Elbphilharmonie Hamburg, 18. Mai 2025
Fotos © Todd Rosenberg
Chicago Symphony Orchestra
Jaap van Zweden, Dirigent
Gustav Mahler: Sinfonie Nr. 7
Auch am zweiten Abend in der Elbphilharmonie spielte das Chicago Symphony Orchestra unter der Leitung von Jaap van Zweden Mahler. Trotz einer souveränen technischen Leistung kam eine eher undifferenziert klingende Siebte musikalisch nicht vom Fleck. Für ein Orchester dieser Klasse war das zu wenig!
von Johannes Karl Fischer
Erst am Vortag bezeichnete klassik-begeistert-Autor Patrik Klein das Chicago Symphony Orchestra nach einer Aufführung von Mahlers sechster Sinfonie in diesem Saal als „bestes Orchester der Welt“. Sorry, aber gerade im Vergleich zu Kirill Petrenkos furioser Neunten, die den Mahler-Klang am Donnerstag regelrecht auf den Kopf stellte, konnte ich dieses Urteil am heutigen Abend mit der Siebten leider nicht bestätigen.
Im Gegensatz zu den Berliner Philharmonikern, bei denen selbst die letzten Pulte einen „regelrechten Meisterkurs im Orchesterspiel“ gaben, spielten die heutigen Musiker in der Elbphilharmonie eher statisch, schienen vor allem eine Reihenfolge an Noten zu musizieren. Die fünf kompositorisch hochdifferenzierten Sätze klangen alle eher einheitlich, im Schlagwerk schlug einer zur rechten Zeit und am rechten Ort auf die Röhrenglocken. Aha, der macht seinen Job…
Viele korrekte Noten, weniger Mahler-Klang
Zwar spielten die Musizierenden auf der Bühne ihre Stimmen alle korrekt, an einigen Stellen verschmolzen die Instrumente sogar wie in einer musikalischen Seele vereint zu einem süßen, warmen klanglichen Sonnenschein. Ein richtig differenzierter Mahler-Klang, wie man ihn etwa von Orchestern wie den Wiener Philharmonikern oder auch meinem langjährigen Stammorchester, der San Francisco Symphony, kennt, kam am Sonntagabend allerdings nicht von der Bühne. Vor allem das Scherzo wollte nicht wirklich von der Stelle zu kommen, die liebevoll komponierte zweite Nachtmusik klang kaum weniger eifrig als der eigentlich rasche dritte Satz.
Jaap van Zwedens Dirigat konnte der insgesamt eher leblosen, undifferenzierten wenn auch technisch äußerst perfekten musikalischen Aufführung wenig entgegensetzen. Zwar versuchte er die Geigen im ersten Satz deutlich für die begeisternde Musik sichtlich zu motivieren und hielt das Orchester spitzenmäßig präzise zusammen.

Eine wirkliche musikalische Handschrift des ehemaligen Chefdirigenten der New York Philharmonic suchte man aber vergeblich. Eineinhalb Stunden lang ließ er das Orchester im Wesentlichen die Noten der Partitur spielen, nicht mehr und nicht weniger. Die teils sensationelle Akustik dieses Saals füllte er souverän mit Mahlers stellenweise kraftvoll auskomponierter Instrumentalbesetzung, so richtig umgehauen hat das einen aber nicht. In Ordnung, meinetwegen, aber für ein Orchester dieser Klasse war das zu wenig!
Sensationelle Einzelleitungen an der Spitze
Dennoch gab es auch einige erfreuliche Aspekte zu melden. Das allgemein selbst für Top-Profis als sehr anspruchsvoll geltende Tenorhorn-Solo am Anfang brillierte fehlerfrei und eindrucksvoll durch den Saal, das ist für eine ordentliche Aufführung dieses Werks schonmal die halbe Miete. Auch waren immer wieder herausragende Einzelleitungen zu hören, so zum Beispiel wollte das feurige Paukensolo zu Beginn des Schlusssatzes regelrecht nochmal den musikalischen Turbo dieser Musik zünden. Auch Mahlers Meistersinger-Andeutungen tönten schallend souverän durch die Ränge. Unter der eher mittelmäßigen Orchesterleistung spürte man durchaus die mitreißende Kraft dieser Partitur. Nur so richtig wollte dieses Orchester das Publikum nicht in die Fluten der Mahler-Meere stürzen.
Das Publikum filmt wieder fleißig mit
„Stehende Ovationen“ gab es trotzdem. Warum eigentlich? Nun gut, aus dem Publikum könnte man auch die gleichen alten Geschichten wie sonst aus der Elphi erzählen. Zwei Plätze neben mir filmte eine Konzertbesucherin im ersten Satz, bei den insgesamt vier Satzübergängen wurde genau viermal geklatscht. Richtig guter Mahler klingt anders! Man siehe Berlin…
Johannes Karl Fischer, 19. Mai 2025 für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
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