Mariss Jansons' letztes Konzert

CD-Rezension: Mariss Jansons – His last Concert, Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks,  Carnegie Hall, 8. November 2019

Foto: © Peter Meisel

CD-Rezension: Mariss Jansons – His last Concert
BR media 900192

Carnegie Hall, 8. November 2019

Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks

Strauss, Brahms

von Peter Sommeregger

Der am 1. Dezember 2019 unerwartet verstorbene Dirigent Mariss Jansons leitete das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks viele Jahre erfolgreich, unternahm mit diesem Klangkörper auch zahlreiche Gastspielreisen. Im November letzten Jahres stand die New Yorker Carnegie Hall auf dem Terminplan Jansons‘ und seines Orchesters.

Niemand konnte ahnen, dass das Konzert am 8. November 2019 Jansons letztes sein würde, und das Orchester zum letzten Mal unter seinem hoch geschätzten Chefdirigenten spielte. Die soeben bei BR media erschienene CD dokumentiert das Konzert inklusive der begeisterten Reaktion des Publikums als Dokument. Jansons hatte für das Konzert Richard Strauss und Johannes Brahms gewählt, Komponisten, die für ihn und das Orchester vertrautes Terrain waren.

Von Strauss wurden die vier symphonischen Zwischenspiele aus der Oper „Intermezzo“ gespielt. Die Oper wird nicht häufig aufgeführt, bei aller Originalität stellt sie doch extreme Anforderungen an die Hauptfigur Christine, in der Strauss seine Ehefrau Pauline porträtiert hatte. Die Zwischenspiele sind raffiniert instrumentierte Stimmungsbilder, die auch losgelöst von der Opernhandlung gefallen und in ihrer pointierten Art gute Laune erzeugen.

Von Johannes Brahms wählte Jansons die vierte Symphonie e-Moll. Dieser krönende Abschluss des symphonischen Schaffens des Komponisten ist eine Säule des klassischen Konzertrepertoires.

Jansons legt seinen Brahms relativ breit ausladend an. Das hat stellenweise zur Folge, dass das polyphone Geflecht der Symphonie ein wenig zerfasert, das macht sich speziell im Andante moderato bemerkbar, das mit martialischer Strenge exekutiert wird. Das Allegro giocoso nimmt Jansons sehr schwungvoll, trotzdem vermisst man ein wenig die federnde Leichtigkeit, die in dieser Musik auch angelegt ist.

Das finale Allegro energico fällt besonders gedehnt aus, was dazu führt, dass sich der erwünschte Spannungsbogen nicht so recht aufbauen will. Jansons benötigt für die Symphonie deutlich mehr Zeit, als andere Dirigenten, was dem Gesamteindruck eher schadet.

Der begeisterte Applaus des New Yorker Publikums erzwingt schließlich noch eine Zugabe. Der Ungarische Tanz Nr. 5 ist ein beliebtes Schaustück, bei dem ein Orchester seine Brillanz vorführen kann. Auch bei dieser Gelegenheit verfehlt es seine Wirkung in Jansons etwas martialischer Lesart nicht. Dass es sich unerwartet als Vermächtnis des Dirigenten erweist, konnte man nicht voraussehen. Als historischer Abend für das Orchester ist die Veröffentlichung dieses Konzerts wichtig und gerät nun zum letzten Dokument der erfolgreichen Ära Jansons als Chefdirigent des Orchesters.

Peter Sommeregger, 4. November 2020, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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