12 Opernkarten der Hamburgischen Staatsoper

Hamburgische Staatsoper, 11. April 2017

von Ricarda Ott

Das Programm für die kommende Spielzeit der Hamburgischen Staatsoper ist da. Der Intendant Georges Delnon, der Ballettintendant und Chefchoreograf John Neumeier und der Generalmusikdirektor und Chefdirigent des Philharmonischen Staatsorchesters Kent Nagano haben am Dienstag die Spielzeit 2017/18 verkündetet – klassik-begeistert.de war dabei und verlost zwölf Tickets für die laufende Saison. „Programm für die Staatsoper Hamburg steht – 12 Tickets zu gewinnen,
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Valentina Nafornita: Nur noch Zentimeter von der Weltklasse entfernt

Foto © Dragosh Cojaru
L’Elisir d’Amore (Der Liebestrank), Gaetano Donizetti
Hamburgische Staatsoper, 6. April 2017

Eine Opernproduktion, die schon vierzig Jahre auf dem Buckel hat, kann trotzdem noch immer überzeugen: Das bewies die 159. Vorstellung von Gaetano Donizettis „L’Elisir d’Amore“ an der Hamburgischen Staatsoper am Donnerstagabend. Dies lag aber nicht an der braven Inszenierung und schon gar nicht am Dirigat, sondern an zwei Solisten, die ganz überzeugend sangen: Dovlet Nurgeldiyev als armer Bauer Nemorino und Valentina Nafornita als reiche, junge Pächtern Adina. „L’Elisir d’Amore, Gaetano Donizetti, Valentina Nafornita, Dovlet Nurgeldiyev,
Hamburgische Staatsoper“
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"Tosca war meine erste Liebe"

Giacomo Puccini, Tosca
Hamburgische Staatsoper
29. März 2017

von Stefan Kreutz

Ich habe meine erste Liebe in der Staatsoper wiedergetroffen.

Mit 13 Jahren habe ich mein Herz an Tosca verloren – die dramatische Operndiva, die aus Liebe mordet und sich dann selber in den Tod stürzt. Was für eine Emotion! Für einen kleinen Steppke aus der ostwestfälischen Provinz geradezu unerhört und unerreichbar. „Giacomo Puccini, Tosca,
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Der Funke wollte nicht herüberspringen

Foto: A. Declair (c)
Daphne, Richard Strauss

Hamburgische Staatsoper
1. März 2017

von Leon Battran

Schuhe poltern, Gläser klirren, die Figuren verkleiden und entkleiden sich. Zügelloses Treiben, viel Gesang und Bohei in rustikaler Oktoberfestaufmachung: Einige genussvolle Momente hatte sie zu bieten, diese Aufführung von Richard Strauss‘ Daphne in der Hamburgischen Staatsoper. Der Funke wollte trotzdem nicht so recht herüberspringen – zu blass war die gesangliche Leistung. So blieben der Wow-Effekt und die ganz große Begeisterung leider aus. „Daphne, Richard Strauss,
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Genaues Hinhören lohnt sich

Foto: A. Declair (c)
Alban Berg, Lulu
Hamburgische Staatsoper
15. Februar 2017

von Bianca Heitzer

Wer oder was ist eigentlich Lulu? Diese Frage hat sich der ein oder andere Zuschauer am Mittwochabend an der Hamburgischen Staatsoper gestellt. Als „männermordende femme fatale“, „Unerreichbarkeitsfigur“ und „Unheilstifterin“ wird die Lulu in Alban Bergs gleichnamiger Oper oft bezeichnet – in Christoph Marthalers Hamburger Neuinszenierung wird sie um einige Facetten reicher. „Alban Berg, Lulu,
Hamburgische Staatsoper“
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