Traviata in Venedig: Diese Italianità spielt sich mindestens so stimmig wie Wagner in Bayreuth!

Teatro La Fenice, Venedig, https://commons.wikimedia.org

Traviata in Venedig: Das habe ich massiv unterschätzt. Die warme Meeresluft, die ständige Stimmung nach gutem Essen. Rosa Feolas blühende Violetta, die punktgenau trefflich gestimmte Verdi-Chor-Feierstimmung. Es passt einfach alles zusammen. 

Teatro La Fenice, Venedig, 10. September 2023

La Traviata
Musik von Giuseppe Verdi

Libretto von Francesco Maria Piave


von Johannes Karl Fischer

Ganz ehrlich. Die zweitmeistgespielte Oper der Welt hat ihren Uraufführungsort einfach nie verlassen. Im Venedig wirkt sie heute wie wahrscheinlich schon 1853 einfach zur rechten Zeit am rechten Ort. In der Pause mal schnell auf einer kleinen Kanalbrücke Luft schnappen. Die Stimmung einer Violetta Valéry bläst mit der Brise. „Giuseppe Verdi, La Traviata,
Teatro La Fenice, Venedig, 10. September 2023“
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Verdis „Lombardi“ erobern Venedig im Sturm

Giuseppe Verdis monumentales Werk „I Lombardi alla prima Crociata” (Die Lombarden auf dem ersten Kreuzzug) ist nach 178 Jahren erstmals wieder ins venezianische Gran Teatro La Fenice zurückgekehrt. Der damals erst 29jährige Komponist aus Busseto erhielt nach seinem überwältigenden Erfolg des „Nabucco“ an der Scala di Milano (9. März 1842) vom Unternehmer Bartolomeo Merelli den Auftrag zu einer neuen Oper. Diese vierte, gewaltige Opernschöpfung des jungen Komponisten, das bereits knapp ein Jahr nach Verdis Triumph an der Scala, am 11. Februar 1843, an diesem führenden Opernhaus Italiens uraufgeführt wurde, erntete ebenso große Beifallsstürme wie sein „Nabucco“, der inzwischen zu Italiens „Nationaloper“ avanciert war. Ja, eine Zeitlang war der Chor „O Signore, dal tetto natio“ aus dem vierten Akt der relativ selten gespielten „Lombardi“ populärer als die angebliche geheime Nationalhymne Italiens „Va’, pensiero“ aus dem viel häufiger aufgeführten „Nabucco“ – was heute kaum mehr vorstellbar ist. Und beide Opern basieren auf Libretti des romantischen Dichters Temistocle Solera. Die „Lombardi“, welche eine Sekte fanatischer, mörderischer und rassistischer Christen auf Kreuzzug im „Heiligen Land“ zum Thema haben, erhielten durch die Schreckensmeldungen aus der Ukraine ungeahnte Aktualität. Wenngleich am „Fenice“, im Gegensatz zu den von mir erst kürzlich besuchten Londoner Opernhäusern, nicht die ukrainische Nationalhymne (unter „standig ovations“ des englischen Publikums) vor der jeweiligen Ouvertüre intoniert wurde, so manifestierte die gelb-blaue Beleuchtung der Fassade des renommierten „Fenice“ doch die Solidarität des Hauses und der Stadt Venedig mit der vom Krieg erschütterten osteuropäischen Nation.

Gran Teatro La Fenice, 5. April 2022

Giuseppe Verdi, “I Lombardi alla prima Crociata”,
Libretto: Temistocle Solera

von Dr. Charles E. Ritterband (Text und Fotos)

 „Nabucco“ und „Lombardi“, so kurz nacheinander entstanden, weisen auffällige Parallelen auf: Der blutige Konflikt zweier Kulturen und Religionen in und um das Heilige Land, dort in biblischen Zeiten die Deportation der Juden durch die Babylonier, von Machtwahn besessen, hier die im 11. Jahrhundert in Palästina gnadenlos mörderisch einfallenden, von religiösen Wahnideen besessenen Christen – und die in beiden Opern dominierenden Chorszenen. Diese, in höchster Qualität und Intensität (Chormeister: Alfonso Caiani) dargeboten vom imposanten Chor des „Fenice“ füllen mit ihrem zahlreichen Personal in den aufeinanderfolgenden „Tableaus“ zumeist den gesamten Bühnenraum und überlassen daher dem Regisseur (Valentino Villa) wenig Spielraum – es dominiert fast immer die Statik dieser Inszenierung.

Dazu trägt auch das imposante Bühnenbild (Massimo Checchetto) bei: Ein gewaltiger Betonbunker, dessen Wände bisweilen reduziert oder hochgefahren werden oder – ein ebenso sinnvoller wie wirkungsvoller Effekt – sich immer wieder zu einem von hinten beleuchteten Kreuz in variabler Größe ändern. Bühnenbild und Kostüme (Elena Cicorella) versetzen die Handlung aus der Zeit der frühen Kreuzfahrer jäh ins Heute und lassen immer wieder an die Gräuel in der Ukraine denken – beispielsweise wenn die weiß gewandeten Kreuzritter eine offensichtlich von Muslimen geführte Imbissbude plündern und verwüsten und deren Besitzer massakrieren. Immer wieder werden im Hintergrund idyllische Szenen aus dem Heiligen Land sichtbar, die brutal mit den Betonwänden des Bühnenbunkers kontrastieren. „Giuseppe Verdi, “I Lombardi alla prima Crociata”,
Gran Teatro La Fenice, 5. April 2022“
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"Tod in Venedig" – Karneval abgebrochen: klassik-begeistert.de-Autor vor Ort

klassik-beigeistert.de-Autor Dr. Charles E. Ritterband besuchte soeben die Oper in Venedig, den Karneval in der Lagunenstadt sowie die Scala in Mailand. Lesen Sie bitte auch seinen zweiten Bericht aus einer Region, die mit einem teuflischen Virus kämpft.

von Dr. Charles E. Ritterband, in Venedig (Text und Fotos)

Bei diesem prachtvollem, frühlingshaftem Wetter funkelten und glitzerten die aufwendigen Kostüme des venezianischen Karnevals im Sonnenlicht. Manche scheuten keinen Aufwand, um für ein paar wenige Tage mit großem Gepäck  in die Lagune zu reisen – stolz und bereitwillig posieren die Kostümierten für die Kameras Hunderter von Besuchern, meist vor dem Dogenpalast, dessen weiße Marmorsäulen den idealen Hintergrund für die farbenprächtigen abgeben.

Doch die heiter – unbeschwerte Atmosphäre täuscht – genauso wie sich hinter den Karnevalsmasken sich ganz andere Gesichter verbergen, lauert unter der Oberfläche das Unfassbar-Bedrohliche, das immer näher kommt: Der Coronavirus, der jetzt die Lombardei und Venetien erfasst hat.

Gaetano Donizetti, L’Elisir d’Amore, Teatro La Fenice, Venezia, 19. Februar 2020

Bereits hat die weltberühmte Mailänder Scala ihre Pforten bis auf weiteres geschlossen – ich hatte noch das Glück, am letzten Samstag die letzte Vorstellung, die Première von Rossinis Turco in Italia mitzuerleben. Jetzt, zwei Tage vor dessen offiziellem Abschluss, wurde auch der Carnevale in Venedig wegen der Virus-Gefahr abgebrochen.

Gioachino Rossini, Il Turco in Italia, Teatro alla Scala, 22. Februar 2020

Ich erinnere mich da unwillkürlich an Benjamin Brittens beeindruckende Oper „Death in Venice“ (nach dem Roman von Thomas Mann) – auch hier lauert hinter den prunkvollen Fassaden der Lagunenstadt eine unsichtbare Gefahr, aus Angst um den lebenswichtigen Tourismus wird diese heruntergespielt, ja negiert. Anders jetzt: Venedig setzte eine klare Maßnahme, ungeachtet der touristischen Aspekte. Sämtliche Karnevals- und Sportveranstaltungen würden jetzt mit sofortiger Wirkung abgesagt, erklärte der Präsident der Region Venetien, Luca Zaia.

Der berühmte Carnevale, der alljährlich Besucher aus aller Welt in die „Serenissima“ reisen lässt, hat einer jahrhundertealte Tradition. Erstmals wurde er im Jahr 1162 begangen.

Dr. Charles E. Ritterband, 24. Februar 2020, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Dr. Charles E. Ritterband

Der Publizist und Journalist Dr. Charles E. Ritterband, 67, geboren in Zürich / Schweiz, ist Verfasser mehrerer Bestseller („Dem Österreichischen auf der Spur“, „Österreich – Stillstand im Dreivierteltakt“ sowie „Grant und Grandezza“) und hat als Auslandskorrespondent 37 Jahre aus London, Washington, Buenos Aires, Jerusalem und Wien für die renommierte Neue Zürcher Zeitung (NZZ) berichtet. Er studierte Germanistik, Geschichte, Philosophie und Staatswissenschaften an den Universitäten Zürich und Harvard sowie am Institut d’études politiques de Paris und an der Hochschule St. Gallen. Seit Kindesbeinen schlägt Charles’ Herz für die Oper, für klassische Konzerte und für das Theater. Schon als Siebenjähriger nahm ihn seine Wiener Oma mit in die Johann-Strauß-Operette „Eine Nacht in Venedig“. Die Melodien hat er monatelang nachgesungen und das Stück in einem kleinen improvisierten Theater in Omas Esszimmer nachgespielt. Charles lebt im 4. Bezirk in Wien, auf der Isle of Wight und in Bellinzona, Tessin. Er schreibt seit 2017 für klassik-begeistert.de.

Überschäumende Heiterkeit in der "Serenissima" - "L'Elisir d'Amore" besticht im Teatro La Fenice

Teatro La Fenice, Venezia, 19. Februar 2020
Gaetano Donizetti, L’Elisir d’Amore
Foto: Zuschauerraum nach der Rekonstruktion, 2018,
Teatro La Fenice (c)

„Gaetano Donizetti, L’Elisir d’Amore,
Teatro La Fenice, Venezia, 19. Februar 2020“
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Venedig: Fulminante Rückkehr der „Traviata“ ins Fenice

Teatro La Fenice, 4. Januar 2018
Giuseppe Verdi, La Traviata

Orchester und Chor des Teatro la Venice , Venedig
Dirigent: Enrico Calesso
Regie: Robert Carsen
Bühne und Kostüme: Patrick Kinmonth
Chorleiter: Claudio Marino Moretti
Violetta Valéry: Mihaela Marcu
Alfredo Germont: Leonardo Cortellazzi
Giorgio Germont: Armando Gabba
Il barone Douphol: William Corrò
Flora Bervoix: Elisabetta Martorana
Gastone: Iorio Zennaro
Dottor Grenvil: Luciano Leoni

von Charles E. Ritterband

Die „Traviata“ und das Teatro La Fenice, das großartige Werk und das weltberühmte „goldene“ venezianische Opernhaus, sind gleichsam schicksalshaft ineinander verschlungen, sind doppelt miteinander verknüpft. Als die Oper am 6. März 1853 im Teatro La Fenice ihre Uraufführung erfuhr, war dies ein Fiasko – schwer zu fassen, zumal die „Traviata“ Verdis meistgespielte Oper weltweit und in vielen Ländern die meistgespielte Oper überhaupt ist. „Giuseppe Verdi, La Traviata,
Teatro La Fenice di Venezia“
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Fulminante Neujahrskonzerte in Venedig und Parma

Concerto di Capodanno
Teatro La Fenice di Venezia, 1. Januar 2018
Chor und Orchester des Teatro La Fenice
Myung-Whun Chung, Dirigent
Claudio Marino Moretti, Chorleiter
Maria Agresta, Sopran
Michael Fabiano, Tenor

Gala di Capodanno
Teatro Regio di Parma, 31. Dezember 2017
Orchestra dell’Opera Italiana
Francesco Ivan Ciampa, Dirigent
Maria Mudryak, Sopran
Stefan Pop, Tenor
Amartuvshin Enkhbat, Bariton
Giacomo Prestia, Bass

von Charles E. Ritterband

Es war wie ein ferner Gruß aus Wien, wo am folgenden Tag das legendäre Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker aus dem Goldenen Saal des Musikvereins stattfinden sollte, als am Silvesterabend in Parma das Orchestra dell’Opera Italiana die „Fledermaus“-Ouverture von Johann Strauß und „Lippen schweigen“ aus Franz Lehàrs „Lustiger Witwe“ anstimmte. Natürlich klang das auch hier, weit weg von der Donaumetropole, vorzüglich (aber doch ziemlich anders als bei den Wiener Philharmonikern) . Aber die grandiose, in Kasachstan geborene und in Mailand ausgebildete Sopranistin Maria Mudryak und der phänomenale, aus Rumänien stammende Tenor Stefan Pop legten ins Lehàr-Duett so viel Innigkeit, dass einem buchstäblich die Tränen kamen. „Neujahrskonzerte in Venedig und Parma,
Teatro La Fenice di Venezia, Teatro Regio di Parma“
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