Passable Premiere von "Pelléas et Mélisande" im Stadttheater Klagenfurt

Claude Debussy, Pelléas et Mélisande, Stadttheater Klagenfurt, 14. Februar 2019

Foto: Pelléas et Mélisande – Eerens (c) Arnold Pöschl

Stadttheater Klagenfurt, 14. Februar 2019
Claude Debussy, Pelléas et Mélisande, Drame Lyrique in fünf Akten nach dem Libretto von Maurice Maeterlinck

Was darf man erwarten, wenn das Stadttheater Klagenfurt Claude Debussys Pelléas et Mélisande aufführt? Durchaus passables Musiktheater, wie die Klagenfurter beweisen. Das Stadttheater zieht alle Register, um sich der Herausforderung zu stellen.

Das um die Jahrhundertwende entstandene Drame Lyrique (1902 uraufgeführt) ist ein Meilenstein der Musikgeschichte. Es verfestigte gewissermaßen Debussys einzigartigen Kompositionsstil, der sich zwischen Naturalismus und Phantasie bewegt. Gefühlvolle Klangfarben verleihen seinen Melodien schwebende Leichtigkeit und Finesse und erzeugen dabei mystisch-exotische Atmosphären. Dies überzeugend wiedergeben zu können, erfordert ein hohes Maß an Präzision und Hingabe.

Die Handlung erzählt eine tragische Liebesgeschichte, die sich lange hinzieht (über drei Stunden mit Pause). Pelléas verliebt sich in seine Schwägerin Mélisande. Die Beziehung ist schwierig; obwohl in beider Herzen ein Feuer brennt, scheint die Distanz unüberwindbar. Nach dem lang ersehnten gegenseitigen Liebesgeständnis naht bereits das Ende. Der eifersüchtige Bruder und Ehemann Golaud erschlägt Pelléas. Mélisande stirbt an Liebeskummer.

Das Kärntner Sinfonieorchester steht vor keiner leichten Aufgabe. Die Musik soll (im Sinne der Gattung) die Handlung unterstützen, sich dabei beinahe unbemerkt im Hintergrund bewegen. Sie dient einerseits dazu, Bewegung und Emotion in die Szenen zu bringen. Andererseits soll sie überbordende emotionale Agitation mit sanften Klängen dämpfen. Das Kärntner Sinfonieorchester entspricht diesen Anforderungen nur teilweise. Manche Einsätze sind platt, unsauber, stören die mystische Atmosphäre, welche auf der Bühne kreiert wird. Allerdings gelingt es dem Orchester, die emotionalen Höhepunkte des Stückes mit Energie und gleichzeitiger Schwere zu unterstützen. An Klangvolumen mangelt es dem Kärntner Sinfonieorchester nicht. An Sauberkeit und Finesse lassen es die Musiker mancherorts leider missen.

Die Inszenierung des Stadttheaters ist eine Koproduktion mit dem Théâtre des Champs-Élysées Paris, der Opéra de Dijon und dem Théâtre du Capitole Toulouse. Infolge der in Frankreich preisgekrönten Produktion war man gespannt, ob Klagenfurt das Niveau halten kann. Das Stadttheater beweist: es kann. Highlights der Inszenierung sind vor allem das Bühnenbild und die Kostüme. Letztere sind das Werk des französischen Designers Christian Lacroix. Die teils schillernden, zumeist dunkel gehaltenen Kostüme bilden die Charakterzüge der Figuren in passender Weise ab. Das Bühnenbild spiegelt die düstere Stimmung des Stückes wider. Schwarze, kalte Wände und das Fischernetz, welches sich drohend über die Bühne erhebt, erzeugen eine mystische Atmosphäre. In diese fügt sich die Lichttechnik ein. Sie porträtiert gekonnt die Gegensätze feuriger Liebe und kühler Isolation, zwischen denen sich die Charaktere bewegen. Man kann sich der Wagnerianischen Anspielung nicht verwehren; schließlich war Debussy selbst von Wagners Werk fasziniert.

Zwischen der eher mittelmäßigen Musik und der grandiosen Bühnengestaltung stehen die Darsteller des Abends. Sie singen solide, zeichnen die Rollen gattungsgemäß in melodramatischer Emotionalität. Oliver Zwarg gibt einen glaubwürdigen, von Eifersucht gebeutelten Golaud. Seine kräftige Stimme bringt den Saal in Zeiten größter Agitation zum Beben. Ein überaus wichtiges Spannungselement des Abends. Ilse Eerens ist als Mélisande nicht weniger großartig. Sie mimt die zerrissene weibliche Hauptrolle mit solcher Finesse, dass man nicht anders kann, als mit ihr mitzufühlen. Pelléas (Jonathan McGovern) verfällt gelegentlich zu sehr in jugendliche Verliebtheit, was der Rolle eine unangemessene Hektik beschert. Ansonsten gibt es an seiner stimmlichen und schauspielerischen Leistung nichts auszusetzen. Geneviève (Alexandra Kloose) geht als Symbol der sich wiederholenden schicksalhaften Geschichte ein wenig unter. Sie wird vom sonoren Bass ihres Vaters Arkel (Nicolas Chavallier) überschattet. Lisa Marie Lebitschnig begeistert in der Hosenrolle des Yniold. Sie vermittelt mit spielerischer Leichtigkeit die Unschuld des Jungen, der zwischen den Eltern hin- und hergerissen ist. Im Gesamten bietet die Besetzung eine solide schauspielerische und gesangliche Leistung.

Die Aufführung kann das Publikum zwar über weite Teile fesseln. Doch die Spannung geht gelegentlich durch langwierige, hörbar fordernde Zwischenspiele und nicht zuletzt durch zu lange Umbaupausen verloren. Ein heftiger Ausrutscher passiert der Inszenierung bei der Fensterszene im dritten Akt. In dieser Schlüsselszene kommt die komplizierte, distanzierte und doch leidenschaftliche Beziehung Pelléas‘ und Mélisandes zum Ausdruck. Die Szene beginnt bezaubernd; Mélisande überstrahlt den Saal von einem gold-umleuchteten Fenster. Ihre Erscheinung wirkt, als wäre sie einem Klimt-Gemälde entstiegen. Das feurig rote Haar ist Symbol der Leidenschaft der beiden Liebenden. Leider hält die zauberhafte Stimmung nicht lange an. Der immer monströser werdende Haarschwall, den Mélisande ihrem Geliebten entgegenwirft, persifliert die Sinnlichkeit der Szene. Das Publikum kann das Lachen kaum zurückhalten, während Pelléas in Liebkosung mit dem überdimensionierten Haarschweif verfällt. Diesen Fauxpas kann die Aufführung nur langsam wieder glätten.

Als der Vorhang nach über drei Stunden fällt, ist das Publikum erleichtert; es war ein langer Abend. Der Applaus hätte angesichts der Herausforderung, der sich das Stadttheater mit dieser Produktion gestellt hat, kräftiger ausfallen können. Das Stadttheater kann an diesem Abend zwar nicht hundertprozentig überzeugen, verdient aber auf alle Fälle Anerkennung; „Pelléas et Mélisande“ ist keine leichte Kost, die von allen Beteiligten das Äußerste abverlangte.

Julia Lenart, 15. Februar 2019, für
klassik-begeistert.at und klassik-begeistert.de

Nicolas Carter, Musikalische Leitung

Éric Ruf, Regie und Bühne

Christian Lacroix, Kostüme

Laurent Delvert, Einstudierung der Wiederaufnahme

Markus Hänsel, Dramaturgie

Ilse Eerens, Mélisande

Jonathan McGovern, Pelléas

Oliver Zwarg, Golaud

Nicolas Cavallier, Arkel, König von Allemonde

Lisa Marie Lebitschnig, Yniold, Sohn von Golaud aus erster Ehe

Alexandra Kloose, Geneviève, Mutter von Pelléas und Golaud

Kärntner Sinfonieorchester

Chor des Stadttheaters Klagenfurt

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