Foto: © Monika Rittershaus, offizielles Pressefoto !!! der Staatsoper Unter den Linden, Berlin
Liebe Leserinnen und Leser,
entscheiden Sie bitte selbst: Ist es „Tierquälerei“ im ethischen Sinne, wenn Kaninchen bei gleißendem Licht gut 30 Minuten und teilweise sehr lauter Musik Richard Wagners „Ring des Nibelungen“ in Käfigen miterleben müssen?
Die Leiterin des Pressebüros der Staatsoper Unter den Linden macht klassik-begeistert.de auf den rechtlichen Begriff der „Tierquälerei“ aufmerksam. Der rechtliche Begriff sei unangemessen.
Tierhaltung in Deutschland ist in weitesten Feldern eine beschämende gottverdammte Schande. Spätestens in 20 Jahren werden die Menschen über die Zustände im Jahr 2022 den Kopf schütteln.
Wir verwenden den Begriff „Tierquälerei“ im ethischen Sinne.
Ja, in der Staatsoper Unter den Linden wurden Tiere „gequält“ – im ethischen Sinne.
Hier die Email der Pressesprecherin Victoria Dietrich an die Autorin des Beitrags über „Das Rheingold“ und „Die Walküre“ in der Staatsoper Unter den Linden, im Herzen der deutschen Hauptstadt Berlin. Die Autorin Kirsten Liese ist eine anerkannte Kulturjournalistin in Deutschland.
Von: Dietrich, Victoria
Gesendet: Mittwoch, 5. Oktober 2022 18:01
An: Kirsten Liese
Betreff: Bitte um Korrektur ihres heutigen Artikels auf klassik-begeistert.de
„Liebe Frau Liese,
am Pressetisch von Walküre habe ich Ihnen bestätigt, dass echte Tiere zum Einsatz kommen. Etwas erschrocken habe ich heute Ihren Artikel gelesen. Hätte ich gewusst, dass es hier um eine Veröffentlichung geht, hätte ich Ihnen gerne mehr zum Hintergrund und den Rahmenbedingungen erzählt und ich denke auch, dass das bei einem solchen Artikel angemessen gewesen wäre, sich dazu noch mal detaillierter und faktenbasiert auszutauschen. Eine offizielle Anfrage und Bitte um Stellungnahme wäre seriös gewesen.
Die Frage „muss das sein“ steht Ihnen selbstverständlich zu und darf diskutiert werden, da möchten wir Ihnen nicht reinreden. Aber bitte achten Sie darauf, dass Sie bei den Formulierungen ebenfalls im korrekten Rahmen bleiben.
Es findet keine Tierquälerei statt. Im deutschen Recht wird Tierquälerei als Straftat eingestuft. Die Wahl dieses Ausdrucks ist falsch und suggeriert, dass wir uns außerhalb des rechtlichen Rahmens bewegen – was nicht der Fall ist. Daher bitte ich Sie diese Wortwahl asap umzuformulieren und zu unterlassen.
(Anmerkung des Herausgebers: Wir suggerieren nicht, dass die Staatsoper Unter den Linden sich „außerhalb des rechtlichen Rahmens“ bewegt – leider ist der „rechtliche“ Rahmen in Deutschland so. Die Lindenoper bewegt sich indes außerhalb des ethischen und moralischen Rahmens. Die Tierschutzorganisation PETA – People for the Ethical Treatment of Animals – hat sich des Falles angenommen und will dafür kämpfen, dass die Kaninchen nicht mehr in Wagners RING auftreten müssen. klassik-begeistert.de wird berichten.)
Der Einsatz der Tiere erfolgte nach Einschätzung und Prüfung von Expert:innen: Nachdem aus künstlerischen Gründen der Wunsch bestand, mit echten Tieren auf der Bühne zu arbeiten (Anmerkung des Herausgebers: Bitte lassen Sie sich diese Formulierung auf der Zunge zergehen!), wurde das Konzept der zuständigen amtlichen Tierärztin vorgestellt, die den Prozess begleitet und auch vor Ort inspiziert hat.
Die Tiere wurden über EKKIFANT, die Agentur für Tiere mit Sitz in Berlin, vermittelt, die für die Einhaltung der geltenden Tierschutzbestimmungen garantieren und für eine artgerechte Betreuung des Tieres vor Ort am Einsatzort sorgen. Den vermittelten Trainer:innen liegt der Sachkundenachweis nach §11 des Tierschutzgesetzes, für das jeweils zutreffende Tier, vor. Falls Aufträge oder Einsatzwünsche in diesem Sinne nicht umsetzbar sind, wird zum Wohl des Tieres um Anpassung gebeten. Die Tiere, die zum Einsatz kommen, kennen sich und werden gemeinsam in einem Außengehege gehalten. Im Rahmen ihres Einsatzes, teilen sich die Herdentiere den Käfig immer mit mindestens einem weiteren Artgenossen; mit genug Platz und es werden selbstverständlich nur miteinander verträgliche Tiere zusammengesetzt. Die Käfige sind mit frischem Heu als Futter sowie mit ausreichend Stroh ausgestattet, sodass sich die Tiere ggf. verstecken und zurückziehen können (Anmerkung des Herausgebers: Bitte, liebe Leserinnen und Leser, betrachten Sie das offizielle Foto der Staatsoper Unter den Linden! Wo bitte soll sich da ein Kaninchen „verstecken und zurückziehen“?). Die Tiere werden mindestens zu zweit transportiert – in Transportkäfigen, die eine ausreichende Größe haben. Die Tiere können sich umdrehen, aufrichten und hinlegen. Die Tiere treten in zwei Inszenierungen jeweils für ca. 30 Minuten (Anmerkung des Herausgebers: SIC, SIC, SIC !!!!!) auf. Hinsichtlich der Lautstärke hat die Tierärztin keine Bedenken geäußert.
(Anmerkung des Herausgebers: Wo hat die Tierärztin studiert, was war ihr Studienschwerpunkt, hat sie selbst Tiere, hat sie ein Herz für Tiere? Was befähigt sie dazu, festzustellen, die Tiere akzeptierten die Lautstärke?)
Trotz dieser Einschätzung der Expert:innen hat Matthias Schulz (Anmerkung: der Intendant, er studierte Klavier und Volkswirtschaft) bereits am 30. September ein Gespräch mit einem PETA-Beauftragten angeboten, um auch hier in den Austausch zu gehen – zu dem es heute auch kam. Die Frage „Wo bleibt die Verantwortung des Intendanten?“ hätte ich Ihnen daher bei Nachfrage beantworten können. Herr Schulz nimmt das Thema ernst und sowohl intern als auch mit PETA gab es gute Gespräche, die zu einer weiteren Sensibilisierung geführt haben. Worüber man – das war u.a. auch Thema des heutigen Gespräches – gesellschaftlich diskutieren muss, ist wie man den rechtlichen Rahmen entsprechend anpasst – sei es im Zoo, im Sport, in der Haustierhaltung oder eben auf der Bühne.
Beste Grüße, Victoria Dietrich“
Um 18:46 Uhr schreibt Frau Dietrich u.a.:
„An dem Artikel selbst üben wir keine Kritik – es geht um die beiden Stellen in den (Unter-)Überschriften, die sachlich nicht korrekt sind.“
Anmerkung des Herausgebers: Also die Berliner Staatsoper – über die klassik-begeistert.de immer wieder BEGEISTERT ob ihrer großen Schaffenskraft berichtet – sträubt sich gegen den Ausdruck „Tierquälerei“…
Wie gesagt, wir sehen ihn rein ethisch und erlauben uns als Journalisten diese Meinungsfreiheit kundzutun.
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Kirsten Liese hatte am 4. Oktober 2022 geschrieben:
Halbzeit: Rheingold und Walküre unter Christian Thielemann in der Berliner Staatsoper.
Man hat sich mittlerweile fast daran gewöhnt, dass sich auf der Bühne abstruse Dinge ereignen, die mit Wagners Ring wenig zu tun haben. Aber auf das, was mir nun an der Berliner Staatsoper präsentiert werden würde, war ich nicht gewappnet: Ich wollte zuerst meinen Augen gar nicht trauen, befanden sich in den Käfigen, die Dmitri Tcherniakov in seine Inszenierung an der Berliner Staatsoper einbezieht, allen Ernstes echte Kaninchen? Mich hat dieses beklemmende Szenarium schon im Rheingold so stark beunruhigt, dass ich mich auf die Musik kaum noch konzentrieren konnte. Noch hoffte ich, dass es sich um computergesteuerte Attrappen handeln könnte. Aber leider bestätigte meine Anfrage bei der Pressesprecherin der Staatsoper Unter den Linden, Victoria Dietrich, meine Befürchtungen, dass hier doch echte Tiere ohne Not einem Wahnsinnsstress ausgesetzt werden.
Wie kann es angehen, dass solche Form von „Tierquälerei“ – im ethischen Sinne, nicht im Sinne des deutschen Rechts – an einer deutschen Bühne Erlaubnis findet? Wo bleibt die Verantwortung des Intendanten? Wo bleibt die Empathie in der Kunst?
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Als Herausgeber bitte ich Herrn Schulz ferner, folgende Fragen schriftlich zu beantworten:
Wie konnte der Intendant dem Wunsch des Regisseurs nach lebenden Kaninchen auf der Bühne entsprechen – in Zeiten von Animation, Videos und anderen Möglichkeiten, Attrappen herzustellen?
Ist dem Intendanten bekannt, dass einige Zuschauer aus Protest gegen diese „Tierquälerei“ im ethischen Sinne die Vorstellung verlassen haben?
Ist dem Intendanten nicht bekannt, dass wir in diesen Zeiten nicht Tiere mit Lärm und Hitze quälen?
War dem Intendanten nicht bewusst, dass viele Deutsche sich gegen diese Form der „Tierpräsentation“ – 30 Minuten bei Lärm, Licht und Hitze – wenden?
Waren diese Tiere nicht wieder einmal das Hilfsmittel, einem eitlen Regisseur für (noch mehr) Publicity zu sorgen?
Würden Sie, werter Herr Schulz, ein Kaninchen so in Ihrem Hause halten wie jene in Ihrem Opernhaus?
Aus immer mehr Zirkussen verschwinden Tiere – warum nicht im Hauptstadtopernhaus?
Was hätte der große Daniel Barenboim zu dieser im ethischen Sinne „Tierquälerei“ gesagt?
Herzlich wünscht Ihnen mehr Herz für Tiere,
Andreas Schmidt, Herausgeber, 5. Oktober 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Halbzeit: Rheingold und Walküre unter Christian Thielemann an der Berliner Staatsoper Staatsoper Unter den Linden, Premieren 2. und 3. Oktober 2022