Irgendwie wirkt die gesamte Produktion ein wenig unfroh und unter Zeitdruck entstanden. Jonas Kaufmann befindet sich nun einmal unbestreitbar im Herbst seiner Karriere. Da ist immer noch viel von dem zu hören, was seinen Aufstieg zur Spitze befördert hat, aber eine gut dreißig Jahre währende Karriere hat auch auf seinen Stimmbändern Spuren hinterlassen.
CD-Rezension – Puccini: Love Affairs
Jonas Kaufmann
Anna Netrebko. Asmik Grigorian. Malin Byström.
Maria Agresta. Pretty Yende. Sonya Yoncheva
Orchestra del Teatro Comunale di Bologna
Asher Fisch
Sony 19802806702
von Peter Sommeregger
Ein Aufkleber auf der Hülle der neuen CD von Jonas Kaufmann bezeichnet diesen vollmundig als „The greatest tenor of his generation“ und seine Duettpartnerinnen als „six of the most celebrated sopranos“. Diese Einschätzungen kann, muss man aber nicht teilen.
Anlass für eine weitere intensive Beschäftigung mit den Opern Puccinis ist das 100. Todesjahr des Komponisten, das seine Aufführungszahlen einmal mehr kräftig in die Höhe treibt. Das Konzept von Kaufmanns neuer CD ist durchaus klug, der Star spielt unangefochten die erste Geige, aber die Verantwortung für das Gelingen verteilt sich eben doch auf mehrere Schultern.
Der Dirigent Asher Fisch hat mit dem Orchester des Teatro Comunale in Bologna laut Booklet die Orchesteraufnahmen im Februar 2024 erstellt. Das wirft natürlich die Frage auf, in welcher Weise, wann und wo die sechs beteiligten Sopranistinnen auf den Zug aufgesprungen sind. Es ist schwer vorstellbar, dass es zu gemeinsamen Sitzungen gekommen ist.
Auch dagegen ist nichts einzuwenden, aber die Geschlossenheit der Interpretationen bestehen leider in erster Linie in der unfrohen und unfrischen Weise, in der die Duette abgeliefert werden. Da sind keineswegs nur von Kaufmann angestrengte, teilweise scharfe Töne zu hören. Sicher, es handelt sich um Musik des Verismo, aber ein wenig eleganter, runder dürfte das alles schon klingen. Und deutlich hörbar wird auch die bekannte Crux des heutigen Operngesanges: ein gut erkennbares, persönliches Timbre bringt heute kaum eine Sopranistin mehr mit. Da können auf dieser Scheibe wenigstens noch Anna Netrebko als kapriziöse Manon Lescaut und Asmik Grigorian als Giorgetta in Il Tabarro mit hohem Wiedererkennungswert punkten.
Pretty Yende, auch mit Ende dreißig noch als Newcomerin gehandelt, gelingt als Mimì ein strahlendes C am Ende des Duetts, ansonsten hört man kaum etwas von ihr. Sonya Yoncheva als Tosca lässt keineswegs den Wunsch aufkommen, sie in der kompletten Partie zu erleben, da ist einfach zu viel Schärfe in der Stimme. Malin Byström gelingt das Gleiche mit der Minnie aus der Fanciulla del West, für die ohnehin spröde Rolle setzt sie einen ebensolchen, bereits gealterten Sopran ein. Maria Agresta schafft als Butterfly wenigstens so etwas wie rollendeckend zu wirken, eine ungetrübte Freude ist dieses Liebesduett aber ebenfalls nicht.
Irgendwie wirkt die gesamte Produktion ein wenig unfroh und unter Zeitdruck entstanden. Jonas Kaufmann befindet sich nun einmal unbestreitbar im Herbst seiner Karriere. Da ist immer noch viel von dem zu hören, was seinen Aufstieg zur Spitze befördert hat, aber eine gut dreißig Jahre währende Karriere hat auch auf seinen Stimmbändern Spuren hinterlassen.
Will er Piano singen, muss er die Töne ein wenig falsettieren, im forte wird die Stimme schnell zu groß und laut. Sein Stil ist diesen jugendlichen Helden nicht mehr wirklich angemessen, dass er ans Ende der CD die Arien des Rodolfo und des Cavaradossi setzt, ist keine gute Idee. Er geht damit in die Pavarotti-Falle. Der italienische Startenor hatte im Herbst seiner Karriere den Fehler begangen, die immer gleichen Arien und Rollen an den gleichen Orten zu singen. So konnte, wer es hören wollte, den Abbau der Qualität seines Gesanges von Jahr zu Jahr miterleben.
Auch Jonas Kaufmann haftet die Last des „greatest tenors“ wie ein Bleigewicht an, dieser Ruf will verteidigt sein, neue CDs wollen die Popularität erhalten, und seine Plattenfirma hetzt den Tenor alljährlich zu Promotion-Konzerten für die jeweils neueste Scheibe um den Globus. Woher soll der Sänger also die Leichtigkeit nehmen, welche diesen jugendlichen Rollen gut bekommen würde?
Peter Sommeregger, 8. September 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Jonas Kaufmann, it’s Christmas!, der Tenor singt 42 Weihnachtslieder klassik-begeistert.de
MeetYourMaster, Singen lernen mit Jonas Kaufmann klassik-begeistert.de
Hallo, es wäre schön, wenn Jonas Kaufmann öfter live zu hören wäre. Ich liebe seine Stimme und sein Auftreten nach wie vor. Er ist einfach bescheiden, trotz seiner Größe.
Alice Kiene
https://jonaskaufmann.com/kalender/
Waltraud Becker
…und seine Plattenfirma hetzt den Tenor alljährlich zu Promotion-Konzerten für die jeweils neueste Scheibe um den Globus.
Quod erat demonstrandum!
Peter Sommeregger
Seit wann ist Kaufmann bei ERATO?
Waltraud Becker
Wer hat das behauptet? Ich jedenfalls nicht.
Peter Sommeregger
Sie haben’s nicht verstanden!!!
Viva Puccini! ist die Tour zur (SONY-) CD, klar.
Die zweite Tour der Saison mit Damrau und Deutsch ist mit ERATO verknüpft, weil Damrau dort unter Vertrag steht (siehe die CD „Italienisches Liederbuch“ von Hugo Wolf“ und auch die DVD „Love Songs“ ist nicht beim Kaufmann-Label SONY herausgekommen).
Fazit: alle Labels „hetzen “ ihre Künstler „rund um den Globus“. Beispiele anderer Sänger und ihrer Promotion-Tourneen können in beliebig großer Zahl geliefert werden…
That’s business!
Waltraud Becker
Aber, Frau Becker, es hat doch niemand behauptet, dass JK bei ERATO ist.
Ich jedenfalls lese dies nirgendwo.
Herr Sommeregger bemühte ein „geflügeltes Wort“ in Latein, welches das Wort „erat“ beinhaltet, dies hat aber definitiv nichts mit dem Label zu tun.
Mein Fazit also ist, dass Sie es nicht verstanden haben.
Man kann es googeln.
Freundliche Grüße,
Kathrin Beyer
Oje, der – zugegeben intellektuell und vom Wissensstand her etwas anspruchsvolle – Witz hat nichts mit dem geflügelten lateinischen Spruch zu tun!!! (Ich habe das große Latinum mit Note 1)
Herr Sommeregger hatte „bemängelt“, dass SONY den Tenor „rund um den Globus „hetzt“. Mein Hinweis auf ERATO bezog sich auf Tourneen, die Kaufmann mit Damrau gemacht hat, deren zugehörige CD nicht bei Kaufmanns Plattenlabel sondern bei ERATO, der Firma, für die Damrau singt, herausgekommen sind und – o Wunder – auch die „hetzen“ ihre Sängerinnen + „Leihsänger“ umher (Globus ist vielleicht etwas zu groß gegriffen…). Mit der im Frühjahr 2025 angesetzten Tour Damrau/Kaufmann/Deutsch: Strauss und Mahler wird es genau so wieder sein…
Also:
Damrau / Warner-Erato
Kaufmann / Sony
Damrau + Kaufmann / Erato
Tournee für jede CD bei allen…
Waltraud
Tja Frau Becker, was soll ich sagen, ich muss es neidlos anerkennen, ich komme schlicht mit Ihrem Intellekt nicht mit.
Ich verstehe auch jetzt noch nicht Ihren Querverweis auf ERATO.
Sie müssen es mir aber auch nicht nocheinmal erklären, da es mir ziemlich egal ist und ich möchte tatsächlich nicht, dass Sie sich ein weiteres Mal auf mein Niveau hinunter begeben müssen.
Haben Sie es gut!
Kathrin Beyer
Und täglich grüßt das Murmeltier, fällt mir dazu nur ein. Jonas Kaufmann sorgt mal wieder für Aufregung. Wenigstens einer, der die Aufmerksamkeit auf sich zieht. Deshalb benötigt es Kaufmann, Netrebko, Currentzis & Co. Über wen sollten wir uns sonst echauffieren, wenn die nicht mehr wären?
Jürgen Pathy