Christian Thielemann und die Wiener Philharmoniker lassen Brahms in Vollendung erklingen

Christian Thielemann/Hadelich/Capuçon  Musikverein, Wien,  9. April 2025

Christian Thielemann © Dieter Nagl

Alles in allem war dieser Konzertabend eine wahrhafte Erleuchtung!

Im Thielemann-Zyklus der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien und als philharmonisches Abonnementkonzert der Wiener Philharmoniker hatte Christian Thielemann mit seinen erlesenen Solisten einen großen Auftritt, von dem man noch lange wird zehren können. Einen so vollendeten Brahms hat man schon lange nicht mehr gehört; dieses Konzert erinnert an die großen Zeiten mit Böhm, Bernstein, Karajan, Giulini – es war ein  herausragender Abend. 

Johannes Brahms                                                                                                                        Konzert für Violine und Violoncello mit Orchester a-moll op. 102 “Doppelkonzert“
Symphonie Nr. 4 in e-moll op. 98

Augustin Hadelich, Violine
Gautier Capuçon, Violoncello
Wiener Philharmoniker
Dirigent: Christian Thielemann

Musikverein, Wien, 9. April 2025

von Herbert Hiess

„Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen“ – so formulierte es der große Philosoph Ludwig Wittgenstein in seinem „Tractatus logico-philosophicus“.  Und so kommt man sich nach diesem in jeder Hinsicht phantastischen Konzert mit den Wiener Philharmonikern und Christian Thielemann vor.

Was an diesem Abend erklungen ist und die Eindrücke – das kann man kaum in Worte fassen und ist eigentlich unbeschreiblich. Was nützt es da, über die eine Passage, die eine Phrase, die eine Sequenz zu parlieren – das wäre aus dem Zusammenhang gerissen und wird kaum den Tatsachen gerecht.

Auf alle Fälle hörte man die Wiener Philharmoniker in einer außerordentlichen „Bestform“; dazu der Motivator Christian Thielemann am Pult und zwei außergewöhnliche Solisten.

Der Geiger Augustin Hadelich und der Cellist Gautier Capuçon waren im Brahms’schen Doppelkonzert zu hören; manchmal bekommt dieses Konzert den Beinamen „Konzert für Riesengeige“, weil Geige und Cello so gesetzt sind, dass es tatsächlich von einem Instrument kommen könnte, falls es ein solches gäbe.

Quelle: http://augustinhadelich.com/

Hadelich brillierte mit einem süßen und tragenden Ton und über Capuçon braucht man kein Wort zu verlieren; er gilt heute in Fachkreisen als weltbester Cellist. Traumhaft, wie sich die beiden ergänzten und wie sie sich gegenseitig die Phrasen nur so zuspielten. Und erwartungsgemäß gaben sich Thielemann und die Philharmoniker nicht mit der Rolle der Begleitung zufrieden; traumhaft, welche Goldtöne sie diesem letzten Orchesterwerk von Brahms entlockten. Stellvertretend für alles der zweite Satz, der mit einer Quart der Hörner beginnt und dann eines der schönsten Themen der romantischen Musik hören lässt. Und traumhaft, wie Thielemann hier jede Phrase auskostete.

Als Zugabe brillierten Capuçon und Hadelich mit einer Bearbeitung des fünften Ungarischen Tanzes von Brahms; das bestätigte nur den Gesamtausdruck der Grundmusikalität der beiden Solisten.

Gautier Capuçon © Gregory Batardon

Danach kam die zwei Jahre vor dem Doppelkonzert entstandene vierte Symphonie von Brahms zum Erklingen. Auch hier kann man gar nicht genug Worte verlieren; sei es über die großartigen Phrasierungen oder dynamischen Akzente. Thielemann hat das Werk und das Orchester „im kleinen Finger“. Stellvertretend für das ganze Werk der Finalsatz, der in Form einer „Passacaglia“ (im Dreiermetrum) aufgebaut ist. Trotz Detailverliebtheit verliert Thielemann hier niemals den Überblick über das „Ganze“. Und begeisterungswürdig das mehr als heikle Flötensolo und der Posaunenchoral (die kommen bei dieser Symphonie erstmals im vierten Satz zum Erklingen).

Alles in allem war dieser Konzertabend eine wahrhafte Erleuchtung!

Herbert Hiess, 10. April 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Klaus Florian Vogt, Augustin Hadelich, WDR Sinfonieorchester Kölner Philharmonie, 17. September 2021

Gautier Capuçon, Violoncello, Orchestre National de France, Dirigent Cristian Măcelaru, Elgar und Berlioz Wolkenturm, Grafenegg, 31. August 2024

CD/Blu-ray-Besprechung: Schönberg und Strauss, Wiener Philharmoniker Christian Thielemann klassik-begeistert.de, 24. September 2024

Wiener Philharmoniker, Christian Thielemann Dirigent, Schumann und Bruckner Berliner Philharmonie, 15. September 2024

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