CD-Rezension
Die Edition gibt einen repräsentativen Überblick über die Vielfalt der jüdischen Musik, ihrer Bewahrer und nachschöpfenden Komponisten. Für viele Musikfreunde dürfte dies eine völlig unbekannte Welt sein, deren Erschließung durch dieses Projekt erst möglich wird. Es kann vielleicht auch dabei helfen, die kaum bekannten Komponisten vor dem Vergessen zu bewahren.
From Jewish Life
SWR Music
5 CD
SWR 19434 CD
von Peter Sommeregger
Jedes Volk, jede Ethnie verfügt über eine ganz spezielle musikalische DNA, die sich in der Folklore wiederfindet. Komponisten aller Völker haben vielfach die darin enthaltenen Anregungen und Motive aufgenommen, sie in ihre Werke einfließen lassen. Im Fall des jüdischen Volkes ist dies komplizierter, weil es keine zusammenhängende geographische Heimat besitzt. Um diesem Manko abzuhelfen, wurde 1908 in St. Petersburg eine Gesellschaft für jüdische Volksmusik gegründet, die sich mit der Sammlung und Erforschung jüdischer Folklore befasste und die erste jüdische Musikinstitution in Russland war. Nach anfänglich großem Zulauf geriet die Gesellschaft durch die russische Revolution und später durch die kommunistische Ideologie in die Krise, viele der Komponisten emigrierten. In den Ländern außerhalb Russlands wurden später viele Komponisten jüdischer Abstammung ebenfalls vertrieben, oder sogar ermordet.
Die hier vorgelegte Anthologie versammelt die Werke von Komponisten, die ursprünglich Teil der russischen Gesellschaft für jüdische Volksmusik waren, oder ihrem Umfeld zuzurechnen sind. Alle sind fast ausnahmslos noch im 19. Jahrhundert geboren, ihre Gemeinsamkeit ist die Verwendung jüdischer folkloristischer Elemente in ihren Kompositionen.
Diese umfangreiche CD-Edition geht auf eine mehrteilige Dokumentation des SWR zurück, die bereits Ende der 1990er Jahre begonnen wurde. Sie versammelt Kompositionen von Joel Engel, Lazare Saminsky, Ernest Bloch, Alexander Veprik, Alexander Krein, Sinowi Petrovich Feldman, Mikhail Fabianowitsch Gnessin, Grigori Semyonovich Gamburg, Israel Brandmann, Joachim Stutschewsky, sowie Grigori Abramowitsch und Julian Krein. Bei aller Vielfalt ihrer Werke ist ihnen doch die Wurzel in der jüdischen Folklore gemeinsam.
Eine Vielzahl bedeutender Interpreten ist aufgeboten: Jascha Nemtsov am Klavier, Wolfgang Meyer, Klarinette, Tabea Zimmermann, Viola, Ingolf Turban, Violine, David Geringas, Cello und die Mezzosopranistin Helene Schneiderman. Ihnen gelingen authentische Interpretationen von Werken ganz unterschiedlicher Gattungen. Das Spektrum reicht von einfachen jiddischen Liedern, solchen ohne Worte, zahlreichen Variationen über hebräische Themen. Besonders interessant sind die umfangreichen Stücke des schweizerisch-jüdischen Komponisten Ernest Bloch. Er ist mit seiner Suite für Viola und Piano und seiner „Méditation hébraique“ vertreten.
Die Edition gibt einen repräsentativen Überblick über die Vielfalt der jüdischen Musik, ihrer Bewahrer und nachschöpfenden Komponisten. Für viele Musikfreunde dürfte dies eine völlig unbekannte Welt sein, deren Erschließung durch dieses Projekt erst möglich wird. Es kann vielleicht auch dabei helfen, die kaum bekannten Komponisten vor dem Vergessen zu bewahren.
Peter Sommeregger, 14. Mai 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Interview mit Na’ama Goldman von Birgit Koß klassik-begeistert.de, 18. März 2023
Zehn Fragen an die österreichisch-israelische Chansonnière Timna Brauer klassik-begeistert.de