Augen zu und durch: Die Sensation der Wiener „Traviata" steht im Graben

La Traviata © Wiener Staatsoper

Viel zu wenig Applaus für den Dirigenten. Shout-Out für Domingo Hindoyan, der Verdis „La Traviata“ an der Wiener Staatsoper in ein neues Licht rückt. Angesteckt von seiner verklärten Lesart, findet Lisette Oropesa zu ungewohnter Leichtigkeit. Juan Diego Flórez bettet er auf Zimmerlautstärke. Nur Ludovic Tézier verirrt sich in dieser mysteriösen Atmosphäre, die an Wagners Gralswelt erinnert.

Giuseppe Verdi, La Traviata

Wiener Staatsoper, 13. September 2024

von Jürgen Pathy

„Ich dachte, du magst die Oropesa nicht!“ Meine Aversion hat sich nach dieser Vorstellung fast in Luft aufgelöst. Nicht zur Gänze, weil Lisette Oropesa noch immer regelmäßig zurückfällt. In Phrasen, die nur mit einem extremen Kraftakt über ihre Lippen fließen. Doch dieser Violetta gelingen auch viele leichte Momente, klare Piani, die sie mit einer Innigkeit hinhaucht, vor der man dahinschmelzen könnte. Ohne das ständige Zittern und Beben, das ihrer Stimme sonst oft beiwohnt.

„Giuseppe Verdi, La Traviata
Wiener Staatsoper, 13. September 2024“
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Liebesdrama in Wien: Für Nadine Sierra stirbt Roméo zurecht

Roméo et Juliette © Michaael Pöhn

Rot ist die Liebe. Deshalb spielen bei Jürgen Flimms Regie von „Roméo et Juliette“ Kostume in Rottönen eine Rolle. Von flammender Leidenschaft sonst wenig Spur. Bertrand de Billy bleibt am Pult der Wiener Staatsoper verhalten. Saimir Pirgu setzt als Roméo überwiegend auf Lautstärke. Nur Nadine Sierra holt die Kastanien aus dem Feuer und reißt zum Ende alle vom Hocker – Leidenschaft und Facettenreichtum pur!


Charles Gounod
Roméo et Juliette

Wiener Staatsoper, 8. September 2024

von Jürgen Pathy

„Sie g’foit ma net!“. Mit dieser Meinung steht die Dame allein auf weiter Flur. Dass Nadine Sierra „zu dünn“ in den Höhen sei, könnte man schon meinen. Anfangs, da wirkte die Stimme leicht, fast ohne Stütze. Das könnte die Meinung des Gasts beeinflusst haben. Dass das alles auf Konzept basieren dürfte, einem Ausdruck der Wandlung über rund zweieinhalb Stunden Liebesdrama, sollte die Dame nicht außer Acht lassen.

„Charles Gounod, Roméo et Juliette
  Wiener Staatsoper, 8. September 2024“
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Ganz Wien kniet vor Cecilia Bartoli

Foto © Marco Borrelli

Der letzte Ton ist vorbei, alles nur Schall und Rauch. Nicht so bei Cecilia Bartolis Gastspiel in Wien. Bei der gebürtigen Römerin gibt es sogar an der Wiener Staatsoper einige Zugaben. Zuvor hat die 58-jährige Ausnahmesängerin bewiesen, dass sie noch lange nicht zum alten Eisen zählt. In Händels „Giulio Cesare“ stiehlt ihr nur einer fast die Show: Countertenor Carlo Vistoli in der Titelpartie.

Georg Friedrich Händel, Giulio Cesare in Egitto

Wiener Staatsoper, 9. Juli 2024

von Jürgen Pathy

Das gibt’s ja gar nicht. Da denkt man sich gerade noch, die Bartoli hat’s nicht mehr drauf. Die Stimme glüht nicht mehr so wie früher. Da schaltet die quirlige Ausnahmekünstlerin plötzlich einen Gang höher. Den kompletten ersten Akt lang hat sie ihre Kräfte geschont, den zweiten auch noch. Ab der Arie „Se pietà“, in der sie ihren Schmerz auf dem Silbertablett ausbreitet, hebelt sie einen komplett aus dieser Welt. „Wenn du kein Mitleid mit mir hast, Himmel, werde ich sterben“. Cleopatras wehmütige Klage, nachdem Cesare ihr zuvor die kalte Schulter gezeigt hat. „Georg Friedrich Händel, Giulio Cesare in Egitto
Wiener Staatsoper, 9. Juli 2024“
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Cecilia Bartoli präsentiert sich als unverändertes Stimmwunder

Kangmin Justin Kim (Sesto) und Sara Mingardo (Cornelia)
© Marco Borrelli

Heute ist es schon fast ein Wunder, wenn man in einer Opernaufführung von einer gelungenen und ansehnlichen Regie sprechen kann. Wenn nicht ein Libretto verunstaltet wird, die Musik durch dümmlichen Aktionismus geradezu zerstört wird und man letztlich das Libretto nicht erkennt.

Das Wunder einer hervorragenden und lebendigen Regie bescherte uns beim Gastspiel der Oper von Monte-Carlo in der Wiener Staatsoper der italienische Regisseur Davide Livermore.

Georg Friedrich Händel
Giulio Cesare in Egitto

Gastspiel der Oper von Monte-Carlo

Mit Carlo Vistoli, Cecilia Bartoli, Max Emanuel Cenčić, Sara Mingardo, Kangmin Justin Kim u.a.

Choeur de l’Opéra de Monte-Carlo
Les Musiciens du Prince – Monaco

Dirigent: Gianluca Capuano

Regie: Davide Livermore

Wiener Staatsoper, 9. Juli 2024

von Herbert Hiess

Ja, es war ein interessanter Regieansatz; das Abenteuer von Cleopatra und ihrem Caesar spielt sich auf einer immer turbulenter werdenden Nilkreuzfahrt ab. Caesar dürfte hier – genauso wie Cleopatra – Passagier auf dieser Kreuzfahrt gewesen sein.

Das Schiff hieß „Tolomeo“, so wie sein größter Widersacher. Obwohl fast immer Videos zumeist zur Entstellung, wenn nicht sogar zur Zerstörung eines Bühnenwerkes führen, schaffte es der Videokünstler „Dwok“ perfekt, auf großflächigem Hintergrund Landschaften, Fluss (Nil) und mehr gekonnt und stimmungsvoll darzustellen. „Georg Friedrich Händel, Giulio Cesare in Egitto
Wiener Staatsoper, 9. Juli 2024 “
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In der zweiten Aufführung stabilisiert sich die neue Wiener "Così"

Kate Lindsey (Despina) und Emily D’Angelo (Dorabella)

Così fan tutte
Wolfgang Amadeus Mozart & Lorenzo Da Ponte

Wiener Staatsoper, 16. Juni 2024 (Premiere)

von Peter Sommeregger

Handwerklich ist das Stück Barrie Kosky sehr gut gelungen, das jugendliche Ensemble animiert er zu unglaublich sportlichen Aktionen. Das hat Tempo, Drive, ist flott und originell. „2. Aufführung: Così fan tutte, Wolfgang Amadeus Mozart & Lorenzo Da Ponte
Wiener Staatsoper, 16. Juni 2024 (Premiere)“
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Ende gut, (fast) alles gut: Barrie Koskys „Così“ manifestiert sich als Teilerfolg

© Wiener Staatsoper/Michael Pöhn

Zwei Tenöre zum Preis von einem. An Bogdan Volkov und Filipe Manu hat es nicht gelegen, dass Mozarts „Così“ an der Wiener Staatsoper verzögert zündet. Volkov aus dem Graben: Arien & Ensembles. Manu (indisponiert) auf der Bühne: Rezitative & Szene. Die Ladys im Bunde starten aber erst spät durch, die Wiener Philharmoniker ebenso. Christopher Maltman und Peter Kellner tragen die ganze Premiere, bei der Regisseur Barrie Kosky mal wieder ein Revue-Feuerwerk abliefert.

Così fan tutte
Wolfgang Amadeus Mozart & Lorenzo da Ponte

Wiener Staatsoper, 16. Juni 2024 (Premiere)

von Jürgen Pathy

„Jaja, der Jordan spielt selber“, stellt man auf der Galerie gleich vor Beginn fest. Hammerklavier statt Dirigentenpult, eine einzelne Rose am Hocker. Der obligatorische Blumenstrauß zum Schluss fliegt zwar ebenfalls auf die Bühne, Blumen gibt es allerdings dieses Mal auch schon vorweg. An Musikdirektor Philippe Jordan hat’s auch nicht gelegen, dass im Graben erstmal Flaute herrscht. Dass vom Staatsopernorchester an diesem Abend keine Wunder zu erwarten sind, zeichnet sich gleich nach den ersten Takten ab. Harmonie und Einklang unter den Streichern klingt anders. Im Publikum herrschen ebenso Reibereien. Und auf der Bühne lassen die „Weiber“, um es im Mozart’schen Jargon zu betonen, ebenso wenig Hoffnung aufkeimen.

„Wolfgang Amadeus Mozart & Lorenzo Da Ponte, Così fan tutte
Wiener Staatsoper, 16. Juni 2024 (Premiere)“
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Koskys „Così“ setzt die Krone auf seinen Wiener Mozart-Da Ponte-Zyklus...

Peter Kellner, Filipe Manu © Wiener Staatsoper/Michael Pöhn

…und endlich sind die gewohnten Buh-Ruf-Streitereien am Stehplatz zurück!  

Mit dieser „Così fan tutte“ setzt Barrie Kosky nun den Deckel auf seinen Mozart-Da Ponte-Zyklus und bringt auch an diesem Abend eine spaßige Regie-Weltsensation auf die Bühne der Wiener Staatsoper. Trotz einigen musikalischen Schönheitsfehler beweist sich das Haus am Ring mit einem souveränen Gesangsensemble mal wieder als die weltbeste Mozart-Bühne. Dazu gehören natürlich auch die lautstarken Streitereien im Stehparterre!   

Così fan tutte
Musik von Wolfgang Amadeus Mozart
Libretto von Lorenzo Da Ponte

Wiener Staatsoper, 16. Juni 2024 PREMIERE

von Johannes Karl Fischer

Friedlich doch lautstark schmettern sich die verschiedenen musikalischen Meinungsfraktionen Buh- und Brava-Rufe am Stehplatz entgegen. Nein, das war nicht bei der Regie und nicht einmal beim Schlussapplaus. Was war dann geschehen? Ganz einfach: Die Sopranistin Federica Lombardi hatte soeben ganz wunderbar und emotional eine Arie der Fiordiligi im Saal strahlen lassen. „Wolfgang Amadeus Mozart, Così fan tutte
Wiener Staatsoper, 16. Juni 2024 PREMIERE“
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Klarer Sieg für Georg Zeppenfeld: Die Wiener "Meistersinger" versinken fast im Graben

Georg Zeppenfeld © Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

Phasenweise viel zu laut. Seine Stärken kann Philippe Jordan bei den „Meistersingern“ nur bedingt ausspielen. Energie, Spannung & symphonische Eruptionen stehen bei Wagners Komödie eher im Hintergrund. Stimmen dominieren. Georg Zeppenfeld macht an der Wiener Staatsoper als Hans Sachs das Rennen. Knapp vor Michael Laurenz als David. Etwas abgeschlagen David Butt Philip als Stolzing.

Richard Wagner
Die Meistersinger von Nürnberg

Wiener Staatsoper, 19. Mai 2024

von Jürgen Pathy

„Mobile phone – no! I have police here“. Da versteht die Mitarbeiterin an der Wiener Staatsoper überhaupt keinen Spaß. Richard Wagner hingegen wollte mal lustig sein. Eine Komödie hatte er zu Blatt gebracht, 1868 in München uraufgeführt. Keine Giganten, keine übermütigen Helden oder andere Fabelwesen. Bei den Meistersingern stehen der Mensch und die Kunst im Mittelpunkt. Lustig und heiter ist ihm beim Sujet gelungen. Bei der Orchestrierung ähnelt die Partitur Verdis „Falstaff“. Kaum Anhaltspunkte, die einen durch die rund viereinhalb Stunden Nettospielzeit ziehen könnten. Stattdessen Harmoniesprünge und Rhythmenwechsel im Minutentakt. Im Graben der Wiener Staatsoper herrscht Trubel.

„Richard Wagner, Die Meistersinger von Nürnberg
Wiener Staatsoper, 19. Mai 2024“
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Der Sturm der Rache wird zur sanften Brise der Vergebung

Das sturmgepeitschte Meer © Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

Nach „Le Grand Macabre“ und „Animal Farm“ zeigt die Staatsoper mit „The Tempest“ von Thomas Adès erneut, dass sie auch zeitgenössische Opern in hoher und höchster Qualität auf die Bühne bringen kann und will. Das Publikum zeigte sich denn auch uneingeschränkt begeistert.

Thomas Adès
The Tempest
Text von Meredith Oakes nach William Shakespeare

Orchester der Wiener Staatsoper
Chor der Wiener Staatsoper

Musikalische Leitung: Thomas Adès

Inszenierung: Robert Lepage
Bühne: Jasmine Catudal
Kostüme: Kym Barrett
Licht: Michel Beaulieu
Video: Davic Leclerc
Choreographie: Crystal Pite
Choreinstudierung: Thomas Lang

Wiener Staatsoper, 12. Mai 2024

von Dr. Rudi Frühwirth

„The Tempest“ von Thomas Adès war im Jahr 2015 eine sehr erfolgreiche Produktion der Wiener Staatsoper, die – Direktor Roščić sei Dank – wieder auf dem Spielplan zu finden ist. Dem Publikum präsentiert sich ein wahres Gesamtkunstwerk, das musikalisch wie szenisch nichts von seiner Faszination verloren hat.

Bühnenbild zum 1. Akt © Wiener Staatsoper/Michael Pöhn

Die Musik von Thomas Adès spricht viele Sprachen, nimmt Anleihen aus verschieden Stilen und Epochen, und fügt sich doch wundersam zu einem harmonischen Ganzen zusammen. Wie schon 2015 steht der Komponist am Dirigentenpult und leitet Orchester, Chor, die Sänger und die beiden Sängerinnen sicher durch die vielfältigen instrumentalen, stimmlichen und szenischen Anforderungen. „Thomas Adès, The Tempest
Wiener Staatsoper, 12. Mai 2024“
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Christian Thielemann triumphiert mit „Lohengrin“ in Wien

David Butt Philip (Lohengrin) und Malin Byström (Elsa). Alle Fotos © Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

Richard Wagner
Lohengrin

Musikalische Leitung: Christian Thielemann

Inszenierung: Jossi Wieler/Sergio Morabito
Bühne und Kostüme: Anna Viebrock
Licht: Sebastian Alphons

Wiener Staatsoper, 5. Mai 2024

von Kirsten Liese

Es gibt keinen Dirigenten, der den Lohengrin subtiler, mystischer, und farbenreicher dirigieren würde als Christian Thielemann. Er ist unter allen Wagnerdirigenten der Klangmagier Nummer eins, auch wenn es inzwischen junge Kollegen gibt, auf die sein filigranes Ziselieren erfreulich abfärbt, wie auf den Briten Alexander Soddy, der unlängst einen exzellenten Lohengrin an der Berliner Staatsoper dirigierte. „Richard Wagner, Lohengrin, Christian Thielemann
Wiener Staatsoper, 5. Mai 2024“
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