Michael Spyres’ neue CD ist eine Lektion in Musikgeschichte

CD-Rezension: In the Shadows Michael Spyres  klassik-begeistert.de, 21. Februar 2024

CD-Rezension:

Die CD ist eine wahre Fundgrube für Liebhaber der Oper abseits der ausgetretenen Pfade. Bemerkenswert auch die rekordverdächtige Spieldauer von 85 Minuten, das ergibt ein optimales Preis/Leistungsverhältnis!

In the Shadows
Michael Spyres

Les Talens Lyriques
Christophe Rousset

Erato 5054197879821

von Peter Sommeregger

Der amerikanische Sänger Michael Spyres, der sich selbst treffend als Baritenor bezeichnet, liebt den Wechsel zwischen verschiedenen Stilen und Stimmlagen, den ihm seine über mehrere Oktaven reichende Stimme ermöglicht. Seine Reise durch verschiedene musikalische Welten unterfüttert er gleichzeitig durch fundierte gesangshistorische Studien.

Spyres, dessen Debüt als Siegmund in Bayreuth bevorsteht, hat sich über längere Zeit über Rossini-Partien langsam an die Opern Wagners angenähert. In einem lesenswerten Text im Booklet seiner neuen CD zeichnet er eine klar erkennbare Linie, die von Vorgängern und Zeitgenossen Wagners zu dessen Musikdramen führen. Gleichsam „In the Shadows“ der Überfigur Wagners sind sie geraten, wer kennt heute noch Méhul, Spontini, oder Marschner? Spyres zeigt anhand von Arien aus deren Opern, wie Wagner wohl von ihnen beeinflusst wurde, ebenso wie von Beethoven, Weber und Bellini.

Der Sänger nimmt uns mit auf eine Reise zu einigen heute vergessenen Opern wie „Joseph“ von Mehul, „La Muette de Portici“ von Auber, Spontinis „Agnes von Hohenstaufen“ und Marschners „Hans Heiling“. Aber auch die große Arie des Florestan aus „Fidelio“ von Beethoven, die Arie des Max aus Webers „Freischütz“ und die Arie des Pollione aus Bellinis „Norma“ werden herangezogen, um die direkte Verbindung zu Wagners Stil herzustellen. Dieser selbst ist mit einer Arie aus den erst posthum uraufgeführten „Feen“, dem Gebet aus „Rienzi“ und mit Lohengrins Abschied vertreten.

Spyres durchmisst die insgesamt zwölf gewichtigen Titel der CD mit souveräner, in allen Lagen sicher geführten Tenorstimme, die über eine schöne, baritonale Grundierung verfügt, er ist tatsächlich ein echter Baritenor und erstaunt immer wieder durch geschmeidige Registerwechsel und mühelos gehaltene exponierte Töne. Souverän bewegt er sich durch die französischen, italienischen und deutschen Texte. Keine der Arien wird aus ihrem Kontext gerissen, alle Vor- und Nachspiele sind ebenso enthalten wie kurze Einwürfe des Chores und in der Arie aus „Norma“ sogar der Stichwortgeber  durch den Tenor Julien Henric.

Der Chor Jeune Choeur de Paris und das Ensemble Les Talens Lyrique unter Christophe Rousset sind sensible Begleiter, die wie der Solist den Besonderheiten der verschiedenen Komponisten Rechnung tragen.

Die CD ist eine wahre Fundgrube für Liebhaber der Oper abseits der ausgetretenen Pfade. Bemerkenswert auch die rekordverdächtige Spieldauer von 85 Minuten, das ergibt ein optimales Preis/Leistungsverhältnis!

Michael Spyres möchte man Glück für seine bevorstehenden Bayreuther Debüts wünschen. Man sagt nicht zu viel, wenn man ihn als den vielleicht kreativsten Sänger seiner Generation bezeichnet.

Peter Sommeregger, 20. Februar 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

 

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