Foto: Orchesterkonzert Thielemann: Denis Matsuev, Christian Thielemann, Sächsische Staatskapelle Dresden © OFS/M. Creutziger
Großes Festspielhaus Salzburg, 1. November 2021
Edvard Grieg: Konzert für Klavier und Orchester op. 16
Richard Strauss: Ein Heldenleben. Tondichtung für großes Orchester op. 40
Denis Matsuev, Klavier
Sächsische Staatskapelle Dresden
Leitung: Christian Thielemann
von Kirsten Liese
Für das letzte Konzert hatte Christian Thielemann noch einen Trumpf im Köcher: das Heldenleben von Richard Strauss, um dessen Einstudierung es im Frühjahr in Dresden zu Aufregungen gekommen war. Manch einem anderen Dirigenten wäre die Lust darauf vielleicht vergangen nach all dem Hickhack mit dem Intendanten. Aber Thielemann blieb gelassen und tat damit das Beste, was man wohl in einer solchen Situation tun kann. Im Mai konnte er das Stück zumindest schon einmal mit der Sächsischen Staatskapelle im Livestream musizieren, wo sich die Einmaligkeit der Interpretation bereits erahnen ließ. Nun erstrahlte die Tondichtung endlich auch vor Publikum im Großen Festspielhaus in Salzburg.
Von den ersten juvenilen, kühn-übermütigen Aufschwüngen in den Celli an, die das Thema des Heroen exponieren, gelang wie kaum anders zu erwarten eine mitreißende Wiedergabe.
Dass es stellenweise in diesem Stück bombastisch zugeht, täuscht freilich nicht darüber hinweg, dass es stellenweise auch wie in Strauss’ Opern Capriccio und Arabella äußerst kammermusikalisch zugeht. Entsprechend spielen Opernorchester – das wird Christian Thielemann nicht müde zu betonen –, die diese Werke einstudiert haben, auch das Heldenleben anders, mit einem ausgeprägten Gespür für das Filigrane, Feingliedrige in dieser Musik.
Genau das nun war in diesem Konzert zu erleben, zu allererst in dem langen Geigensolo, in dem Strauss den Seitengedanken an die Gefährtin des Helden anlegt. Es ist letztlich ein kleines, anspruchvolles Violinkonzert für sich genommen, gespickt mit virtuosen Girlanden und schnörkelreichen Kadenzen. Konzertmeister Matthias Wollong beeindruckte aber nicht nur damit, wie schlafwandlerisch sicher er das alles meisterte, sondern auch mit der delikaten Vortragsweise von Passagen, in denen sein Monolog ganz intim und leise wurde.
Nicht immer trumpft das Blech in Großbesetzung zudem auf der Bühne groß auf, zu dem programmatischen Teil des Helden „Walstatt“ tönten die Fanfaren auch hinter der Bühne wie aus weiter Ferne. Bei alledem gaben Christian Thielemann und seine vortrefflichen Orchestersolisten dem selbstironischen Humor des Komponisten gebührend Raum, der sich besonders vermittelt, wenn des Helden Widersacher ins Spiel kommen, Holzinstrumente schrill aufeinander prallen oder einzelne Blasinstrumente quäkend oder rülpsend auf kurzen Einzeltönen Fratzen schneiden.
Immer mehr übt sich Strauss zum Ende hin in Dekonstruktion, bis sich schließlich das einprägsame Heldenthema noch einmal in Himmelshöhen aufschwingt.
Dem Symphoniesatz voran ging das Klavierkonzert von Edvard Grieg mit dem Russen Denis Matsuev als Solist, der sich mit Bärenstärke aufs Ranklotzen versteht, wo sich Blockakkorde auftürmen wie im ersten Satz. Mit Riesenpranken der ideale Mann für jedweden imposanten Tastendonner, stellt er aber im Adagio ebenso unter Beweis, dass er für den Ton des Verträumten und Versponnenen durchaus mit schmaleren Pinseln zu malen versteht. Im Adagio huschen seine Finger schwerelos wie ein Schmetterling über die Tasten. Da vermittelte sich eine Anschlagskultur vom Feinsten.
Mit Jubelstürmen gingen die viertägigen Osterfestspiele im Herbst zu Ende. Sie galten dem Pianisten und vor allem Christian Thielemann im Bewusstsein, dass man eine vergleichbar phänomenale Wiedergabe des „Heldenlebens“ so bald nicht wieder erleben wird. Viele unter diesen begeisterten Zuhörern sind eigens gekommen, um den begnadeten Strauss-Dirigenten zu hören. Ob sie nach dem Lohengrin bei den letzten Osterfestspielen in der Ära des Berliners wiederkehren werden – wer weiß. Die Auslastung lag übrigens, so teilt die Presseabteilung mit, trotz hoher Kartenpreise und Corona-Auflagen von 3G und FFP2 Maskenpflicht bei 85 Prozent.
Kirsten Liese, 1. November 2021, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at