Catherine Foster singt im Londoner königlichen Opernhaus eine großartige Turandot

Giacomo Puccini, Turandot  Royal Opera House, Amphitheater, 13. April 2023

Der Dirigent Paul Wynne Griffiths mit dem Turandot-Ensemble (Foto: RW)

Insgesamt war es ein gelungener Opernabend mit einer herausragenden Catherine Foster als Turandot. Welche hochdramatische Sopranistin ist derzeit sonst noch in der Lage, die für die entsprechende Rolle notwendige, orchesterüberstrahlende Schallstärke mit vollendeter Stimmschönheit zu verbinden und beides zum Gestalten der Partie einzusetzen.

Royal Opera House, Amphitheater, 13. April 2023


Turandot
Oper in drei Akten und zwei Pausen von Giacomo Puccini

von Dr. Ralf Wegner

Es dauerte fast 90 Minuten, bis die Heldin der Oper auftrat. Catherine Foster fesselte als Turandot von Anfang an. Mit fast lyrisch-weicher, in den hohen Passagen durchschlagskräftiger, aber nie scharfer Stimme gestaltete sie die Eisprinzessin Turandot. Bis dahin plätscherte alles dahin, allerdings auf einem von dem Dirigenten Paul Wynne Griffiths die Lyrismen der Komposition voll auskostenden Klangteppich (Orchestra of the Royal Opera House).

Wir saßen im Amphitheater, also ganz oben, recht weit weg von der Bühne. Die dort spürbare, die akustischen Sinneszellen erregende Tonimmission, also der tatsächlich ankommende Schalldruck, war bis zum Erscheinen Fosters eher begrenzt. Bereits der Auftritt des Mandarins (Blaise Malaba) war kaum hörbar, gleiches galt, allerdings rollendeckend, für den greisen Kaiser Altoum (Alexander Kravets). Mit kräftigem Bass überzeugte bis dahin nur Vitalij Kowaljow in der Rolle des blinden Timur und ausgesprochen schönstimmig klangen die drei Minister Ping, Pang und Pong (Hansung Yoo, Aled Hall, Michael Gibson).

Russell Thomas’ (Calaf) viriler, vor allem in der Mittellage durchaus kraftvoller Tenor verlor in der Höhe an Durchschlagsvermögen, auch ein möglicherweise vorhandener Höhenglanz reichte nicht hoch bis in das Amphitheater. Seine große Arie Nessun dorma zu Beginn des dritten Aktes vermochte weitgehend zu überzeugen, jedoch nicht mehr in der Schlussphase. Er wurde nicht vom Orchester zugedeckt, sondern trat gegen das aufbrausende Orchester gar nicht erst den Wettkampf im Halten des Schlusstons an.  Somit entlud sich nach seiner Arie auch kein Begeisterungstaumel wie vor einiger Zeit bei Gregory Kunde in Hamburg (bei einer deutlich schwächeren Turandot), und der Dirigent ließ sofort weiterspielen. Schließlich hatte noch Ermonela Jaho ihre Sterbearie zu singen. Mit weicher lyrischer Stimme und vollendeten Piani gestaltete sie die Partie der liebeskranken Sklavin Liù. Etwas mehr Leidensfähigkeit im stimmlichen Ausdruck hätte der Interpretation noch mehr Ausdruck verliehen. Vielleicht lag aber auch dieser Eindruck am entfernten Platz im Amphitheater.

Vitalij Kowaljow (Timur), Catherine Foster (Turandot), Russell Thomas (Calaf), Ermonela Jaho (Liù) (Foto: RW)

Insgesamt war es ein gelungener Opernabend mit einer herausragenden Catherine Foster als Turandot. Welche hochdramatische Sopranistin ist derzeit sonst noch in der Lage, die für die entsprechende Rolle notwendige, orchesterüberstrahlende Schallstärke mit vollendeter Stimmschönheit zu verbinden und beides zum Gestalten der Partie einzusetzen. Ich kenne keine, die in den letzten zwei Jahrzehnten als Brünnhilde, Elektra oder Turandot besser gesungen hätte. In der nächsten Saison werden wir Foster auch in Hamburg als Turandot erleben dürfen.

Noch etwas zum Londoner königlichen Opernhaus – es gibt praktisch, außer im Anbau, keine Foyers und nur sehr enge Gänge und schmale Treppenhäuser, die von ganz oben nach ganz unten führen. Im Amphitheater sitzt man mit mehreren hundert anderen Personen eingezwängt auf schmalen Stühlen ohne Seitenlehne mit unmittelbarer Tuchfühlung zum Nachbarn oder der Nachbarin. Es dauert auch eine gefühlte Ewigkeit, bis sich das Publikum in den Pausen und nach der Aufführung aus diesem Maulwurfsbau in den seitlich angebauten Restauranttrakt oder auf die Straße durchgearbeitet hat. Wie dieser bauliche Zustand mit feuerschutzorganisatorischen Notwendigkeiten harmoniert, bleibt schleierhaft. Ein geduldsamer Brite würde wahrscheinlich sagen, dann verbrennen wir halt; es käme aber nur selten, wenn nicht gar zu selten vor.

Dr. Ralf Wegner, 14. April 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Turandot, Musik von Giacomo Puccini Staatsoper Hamburg, 6. November 2022

Turandot, Giacomo Puccini, Finale: Franco Alfano Staatsoper Hamburg, 6. November 2022

Posers Klassikwelt 8: Wer ist Catherine Foster?

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert