Das Faszinosum der Demontage: Lang Lang zerlegt Schumann

Lang Lang © Stephan Polzer

Nicht den besten Tag erwischt. Noch dazu zerdehnt Lang Lang die Kreisleriana bis auf die Unkenntlichkeit. „Er verliert sich zu sehr“, trifft ein Gast den Nagel auf den Kopf. Bei Chopins Mazurken blitzt ansatzweise wieder sein Genie durch. Standing Ovations sind dem Superstar im Wiener Konzerthaus dennoch sicher.

Lang Lang, Klavierabend

Wiener Konzerthaus, Großer Saal, 8. Mai 2024

von Jürgen Pathy

So darf man Schumann eigentlich nicht spielen. Würde auch kein anderer wagen als Lang Lang. Das Zeitmaß bis aufs Äußerste gedehnt. Die Struktur von Schumanns „Kreisleriana“ damit völlig aus dem Lot gebracht. Die Kreisleriana ist im Grunde ganz einfach. Der Henle-Verlag würde widersprechen: Schwierigkeitsgrad 8, auf einer Skala bis 9. Aber vom Grundgedanken: Es ist ein Kampf. Zwischen einem Ja zur Liebe und der Resignation. Ein Aufbäumen gegen den Widerstand, dem sich Robert Schumann ausgesetzt sieht. „Lang Lang, Klavierabend
Wiener Konzerthaus, Großer Saal, 8. Mai 2024“
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Martha Argerich und Zubin Mehta – ein großartiges Konzert, das man sich noch lange merken wird

Martha Argerich, Konzerthaus Wien © Andrea Humer

Maurice Ravel: Konzert für Klavier und Orchester in G-Dur

Anton Bruckner: Symphonie Nr. 7 in E-Dur

Martha Argerich, Klavier
Wiener Philharmoniker
Zubin Mehta, Dirigent

Konzerthaus Wien, Großer Saal, 20. März 2024

von Herbert Hiess

Der indische Dirigent Zubin Mehta wird am 29. April 88 Jahre alt; er ist ein weltweit gefragter und umtriebiger Musiker. Der ehemalige Kontrabassist Mehta war zur gleichen Zeit Student bei Hans Swarowsky in Wien und auch Studienkollege von Claudio Abbado.

Er ist weniger durch extrem tiefgehende Interpretationen aufgefallen; irgendwie hat man ihn eher als „Event-Dirigent“ oder „Show-Dirigenten“ gesehen. Technisch ist er perfekt; hat eine phantastische Schlagtechnik und ist musikalisch auf der ganzen Welt zu Hause. „Martha Argerich, Klavier, Wiener Philharmoniker, Dirigent Zubin Mehta
Konzerthaus Wien, Großer Saal, 20. März 2024“
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Zweimal strahlt the best of Bach an einem Tag in Wien

Matthew Halls © Johannes Niesel-Reghenzani

Obwohl ich persönlich die „historische“ Interpretation bevorzuge, hat auch die „symphonische“ mächtig auf mich gewirkt. Es haben sicher beide ihre Berechtigung, so unterschiedlich das  Ergebnis auch ausfallen mag. Aus dem großen Beifall, der nach den zwei Konzerten aufbrandete, schließe ich, dass jede Interpretation ihre Anhängerinnen und Liebhaber hat. Wie schön, dass ich in Wien an einem Tag beide erleben konnte!

Nicht alle Musiker glauben an Gott, aber alle glauben an Johann Sebastian Bach. (Mauricio Kagel)

J.S. Bach, Matthäuspassion, BWV 244

Wiener Symphoniker

Rebeka Rusó, Viola da Gamba
Wiener Singakademie, Einstudierung: Heinz Ferlesch

Stuart Jackson, Tenor (Evangelist)
Manuel Walser, Bariton (Christus)
Sophie Junker, Sopran
Hugh Cutting, Countertenor
Laurence Kilsby, Tenor
Samuel Hasselhorn, Bariton
Robert Schöck, Bass (Pilatus)
Johannes Feigl, Bass (Petrus)
Camilo Leins, Bass (Judas)

Dirigent: Matthew Halls

Wiener Konzerthaus, Großer Saal, 17. März 2024

++++

Orchester Wiener Akademie
Mitglieder des Musica Angelica Baroque Orchestra Los Angeles

Solisten Chor 1: Johanna Rosa Falkinger, Sopran; Reginald Mobley, Alt; Benedikt Kristjánsson, Tenor; John Taylor Ward, Bass

Solisten Chor 2: Teres Wakim, Sopran; Alois Mühlbacher, Alt; Daniel Johannsen, Tenor; Stefan Zenkl, Bass

Ripieno: Mitglieder des Wiener Akademie Consort

Dirigent: Martin Haselböck

Großer Saal der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien, 17. März 2024


von Dr. Rudi Frühwirth

Zufall, Absicht, oder mangelnde Koordination? Wie auch immer, am vergangenen Sonntag stand in den beiden großen Wiener Konzertsälen Bachs Matthäuspassion auf dem Programm.

In der Matinee im Konzerthaus spielten die Wiener Symphoniker auf modernen Instrumenten die „symphonische“ Version; am Abend spielte im Musikverein die Wiener Akademie auf historischen Instrumenten die „historische“ Version. Das war für mich eine einzigartige Gelegenheit, zeitnah einen Vergleich der beiden Interpretationen dieses singulären Werkes anzustellen. „J.S. Bach, Matthäuspassion, BWV 244
Wiener Konzerthaus und Musikverein Wien, 17. März 2024“
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Matthew Halls hebt mit der Matthäus-Passion ab in göttliche Sphären

Matthew Halls © Benjamin Ealovega 2022

Wenn es vor Schönheit schmerzt, ist sonst Teodor Currentzis nicht fern. Unter den Händen von Matthew Halls erreicht die Matthäuspassion dieselbe Wirkung. Aufgrund der Wiener Symphoniker schwebt man auf Wolke sieben. Die Wiener Singakademie verhilft im Wiener Konzerthaus endgültig zur Apotheose – der Erhebung des Menschen zum Göttlichen.

 Johann Sebastian Bach, Matthäus-Passion


Wiener Konzerthaus, Großer Saal, 17. März 2024

von Jürgen Pathy

„Das dürfte ausverkauft sein – so viel Leut’ hab ich noch nie gesehen“. Bereits vor dem Konzert staunende Gesichter, wohin man blickt. Nach dem Konzert schwebt man dann mindestens zehn Zentimeter über dem Boden. Die Sorge, Bachs längstes Werk – über zweieinhalb Stunden dauert es – könnte zu einem dick-ausgewalzten Brei verkommen, erweist sich als unbegründet.

„Johann Sebastian Bach, Matthäus-Passion
Wiener Konzerthaus, 17. März 2024“
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Das Beste kommt immer zum Schluss...

Semyon Bychkov © Marco Borggreve

Als Zugabe des Konzertes gab es den 1. Slawischen Tanz in C-Dur op. 46, der wieder versöhnlich stimmte. Da hatten Bychkov und die Tschechen den „richtigen Ton“ drauf. Schade, dass der nicht im gesamten Konzert zu vernehmen war – Bychkov und das Tschechische Orchester sind Weltspitze; dieses Niveau wird ihnen sicher bald wieder gelingen.


Antonín Dvořák

Ouverture op. 92.

Klavierkonzert in g-moll, op. 32

Symphonie Nr. 9 in e-moll „Aus der neuen Welt“ op. 95

Sir András Schiff, Klavier
Tschechische Philharmonie
Dirigent: Semyon Bychkov

Wiener Konzerthaus, Großer Saal, 11. März 2024

von Herbert Hiess

Es ist ein eigenartiges Gefühl. Da geht man in ein Konzert, wo alle „Eckdaten“ begeisternd klingen. So der exzellente Dirigent Semyon Bychkov, dann der äußerst bekannte Pianist Sir András Schiff und nicht zuletzt mit der Tschechischen Philharmonie eines der besten und traditionsreichsten Orchester Europas, wenn nicht der ganzen Welt.

Die Tschechen und Bychkov hatten jetzt zwei Konzerte im Wiener Konzerthaus mit einem „Blockbuster“-Programm. Am besuchten Abend war die wunderschöne „Karneval“-Ouvertüre zu hören, das allzu selten gespielte g-moll Klavierkonzert und dann natürlich die „Neue Welt“-Symphonie. „Sir András Schiff, Klavier, Tschechische Philharmonie Dirigent: Semyon Bychkov
Wiener Konzerthaus, Großer Saal, 11. März 2024“
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Christian Gerhaher verströmt Goldklänge mit Daniel Harding und dem Swedish Radio Symphony Orchestra im Wiener Konzerthaus

Christian Gerhaher © Hiromichi Yamamoto

Daniel Harding sollte im Wiener Musikleben viel mehr verankert werden; das wäre eine Empfehlung sowohl für die Philharmoniker als auch für die Wiener Staatsoper – zumal die Szene derzeit absolut nicht mit vielen hervorragenden Maestros gesegnet ist!

Swedish Radio Symphony Orchestra

Christian Gerhaher, Bariton
Daniel Harding, Dirigent

Hugo Alfvén: A legend of the Skerries op. 20

Gustav Mahler: Fünf Lieder nach Gedichten von Friedrich Rückert

Richard Strauss: Also sprach Zarathustra; Tondichtung frei nach Friedrich Nietzsche op. 30

Konzerthaus Wien, Großer Saal, 5. März 2024

von Herbert Hiess

Kennen Sie den Moment, wo man eigentlich mit wenig bis gar keinen Erwartungen eine Veranstaltung (sei es Konzert, Oper oder Liederabend) besucht und man dann, wie es so schön neudeutsch heißt, „geflasht“ den Ort der Veranstaltung wieder verlässt? „Swedish Radio Symphony Orchestra / Gerhaher / Harding
Wiener Konzerthaus, 5. März 2024“
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„Diesen Kuss der ganzen Welt“ – in Wien hören Sie die beste NEUNTE der Welt

Vor dem Neujahrskonzert im Wiener Konzerthaus traf ich unweit der Kassa klassik-begeistert-Autor Johannes Fischer, Hamburg, mit seinen Eltern aus Kalifornien. Hier sind Johannes’ Impressionen:

„Musikalischer Volltreffer zum Jahresauftakt: Wenige Stunden nach dem prestigeträchtigen Philharmoniker-Neujahrskonzert läutete Omer Meir Wellber im Konzerthaus eine neue Ära der neunten Sinfonie von Beethoven ein. Vor allem die ersten beiden Sätze hatten ordentlich Schub nach vorne, das Scherzo tanzte mit luftigen Melodien und fast schon groovigen Rhythmen durch den Saal. Wie Beethoven: Wild, aber nicht zu wild, stets mit messerscharfer Präzision und Wienerischem Charme. Das war nicht mehr das alte, ausgeleierte Meisterwerk des Klassik-Establishments, das war ein Meilenstein in der Aufführungsgeschichte dieses wunderbar wegweisenden Musikstücks.  

Schon die Uraufführung löste eine musikalische Revolution aus, selbst Richard Wagner konnte das Werk aus seinem Bayreuther Festspielhaus nicht verbannen. Die Wiener Symphoniker spielten dieses Werk auch 250 Jahre danach wie auf den musikalischen Barrikaden, der Schlusssatz endete im grenzenlosen Jubelgesang mit Chor und vier feinen SolistInnen der Extraklasse. Christopher Maltman schmetterte das Bass-Solo wie ein allmächtiger Wagner-Wotan ins Haus, der Tenor Michael Schade kämpfte freudig zum Siegen wie ein Siegfried.

„Nun steht der Cherub mal wieder vor Gott…“

Wiener Konzerthaus, 1. Januar / Jänner 2024
Neujahrskonzert

„Neujahrskonzert der Wiener Symphoniker und der Wiener Singakademie, Beethoven 9
Wiener Konzerthaus, 1. Januar / Jänner 2024“
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Es muss eine Rückbesinnung zu einer Art von „Werktreue“ geben

So sieht der Wiener klassik-begeistert-Reporter Herbert Hiess
das Opern- und Klassikjahr 2023

Foto © Wiener Staatsoper

von Herbert Hiess

Wenn ich von unserem Herausgeber ersucht werde die persönlichen Highlights des vergangenen Jahres bekannt zu geben, wird es tatsächlich schwierig – vor allem, was die „Kunstform“ Oper anbelangt.

Denn mittlerweile ist man an einer Phase angelangt, die man gelassen als Generationenkonflikt bezeichnen kann. Auf der einen Seite in die Jahre gekommene Damen und Herren, die auf jahrzehntelange Erfahrung und vielleicht eine profunde Werkkenntnis blicken können… und auf der anderen Seite das junge (bzw. jung gebliebene) Publikum, das noch irgendeine Art von Prägung benötigt. „Das Opern- und Klassikjahr 2023
klassik-begeistert.de“
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Thielemann und die Wiener Philharmoniker: So klingt Weltklasse

Christian Thielemann © Matthias Creutziger

Wiener Philharmoniker
Christian Thielemann, Dirigent

 Programm

Felix Mendelssohn Bartholdy
Ouverture »Die Hebriden / Fingalshöhle« op. 26 (1829–1833)

Symphonie Nr. 3 a-moll op. 56 »Schottische« (1829/1841–1842)

***

Johannes Brahms
Symphonie Nr. 3 F-Dur op. 90 (1883)

Wiener Konzerthaus, Großer Saal, 12. Dezember 2023

von Kathrin Schuhmann

Am Abend des 12. Dezember 2023 versammelten sich zahlreiche Musikliebhaber im geschichtsträchtigen Großen Saal des Wiener Konzerthauses, um Zeugen einer außergewöhnlichen Darbietung durch das weltklassige Orchester der Wiener Philharmoniker unter der Leitung des renommierten Dirigenten Christian Thielemann zu werden. Kaum ein Sitz blieb unbesetzt. „Wiener Philharmoniker, Christian Thielemann, Dirigent
Wiener Konzerthaus, 12. Dezember 2023“
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Wiener Symphoniker präsentieren Programmmusik: Ein Wechselbad der Gefühle

Rudolf Buchbinder © Marco Borggreve

Wiener Symphoniker
Rudolf Buchbinder, Klavier

Barbara Rett, Präsentation
Alexander Soddy, Dirigent

Programm:

César Franck
Le chasseur maudit »Der wilde Jäger«. Symphonische Dichtung M 44 (1882)

Ludwig van Beethoven
Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 C-Dur op. 15 (1795–1800)

***

Arnold Schönberg
Verklärte Nacht op. 4 (Fassung für Streichorchester 1943) (1899/1943)

Wiener Konzerthaus, Großer Saal, 3. Dezember 2023

von Kathrin Schuhmann

Dass Musik, die dem Genre der Programmmusik zugehört, die Geister spalten kann, wissen wir nicht erst seit gestern. So stritten sich allein die in Wien ansässigen gelehrten Köpfe über den ästhetischen Stellenwert und vor allem auch die Legitimität dieser neuen Spielart von symphonischer Instrumentalmusik nicht weniger lang als ein halbes Jahrhundert.

In ihren oft hitzig-polemischen Feuilletons schenkten sie sich einander nichts, nachdem die programmatische Paradegattung schlechthin, die symphonische Dichtung, in Form von Franz Liszts Les Préludes 1857 erstmalig durch das Orchester der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien zu Gehör gebracht worden war. „Programmmusik: Wiener Symphoniker Rudolf Buchbinder, Klavier
Wiener Konzerthaus, Großer Saal, 3. Dezember 2023“
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