Lullys „Atys“ wird mit tanzenden Sängern zu einer intensiv körperlichen Interpretation

CD/Blu-ray-Besprechung: Jean-Baptiste Lully Atys  klassik-begeistert.de, 29. Mai 2025

CD-Besprechung:

Eine insgesamt großartig gelungene Aufführung. Opulent abermals die Ausstattung, neben einer DVD und Blu-ray Disc enthält die Box auch noch die Tonaufnahme auf CD sowie ein üppig ausgestattetes Booklet. Chapeau!

Jean-Baptiste Lully
Atys

Matthew Newlin
Giuseppina Bridelli
Ana Quintans

Leonardo García-Alarcón   Dirigent

Angelin Preljocaj  Regie und Choreographie

Capella Mediterranea
Choeur de chambre de Namur
Choeur du Grand Théâtre de Genève
Ballett du Grand Théâtre de Genève

CVS 5113

von Peter Sommeregger

Die Uraufführung der Oper „Atys“ 1876 fand zu einem Zeitpunkt statt, als der Komponist Lully den Zenit seiner erfolgreichen Karriere erreicht hatte. Mit diesem Werk begründete er eine neue Gattung, die lyrische Tragödie, die verstärkt Elemente des Tanzes in die Handlung integrierte. Die nun auf Ton- und Bildträgern erschienene Produktion wurde im März 2022 in der Hofoper von Schloss Versailles aufgezeichnet.

Der Regisseur der Aufführung ist zugleich auch Choreograph, das gibt schon einen speziellen Ansatz für die Realisierung der weitschweifigen, aber hoch emotionalen Handlung vor. Tanz wird parallel zum Gesang eine ebenbürtige  Komponente der Interpretation, da nicht nur stumme Tänzer eingesetzt werden, auch die Protagonisten  treten in durchchoreographierter Weise auf.

Angelin Preljocaj gelingt es, auch die Sänger der Hauptrollen zu erstaunlichen tänzerischen Leistungen zu motivieren, die keinen Qualitätsabfall zu den professionellen Tänzern erkennen lassen. Er folgt darin wahrscheinlich ganz den Intentionen Lullys, der das gelungene Spektakel möglicherweise vom Komponistenhimmel aus wohlwollend verfolgt hat.

Der breit angelegten Handlung wird durch die dazu gewonnene Komponente der Körpersprache eine zusätzliche Dimension erschlossen, die zur Dichte der Interpretation wesentlich beiträgt. Bewundernswert, mit welcher Souveränität alle Darsteller diese zusätzliche Herausforderung annehmen und erfüllen.

In der Titelrolle erlebt man den amerikanischen Tenor Matthew Newlin, der mit größter emotionaler Hingabe in Gesang, Tanz und Mimik ein anrührendes Porträt dieser unglücklichen Figur zeichnet. Ihm ebenbürtig die rachsüchtige Göttin Cybèle, die in Giuseppina Bridelli eine leidenschaftliche Interpretin findet. Weicher gezeichnet ist die Figur der Sangaride, der Ana Quintans ihren schönen lyrischen Sopran leiht.

Auch die Interpreten der Nebenrollen fügen sich ausgezeichnet in das hohe Niveau der musikalischen und szenischen Realisierung. Die Capella Mediterranea musiziert unter ihrem Begründer Leonardo García- Alarcón mit Hingabe, unterstützt vom Choeur de chambre de Namur und jenem des Grand Théâtre de Genève, dessen Ballettkompanie sich ebenfalls virtuos in die Aufführung einbringt.

Ein kleiner Wermutstropfen sind die nicht vorhandenen Farben in der Produktion. Die Tristesse der Handlung schlägt sich hauptsächlich in Schattierungen von hell- und dunkelgrau nieder, speziell die Kostüme sind weder kleidsam, noch ansprechend. Der Titelheld Atys muss den gesamten Abend in einem mausgrauen Jogginganzug absolvieren.

Aber das sind nur kleine Einwände gegen eine insgesamt großartig gelungene Aufführung. Opulent abermals die Ausstattung, neben einer DVD und Blu-ray Disc enthält die Box auch noch die Tonaufnahme auf CD sowie ein üppig ausgestattetes Booklet. Chapeau!

Peter Sommeregger, 29. Mai 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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