Foto: Ida Praetorius, Felix Paquet, Xue Lin, Karen Azatyan, Olga Smirnova, Edvin Revazov, Anna Laudere, Jacopo Bellussi, Madoka Sugai, Alessandro Frola (Foto RW)
Staatsoper Hamburg, 20. September 2022
Ballett von John Neumeier
Dritte Sinfonie von Gustav Mahler
Wie sich Sugai mit schraubender Drehbewegung ihrem zuverlässigen Partner in die Arme warf, war großartig anzusehen. Mit umwerfender Fröhlichkeit zeigte Sugai zudem, was Sommer und sommerliche Liebe sein kann.
von Dr. Ralf Wegner
John Neumeiers Choreographie der dritten Sinfonie von Gustav Mahler haben wir seit 1975 fast ein Dutzend Mal gesehen, zuletzt vor 5 Jahren mit Silvia Azzoni und Alexandre Riabko in den beiden Hautpartien. Diese waren heute, in der 188. Vorstellung, mit Olga Smirnova und Edwin Revazov besetzt. Ihr Pas de deux im 6. Satz der Sinfonie (Was mit die Liebe erzählt) erwies sich als einer der Höhepunkte des Abends, wenngleich die Stringenz in der Darstellung und der innere, konzentrierte Ausdruck des Paares Silvia Azzoni und Alexandre Riabko nicht erreicht wurde. Dafür war deren Auftritt vor gut 2 Wochen bei der Freiluftaufführung auf dem Rathausmarkt noch zu deutlich in Erinnerung.
Revazov war der langgliedrigen Smirnova ein guter Partner, sie beeindruckte mit schöner Linie und an Hélène Bouchet erinnernden Armbewegungen. Im vorausgegangen 5. Satz Engel kam sie auch mehr aus sich heraus und zeigte deutlicher Emotionen als zuletzt in dem Grand Pas Classique während der letzten Nijinsky Gala.
Das Ballett begann mit den großartigen, von Revazov angeführten Männertableaus sowie einem faszinierenden Solo von Karen Azatyan (1. Satz: Gestern). Den zweiten Satz, mit Sommer überschrieben, teilten sich die Paare Ida Praetorius und Christopher Evans sowie Madoka Sugai und Alessandro Frola. Wie sich Sugai mit schraubender Drehbewegung ihrem zuverlässigen Partner in die Arme warf, war großartig anzusehen. Mit umwerfender Fröhlichkeit zeigte Sugai zudem, was Sommer und sommerliche Liebe sein kann, während Ida Praetorius ihre Rolle eher elegisch-adlig anlegte. Im 3. Satz Herbst überzeugten Yaiza Coll und Lizhong Wangsowie Ida Stempelmann, welche beim minutenlangen tiefsinnigen Blick auf Revazov die Aufmerksamkeit auf sich zog.
Zur Wirkung des 4. Satzes trug vor allem das von Katja Pieweck aus dem Orchestergraben heraus mit farbreichem, frei flutendem Mezzo vorgetragene Oh Mensch! Gib Acht! bei. Zur Leistung des Orchesters unter Markus Lehtinen vermag ich nicht beizutragen, dafür ist der Platz in der ersten Reihe der ersten Loge im ersten Rang, also fast über dem Orchestergraben gelegen, wenig geeignet; dort ist es schlichtweg zu laut.
Dr. Ralf Wegner, 22. September 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at