Bassbariton Milan Siljanov und Nino Chokhonelidze am Klavier bringen Licht in dunkle Sphären

CD-Besprechung: „Echoes of Eternity“  klassik-begeistert.de, 8. Februar 2025

CD-Besprechung:

„Echoes of Eternity“
von Milan Siljanov und Nino Chokhonelidze

mit Liedern von Franz Schubert, Johannes Brahms und Frank Martin

Erschienen bei Prospero in Kooperation mit BR Klassik, Januar 2025

von Lorenz Kerscher

Nicht fröhlich und verspielt, wie sich junge Künstlerinnen und Künstler meist mit ihrer Debüt-CD vorstellen, sondern mit ernsten Gesichtern vor dunklem Hintergrund präsentieren Milan Siljanov und Nino Chokhonelidze ihren ersten Tonträger.
Schon während ihres Studiums fanden sie vor 15 Jahren als Liedduo zusammen, traten regelmäßig auf und erzielten Auszeichnungen bei Wettbewerben. Auch während Siljanovs Wirkens an der Bayerischen Staatsoper, seit 2016 als Mitglied des Opernstudios, seit 2018 im Ensemble, war die Kunst des klassischen Liedes sein stetiger Begleiter und es reiften der Plan und das Konzept für eine eigene Visitenkarte in diesem Genre.

Im Begleitheft, das auch die Liedtexte in deutschem Original und englischer Übersetzung enthält, gibt der Sänger persisch-mazedonischer Abstammung Hinweise auf den persönlichen Hintergrund der Programmgestaltung: als Migrantenkind beschäftigt ihn die lebenslange Suche nach einem Ort der Zugehörigkeit und Heimat. Bei Schubert symbolisieren dies sehr oft die fließenden Gewässer, in denen sich dann meist großer Seelenschmerz widerspiegelt. Zu Beginn des Albums besingt Milan Siljanov mit warmer Stimme die Naturidylle von „Am Bach in Frühling“ und auch die kontrastierende Verzweiflung des Mittelteils gestaltet er, ohne dafür dick aufzutragen. „Auf der Donau“ verleiht er der Trauer über Vergänglichkeit eine historische Dimension, hier kann eine Stimme, die auch im kraftvollen Auftrumpfen niemals hart wirkt, ein Heldentum beschwören, das doch keinen Bestand hat und in einem bangen Nachklang untergeht.

Ein Individuum, das aus eigenem starkem Willen allen Widrigkeiten und Herausforderungen trotzt, auch das gibt es bei Schubert. Und so bietet „Der Schiffer“ ein Intermezzo voll kraftvollen Elans, bevor dann „Der Wanderer an den Mond“ die Sehnsucht nach Heimat in den Vordergrund rückt. Zwischen sanfter Resignation und leiser Hoffnung bewegt sich hier eine Stimme, die in feinen Nuancen gestaltet und ganz besonders durch ihre Wärme besticht. Ausdrucksstark, aber noch verhalten findet in „Fahrt zum Hades“ die Todesahnung ihren Ausdruck, bevor dann „Gruppe aus dem Tartarus“ ein Drama entfacht, das in die Abgründe der Unterwelt führt. Aus dem Piano heraus gelingen den Interpreten packende Steigerungen und am Ende wird mühelos die Kraft abgerufen, um das Zerbrechen von Saturns Sense an der Ewigkeit zu beglaubigen.

Nachdem in einer stimmigen Dramaturgie von ausdrucksstarken Schubert-Liedern die Grenze zum Jenseits überschritten wurde, werden nun „Vier ernste Gesänge“ von Johannes Brahms ganz bewusst in den Mittelpunkt der Liedfolge gestellt. „Diese Lieder haben mich dazu bewogen, die Liedkunst als zentrale Säule meines künstlerischen Schaffens anzusehen“, schreibt Siljanov im Begleittext.

Hier erschüttert er den Hörer eindringlich mit bitteren Wahrheiten, um diesen dann Töne sanften Trostes entgegenzusetzen. „Denn es gehet dem Menschen wie dem Vieh“ ist schonungslose Konfrontation mit unausweichlicher Realität und so entfalten sowohl Stimme als auch Klavierpart nach verhaltenem Beginn nahezu furchteinflößende Energie.

Dabei lässt sich in wärmeren Zwischentönen der Trost schon erahnen, der in den folgenden Liedern immer mehr anklingt. Der Tod ist bitter, kann aber auch Erlösung sein, und Siljanovs Stimme, die selbst in der Attacke rund klingt, bringt das sehr gut zum Ausdruck. So kann man den spröden, ganz am Lebensende von Brahms entstandenen Zyklus als einen überzeugenden Bogen erleben, der in einer optimistischen Vision der göttlichen Liebe zum versöhnlichen Abschluss kommt.

Ich meine, der Mut des noch jungen Liedduos, sich mit diesem Werk auseinanderzusetzen, wurde mit dem Gelingen einer schlüssigen Interpretation belohnt. Dabei darf auch der Hinweis nicht fehlen, dass die Pianistin Nino Chokhonelidze Außergewöhnliches leistet, indem ihr sowohl die vollständige Verschmelzung mit dem Gesangspart als auch die Umsetzung eigener Ausdrucksmöglichkeiten der Klavierstimme bestens gelingt.

Nachdem wir mit Schubert vom Frühling bis in die Tiefen der Unterwelt abgestiegen sind und Brahms uns aus den Niederungen animalischer Existenz zur hohen Vision von göttlicher Liebe geführt hat, ist bei dem Schweizer Komponisten Frank Martin (1890 – 1974) der reiche Jedermann mit dem Herannahen seines eigenen Sterbens konfrontiert.

Dieser Zyklus von sechs Monologen aus Hugo von Hoffmannstals Theaterstück ist in freier Tonalität sehr expressiv und sehr textbezogen komponiert. Diese Herausforderung nimmt Siljanov an und entfaltet mühelos die Kraft, um die sinnlose Wut zu beglaubigen, mit der sich Jedermann zunächst an den Gedanken klammert, unter Aufgebot all seiner Schätze gegen den Tod kämpfen zu können. In verzweifeltem Selbstmitleid setzt sich das Drama fort und mit Blick auf seine Sünden gelingt es ihm zunächst nicht, im christlichen Glauben Trost zu finden. Wie bedrohliche Felsen stehen hier von Nino Chokhonelidze aufgetürmte Akkordblöcke des Klaviers im Raum. Doch ein inniges Gebet, das sich nochmals in Höllen- und Todesangst aufbäumt, eröffnet der gequälten Seele am Ende den zarten Hoffnungsschimmer, dass auch ihr die Erlösungstat des Gekreuzigten zu Gute kommen kann.

So bildet das abschließende Lied „O ewiger Gott! O göttliches Gesicht!“ noch einmal einen ausdrucksstarken Bogen, ein wirkungsvolles Resümee dieses auf ernsthafte Behandlung existenzieller Fragen ausgerichteten Albums.

Wohlfühlmusik, die im Hintergrund laufen kann, findet sich auf „Echoes of Eternity“ nicht, umso mehr empfehle ich das Album jedem, der sich intensiv in die Ausdruckswelt des klassischen Lieds hineinhören möchte. Man kann sich hier von Interpreten inspirieren lassen, die sich mit vollem Risiko persönlich einbringen. Mit überzeugender Beherrschung von Stimme und Instrument sowie Intelligenz und Ausdruckskraft übergeben Milan Siljanov und seine Klavierpartnerin Nino Chokhonelidze der Öffentlichkeit diese ganz individuelle Visitenkarte.

Dr. Lorenz Kerscher, 8. Februar 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Weiterführende Info

Produktionstrailer

Bestellmöglichkeit bei jpc

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