Operklosterneuburg - ein kleines Städtchen begeistert mit großen Stimmen

Operklosterneuburg – ein hochkarätiges Open-Air-Opernfestival, das Jahr für Jahr rund 11 000 Zuschauer aus Niederösterreich und der nahen Donaumetropole Wien in seinen Bann zieht – findet üblicherweise im barocken „Kaiserhof“ mit seiner exzellenten Akustik statt: knapp 900 Zuschauer genießen vor der Fassade der grandiosen Stiftskirche, die ursprünglich als Teil eines „Wiener Escorial“ geplant war, jährlich wechselnde Inszenierungen. Dieses Jahr steht La Bohème auf dem Programm, doch leider machte ausgerechnet bei der Premiere ein Unwetter der Freiluftaufführung einen Strich durch die Rechnung. Die Aufführung musste in die nahe „Babenbergerhalle“ verlegt werden – ästhetisch gewiss die Antithese des „Kaiserhofs“.

Operklosterneuburg, 9. Juli 2022 Premiere

Giacomo Puccini
La Bohème

Oper in vier Szenen nach Henri Murger’s “Scènes de la vie de bohème” Libretto Giuseppe Giacosa und Luigi Illica

Inszenierung FRANÇOIS DE CARPENTRIES

von Dr. Charles E. Ritterband (Text und Fotos)

 Selbst in der sachlichen Atmosphäre der „Babenbergerhalle“ ließ sich das Publikum von den hervorragenden, jungen Stimmen begeistern, welche Operklosterneuburg für „La Bohème“ mobilisiert hatte. Wahre Jubelstürme rief die deutsch-französische Sopranistin Camille Schnoor als Mimì hervor, welche relativ kurzfristig ihre erkrankte Kollegin Kamile Bonté ersetzt hat – und die sich mit ihrer harmonischen, raumfüllenden Stimme und der ergreifenden Darstellung dieser Rolle als Puccini-Spezialistin etabliert hat (bereits in Madama Butterfly hatte sich Schnoor ihren erstrangigen Platz im Puccini-Repertoire gesichert). Als kongenialer Partner stand ihr mit fein ausgewogenem tenoralem Schmelz, gesungener Leidenschaft und stimmlicher Stärke der erstklassige österreichische Tenor Clemens Kerschbaumer gegenüber. Die Polin Aleksandra Szmyd gab die Musetta als sprühendes Energiebündel mit bestechend warmer, wohlklingender Stimme. Der Bariton Thomas Weinhappel als streitbarer Marcello überzeugte mit kraftvoller, weicher Stimme; ihm zur Seite, ebenfalls ausgezeichnet, der Bariton Ales Jenis als Schaunard und der Bass Dominic Barberi als Colline in seinem tragikomischen Dialog mit dem eben erworbenen und nunmehr der Behandlung von Mimì geopferten Second-Hand-Mantel. „Giacomo Puccini, La Bohème
Operklosterneuburg, 9. Juli 2022 Premiere“
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