Bryn Terfel as The Dutchman © CLIVE BARDA/ ArenaPAL
Eine grandiose Vorstellung – Sir Bryn Terfel, der inzwischen 58 Jahre alte Bass-Bariton aus Wales, dem Land der legendären Minenchöre, als geradezu idealer Holländer in einer auch in der vierten Wiederaufnahme ungebrochen starken Inszenierung (Tim Albery) an der Royal Opera House Covent Garden.
Donnernde Weltklasse-Chöre unter der bewährten Leitung von William Spaulding, das gewaltig agierende Orchester der Royal Opera (unter der Stabführung von Henrik Nanasi), eine strahlende, sich im Wagner-Fach allmählich trittsicher etablierende Sopranistin Elisabet Strid als Senta) und ein faszinierendes, ja überwältigendes Bühnenbild mit gespenstisch-unheimlichen Licht-Effekten (Bühne: Michael Levine und kongenial für das Licht zuständig David Finn) – ein „Holländer“, wie man ihn sich nur wünschen mag, jenseits von Kitsch, Parodie und Klischee.
Der fliegende Holländer
Musik von Richard Wagner
Libretto von Richard Wagner nach Heinrich Heine
Royal Opera House Covent Garden, 11. März 2024
Dirigent: Henrik Nanasi
Regie: Tim Albery
Bühne: Michael Levine
Licht: David Finn
Chormeister: William Spaulding
Orchestra of the Royal Opera House
von Dr. Charles E. Ritterband
Ein suggestives Bühnenbild in perfekter Beleuchtung: Schwere Taue zerschneiden diagonal die Bühnenöffnung, gespenstisch beleuchtete Luken, gewaltige Stahlwände des Schiffsrumpfes, das Näh-Atelier, in dem Senta mit ihren Kolleginnen in Reih und Glied im Akkord schuftet, wird auf die Bühne hinabgesenkt, die Seeleute versammeln sich in einer Kantine, die ihrer bedrückenden Schäbigkeit keine Fragen offen lässt – endlich verlässt am Ende der Holländer auf einem eisernen Landungssteg, der zu seinem Geisterschiff führt, die Bühne, Senta und die reale Welt.
Wenn sich des Holländers Gespensterschiff langsam von rechts über die Bühne schiebt, dann als mächtiger, unheimlicher Schatten, der alles verdunkelt. Das Schiff selbst wird nur als Schiffsmodel erlebbar, welches Senta an den vorderen Bühnenrand trägt und dort für den Rest der Oper platziert – verkörpernd ihre Vision und Sehnsucht. Ein mitreißend gespenstischer Schauplatz wie ihn nur ein großes Opernhaus von der Klasse der Royal Opera auf die Bühne zu bringen vermag.
Sir Bryn Terfel, mit klarer Diktion und sonor tiefer Stimme, seine Figur eher unterspielend in seinem unauffällig grauen Kostüm als in den Mittelpunkt rückend, legt in diesen zweieinhalb pausenlosen Spielstunden Zeugnis von seiner Souveränität und Selbstsicherheit ab: Er ist dieser Holländer und es mag ebenbürtige geben, aber kaum bessere.
Manch ältere Opernenthusiasten mögen sich noch erinnern, als Terfel vor 35 Jahren erstmals sein „Die Frist ist um“ in den Zuschauerraum schleuderte und damit als „Cardiff Singer of the World“ Furore machte.
Wenn er sein „Vernichtungsschlag“ hinaushämmert, antwortet das Orchester als gewaltiges Echo. Die Streicher dieses Orchesters agierten in dieser Aufführung einfach hinreißend.
Die große Liebesszene zwischen Holländer und Senta steht in schroffem Kontrast zu den gewaltigen Wagner’schen Musikwogen: Sie wickelt sich auf zwei sehr simplen Sesseln unter einer kalten Lampe ab, die auf die Bühne herabgesenkt wird. Die Senta der schwedischen Sopranistin Elisabet Strid qualifiziert diese Sängerin, welche in dieser Rolle ihr Debüt in Covent Garden markiert, als eine aufsteigende Wagner-Interpretin auf großen Bühnen: Ihre Stimmstärke wird sich noch weiter entfalten, aber ihre kontrollierte Subtilität, mit der sie die Leiter der höchsten Töne erklimmt, ist schon jetzt beeindruckend.
Der Daland des dänischen Bassisten Stephen Milling ist dem Holländer Terfels ein adäquates Gegenüber mit warmer, starker Stimme. Der Erik des britischen Tenors Toby Spence (der in der Opera North einen guten Parsifal gab) blieb, obgleich stimmlich durchaus wohlklingend, eher unprofiliert und im Schatten der beiden Großen – aber dies mag durchaus auch an seiner eher undankbaren Rolle als leicht neurotischer und ziemlich aufdringlicher „Loser“ in diesem Handlungsablauf liegen…
Schon die Visualisierung der Ouvertüre war ein szenischer Meisterstreich: Der graue Vorhang wellt sich wie ein sturmgepeitschtes Meer, immer grellere Lichter scheinen in den Zuschauerraum – die Scheinwerfer des Gespensterschiffs oder die immer näher kommenden, immer stärker blendend werdenden Strahlen eines Leuchtturms? Vieles bleibt bewusst offen in dieser Inszenierung, diesem Bühnenbild – und wirkt dafür umso suggestiver, stärker.
Der Chor der Seeleute in der tristen Kantine, wo sie die gespenstische, lebend-tote Besatzung des Geisterschiffes vergeblich zu einem Lebenszeichen zu provozieren versuchen, strömt in einem großartigen Coup de Théâtre auseinander und plötzlich bevölkert die graue, leblose Mannschaft des Holländer-Schiffs den trostlosen Raum.
Dr. Charles E. Ritterband, 11. März 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Besetzung:
Der Holländer: Sir Bryn Terfel
Senta: Elisabet Strid
Daland: Stephen Milling
Steuermann: Miles Mykkanen
Erik: Toby Spence
Mary: Kseniia Nikolaieva
Richard Wagner, Das Rheingold Royal Opera House, 29. September 2023
Giacomo Puccini, Turandot Royal Opera House, Amphitheater, 13. April 2023
Ich habe die Inszenierung im Radio natürlich nicht gesehen, also kann ich mich nur zur musikalischen Seite äußern.
Das Orchester spielt zwar sehr gut, allerdings scheint mir de Dirigent den Wagner’schen Sound, wenn es so etwas geben sollte, nicht voll zu treffen. Alles klingt gut und kräftig, allerdings gibt es für meinen Geschmack zu viele Tempis vom Dirigenten, welche doch ein wenig ahnen lassen, dass da noch deutlich mehr möglich ist.
Terfel ist ohne Zweifel ein toller Sänger mit einer tollen Stimme, allerdings haben die zu hohen Lagen ihm doch Schwierigkeiten bereitet, was wahrscheinlich daran liegt, dass er leider zu oft zu heldische Rollen gesungen hat (Wotan z.B.)… Schade, sehr schade…
Frau Strid sollte da auch vorsichtig sein, da sie ihre recht schöne Stimme zu forcieren muss, ob der Rolle gerecht zu werden, auch hier sehe ich die Gefahr, dass sie ihrer stimme schaden könnte. Schade…
Der Sänger des Erik ist der Beste stimmlich, finde ich, wenn er nicht zu Tristan oder Tannhäuser greift. Er hat mir sehr gut gefallen.
Der Steuermann singt gut mit seiner Nichtwagnerstimme, aber beim Steuermann kann er lyrisch singen.
Der Daland von Herrn Milling (auch ein Sänger, den ich sehr schätze) ist auch leider nicht optimal. Vielleicht ist die Tessitura auf Dauer zu hoch, allerdings singt er mit viel Routine und wohlklingender Stimme. Wie bei Terfel, auch bei ihm… beiden liegen die tieferen Lagen deutlich besser.
Ich möchte noch hinzufügen, dass meine Meinung natürlich auf großem Respekt den Sängern gegenüber beruht.
Silvio Heil