"Das verfluchte Geisterschiff" – Es war eine ganz tolle Bearbeitung von Wagners „Der fliegende Holländer“ für Kinder

Das verfluchte Geisterschiff, Richard Wagner, Gerald Resch  Wiener Staatsoper, 22. Januar 2024

Alle Bilder aus dem Programmheft. Grafische Gestaltung und Illustration: Irene Neubert  Fotos: Michael Pöhn

DAS VERFLUCHTE GEISTERSCHIFF
Richard Wagner, Gerald Resch

Musikalische Leitung  MARKUS HENN, ERIC MELEAR
Inszenierung  NINA BLUM
Bühne  MARCUS GANSER
Kostüme  AGNES HAMVAS
Choregrafie  KATHLEEN BAUER
BÜHNENORCHESTER DER WIENER STAATSOPER

WANDEROPER durch das Gebäude der WIENER STAATSOPER
Text MARGIT MEZGOLICH/RICHARD WAGNER
Konzept NINA BLUM

Wiener Staatsoper, 22. Januar 2024

von Lothar Schweitzer

Als ich mit meinem Enkel Aeneas nach der Vorstellung ins Freie trat, fragte ich ihn nach seinen Eindrücken im Vergleich zu unserem gemeinsamen Besuch des Salzburger Marionettentheaters mit „Hänsel und Gretel“ und er antwortete mir von selbst, dass das heute ja keine Oper war. Es war eine ganz tolle Bearbeitung von Wagners „Der fliegende Holländer“ für Kinder.

Mein Enkel war an diesem Vormittag mit zehn Jahren und als ein Schüler der vierten Volksschulklasse sichtlich der Älteste des jungen Publikums. Das Dargebotene sollte wohl mit seinem großen Anteil an gesprochenem Text und viel Pantomime auch keine Werbung für die Kunstrichtung Oper sein, eher für das Musical, welches mit seinem spezifischen Verhältnis zwischen gesprochenem Wort und Gesang in unsrer Zeit größere Publikumsschichten anspricht.

Gehen wir zu Richard Wagners Original zurück. Ein Seemann verhöhnte einmal Gott und wurde deshalb bestraft, ruhelos auf dem Meer umherzuirren. Alles sieben Jahre darf er an Land eine Frau suchen, die ihm getreu bis in den Tod ihn vom Fluch erlösen kann. Als der Seemann sich von Senta wieder verraten fühlt, segelt er ab und Senta stürzt sich darauf ins Meer. Im Finale sieht man dann beide verklärt.

«Das verfluchte Geisterschiff» beginnt mit dem Stunt einer Ratte (Christina Kiesler) © Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

Nur die geniale Musik kann heute dieses Werk retten. Wir könnten verstehen, wenn das moderne Regietheater diesen Inhalt nicht mehr akzeptiert. Für jüngstes Publikum, das in der Regel noch nicht aus Stimmfetischisten besteht, ist eine vorbildliche mögliche andere Darstellung und Abwandlung dank des unten angeführten Teams entstanden.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Zum Nachspielen von Sentas Ruf braucht es nach dem Richard Wagner bearbeitenden Komponisten ein volles Wasserglas, eine mit Wasser gefüllte und eine leere Flasche und dazu einen Löffel.

Es können religionspädagogische Gründe, aber auch Säkularisierungstendenzen sein, nicht Gott verflucht, sondern einer Meeresgöttin werden vom Seemann eine Muschel mit drei magischen Perlen, die vor Unwetterschützen und immer guten Wind in die Segel blasen, geraubt. Versteinert wartet sie auf die Rückgabe des ruhelosen Geisterkapitäns. Happy End.

Gefreut habe ich mich auf Anna Bondarenko als Senta, die mir als Priesterin in „Aida“ und als Musetta in „La Bohème“ schon bestens aufgefallen war. Eine große Überraschung war dann die auf rotem Zettel angekündigte finnische Sopranistin Jenni Hietala. Vom zarten „Echo“ in der „Ariadne auf Naxos“ schwang sie sich an dem Vormittag zur Senta auf. Ich werde weiterhin auf den Besetzungszetteln der Staatsoper auf ihren Namen Obacht geben.

Bei der freischaffenden Allroundkünstlerin, Schauspielerin, Leiterin von Schauspielworkshops für Kinder und Jugendliche sowie Kabarettistin Christina Kiesler, hier die Schiffsratte, brauchte ich wie bei Sängern allgemein keine Hörhilfe. Ihr Schall reichte aus, ihre Kommentare zur Geschichte und ihr Mitspiel restlos zu verstehen.

Der Erik In Person von Lukas Schmidt erinnerte an seinen Pedrillo in der „Entführung aus dem Serail“. Nach der Wurzenrolle des Ruffiack in „Le Grand Macabre“ lernte ich zum ersten Mal Jusung Gabriel Park in einer merkenswerten Rolle kennen, was aber ebenso undankbar war, weil die Erinnerung an Hans Hotter als Fliegenden Holländer sogar einen Otto Wiener und einen Bryn Terfel in den Schatten stellte. Der Sparafucile meines letzten „Rigolettos“ Evgeny Solodovnikov legte den Daland wie einst Gottlob Frick sehr komödiantisch an. Leider fiel den vielen Strichen auch ein tiefes F zum Opfer. Ein sehr mächtiger, schwarzer Bass (Basso profondo) scheint er nicht zu sein. Hietala, Schmidt und Jusung Park sind erst Mitglieder des Opernstudios.

Zu loben ist das preisgünstige, reichhaltig ausgestattete Programmheft. Schöpferisch können interessierte Kinder mit guter Beobachtungsgabe bühnenbildnerisch und regiemäßig tätig werden.

Lothar Schweitzer, 24. Januar 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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