Parktheater Lahr: Blasmusik gleich Marschmusik?

Chrysanthemen Gala der Stadt Lahr   Parktheater Lahr, 26. Oktober 2024

Stadtkapelle Lahr/Nicholas Reed © privat

Nie im Leben… Zumindest nicht bei der Stadtkapelle Lahr und da bin ich sehr erleichtert

Unbedingt erwähnen möchte ich noch, dass die Musiker, bis auf ihren Dirigenten, Hobbymusiker sind, die sehr viel Zeit und Engagement und Herzblut in verschiedene Projekte stecken. Nicholas Reed, man könnte ihn als realistischen Perfektionisten bezeichnen, schafft es, das vorhandene Potential zu erkennen, zu nutzen und eine Kapelle zu formen, deren Leistungsniveau über das einer „normalen Stadtkapelle“ weit hinausgeht.

Chrysanthemen Gala der Stadt Lahr

Stadtkapelle Lahr e.V.
Musikalische Leitung:  Nicholas Reed

Parktheater Lahr, 26. Oktober 2024

von Kathrin Beyer

Alljährlich, Ende Oktober, bringt ein Blumenfestival für zwei Wochen traumschöne Farben in den trüben Herbst und viele, viele Menschen in meine kleine Stadt.

Diese wird mit tausenden Chrysanthemen geschmückt; kreativ, bunt, besonders, phantasiereich.

Darum herum wird ein umfangreiches Kulturprogramm auf die Beine gestellt, das mir Respekt abnötigt.

Gestartet hat dieses Programm gestern Abend mit der traditionellen Chrysanthemen Gala, gestaltet von der hiesigen Stadtkapelle.

Wenn ich ganz ehrlich sein möchte, muss ich zugeben, dass ich Blasmusik meist mit Radetzkys und anderer Märsche in Verbindung brachte. Diese erzeugen bei mir eine Gänsehaut; keine wohlige. Wenig überraschend also, dass ich diese Musik lange Zeit mied.

Voreilig, wie mir unterdessen klar ist.

Ein Freund, der in der Stadtkapelle mitspielt, lud mich zu einem Konzert ein, das ist schon viele Jahre her. Ich hielt mich mit meiner unausgegorenen Meinung zurück und machte mich lustig über die „Marschmusik“. Er ließ nicht locker und ich mich überreden…

Foto © Privat

Und so lernte ich die symphonische Blasmusik kennen.

Die Stadtkapelle Lahr hat sich von Anbeginn überwiegend auf anspruchsvolle symphonische Musik spezialisiert.

Das gestrige Programm war entsprechend ambitioniert:

  1. Fanfare – The Benefaction from Sky an Mother Earth von Satoshi Yagisawa
  2. First Suite in Es- Dur for Military Band von Gustav Holst (1. Satz: Chaconne, 2. Satz: Intermezzo, 3. Satz: March)
  3. Shenandoah  Arrangement: Omar Thomas
  4. Suite from Hymn of the Highlands von Philip Sparke
  5. Illumination von David Maslanka
  6. The last letter from Murdoch von Masanori Taruya
  7. At World’s End (Symphonic Suite from Pirates of the Caribbean) von Hans Zimmer
  8. 80er KULT(tour)2  Arrangement: Thiemo Krass
  9. Mars der Medici von Johan Wichers

Die Fanfare, mit ihrer sanften Einleitung, dem sich anschließenden Choral und dem kraftvollen Finale, war als Auftakt klug gewählt und machte sofort Lust auf mehr.

Foto © Privat

Das zweite Stück ist praktisch der Urvater oder die Urmutter der Symphonie für Blasorchester, welche bis dorthin schlichtweg „normale“ Symphonien spielten und notgedrungen die Streicher wegließen. Nicht sehr befriedigend für Musiker und Zuhörer, befand Gustav Holst und komponierte das erste symphonische Stück für Blaskapellen im Jahr 1909. Es besteht aus drei Sätzen, die, wie der Komponist wissen lässt, ohne Pause nacheinander folgen sollen, da sie ein Ganzes bilden. Das gestrige Publikum wusste dies wohl nicht und bedachte nach dem ersten Satz die beachtliche musikalische Leistung mit Beifall, der Dirigent bat mimisch (sehr freundlich!) um Unterlassung und infolgedessen konnte den Anweisungen Holsts Folge geleistet werden. Es ist ein beeindruckendes Musikstück und wurde ebenso umgesetzt!

Mein persönliches Highlight war der sechste Teil. Dieser „letzte Brief“ ist ein von einem Titanic-Offizier geschriebener fiktiver Brief, vermutlich kurz vor dem Untergang des Schiffes. Das Werk ist außergewöhnlich emotional, von heiter bis erschütternd. Bilder von der Titanic, bis zu ihrem Untergang, verstärken die Emotionalität.

Foto © Privat

Die Filmmusik von „Fluch der Karibik“ veranlasste die Zuhörer, in Begeisterungsstürme auszubrechen.

Dies gilt ebenso für den 80er Kult…, insbesondere Major Toms „Völlig losgelöst…“ war den Menschen noch gut im Gedächtnis, der Fußball-EM sei Dank!

Ein Marsch muss wohl sein, und er kam am Ende des Programms. Ich bin dankbar, dass ich nicht mit ihm im Ohr heimgeschickt werde.

Das Publikum feiert die Stadtkapelle (zu Recht) stürmisch und so gibt es zwei Zugaben.

Das Coldplay Medley bejubeln insbesondere die jüngeren Zuhörer, meine Enkelin wurde hier noch einmal richtig wach.

Leonard Cohens „Hallelujah“ zelebriere ich, mit meiner Handy-Taschenlampe…

Unbedingt erwähnen möchte ich noch, dass die Musiker, bis auf ihren Dirigenten, Hobbymusiker sind, die sehr viel Zeit und Engagement und Herzblut in verschiedene Projekte stecken. Nicholas Reed, man könnte ihn als realistischen Perfektionisten bezeichnen, schafft es, das vorhandene Potential zu erkennen, zu nutzen und eine Kapelle zu formen, deren Leistungsniveau über das einer „normalen Stadtkapelle“ weit hinausgeht.

Es war ein beeindruckender Abend, Chapeau und Hallelujah!

Kathrin Beyer, 27. Oktober 2024,  für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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