Benjamin Hewat-Craw. Foto: © Christian Palm
„Wagt sich ein noch junger Sänger an die Winterreise, so beweist das Mut und auch Selbstbewusstsein. Der junge britische Bariton Benjamin Hewat-Craw hat sich dieser Herausforderung gestellt.“
CD-Rezension: Franz Schubert, WINTERREISE
ARS 38 573
Benjamin Hewat-Craw: Baritone
Yuhao Guo: Piano
von Peter Sommeregger
Franz Schuberts Liederzyklus „Winterreise“ gilt allgemein als Mount Everest der Gattung des Kunstliedes. Generationen von Sängern sämtlicher Stimmlagen haben sich daran versucht und wurden an dem Gelingen ihrer Interpretation gemessen. Die berühmtesten Liedsänger wie Hans Hotter oder Dietrich Fischer-Dieskau haben sich ein Künstlerleben lang mit diesen Liedern beschäftigt, sie auch mehrfach für die Schallplatte eingespielt.
Wagt sich ein noch junger Sänger an die Winterreise, so beweist das Mut und auch Selbstbewusstsein. Der junge britische Bariton Benjamin Hewat-Craw, der einen Teil seiner Ausbildung in Deutschland absolvierte, hat sich dieser Herausforderung gestellt. Von Nutzen ist ihm dabei seine Vertrautheit mit der deutschen Sprache, das bewahrt ihn vor idiomatischen Unsauberkeiten, die beim Kunstlied doch sehr störend wirken können.
Der Sänger versucht einen direkten, nicht zu intellektuell aufgeladenen Zugang zu den einzelnen Liedern. Sein weicher, hoher Bariton ist für die Schubert’sche Melodik sehr geeignet, die Höhen gelingen mühelos, stellenweise meint man einen baritonal gefärbten Tenor zu hören. Ein wenig fehlt ihm allerdings bei der Textgestaltung ein gewisser Nachdruck, eine stärkere Akzentuierung des gesungenen Textes wäre wünschenswert, und seiner Verständlichkeit zuträglich.
Klug bauen Hewat-Craw und sein Begleiter am Klavier, Yuhao Guo den Spannungsbogen zwischen den ersten stürmischen und späteren mehr reflektierenden Liedern auf. Stellenweise verschleppen die Beiden die Tempi ein wenig, was der Dramaturgie des Zyklus schadet. Zum Ende hin gewinnt die Interpretation aber an Tiefe und Glaubwürdigkeit.
Arbeiten sollte Benjamin Hewat-Craw unbedingt noch an der Textbehandlung, stellenweise bleibt der Text unverständlich, was den Gesamteindruck der insgesamt sehr engagierten Einspielung leider etwas trübt.
Note 2
If a still young singer dares to go on a winter trip, it shows courage and self-confidence. The young British baritone Benjamin Hewat-Craw, who completed part of his training in Germany, took up this challenge. His familiarity with the German language is useful to him, as it protects him from idiomatic impurities, which can be very disturbing in art song.
The singer tries a direct, not too intellectually charged approach to the individual songs. His soft, high baritone is very suitable for Schubert’s melodies, the highs succeed effortlessly, in places you seem to hear a baritone tenor.
Peter Sommeregger, 16. November 2020, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
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