Die Londoner Royal Opera begeistert mit einem brillanten „Barbier“ – ein Feuerwerk an Einfällen, Humor und Musikalität

Die Erwartungen an die Royal Opera Covent Garden waren, wie immer, hoch – und sie wurden nicht enttäuscht: Diese Neuproduktion von Rossinis Barbier ist ein Feuerwerk aus Humor, Farben, Musikalität und unvergleichlicher Originalität. So viel frischen  Wind in eine derart oft gespielte Oper zu bringen ist eine künstlerische Leistung auf höchstem Niveau. Und, selbstverständlich für dieses Haus, war diese Aufführung musikalisch Weltklasse – mindestens auf dem Niveau von Met und Wiener Staatsoper.


Gioachino Rossini, Der Barbier von Sevilla

Libretto: Cesare Sterbini

Orchester des Royal Opera House
Wiederaufnahme der Produktion aus dem Jahr 2005
Rafael Payare, Dirigent

Royal Opera Covent Garden, 2. Februar 2023


von Dr. Charles E. Ritterband (Text und Fotos)

An zwei aufeinanderfolgenden Abenden in den beiden großen Opernhäusern der englischen Metropole zwei brillante Opernpremieren erleben zu dürfen ist zwar keineswegs völlig ungewöhnlich, aber doch immerhin ein großes Glück. Dass beide Opern ausgerechnet auf dem Schauplatz Sevilla angesiedelt sind – eine Tragödie mit tödlichem Ausgang die eine, eine heitere Farce mit Happy End die andere – ist nun allerdings schon ein bemerkenswerter Zufall. „Gioachino Rossini, Der Barbier von Sevilla
Royal Opera Covent Garden, 2. Februar 2023 PREMIERE“
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„Butterfly“ entfacht Begeisterungsstürme in Covent Garden

„Butterfly“ ist ein Ohrenschmaus – man schwelgt in Puccinis sinnlichen Wogen dieser herrlichen Musik, erfreut sich der vom Meister aus Torre del Lago so enthusiastisch recherchierten original japanischen Klänge (abgesehen von den kleinen musikalischen Exkursen nach China…) bis hin zum disharmonischen Schlußakkord, wenn die Tragik der Betrogenen im berühmt-berüchtigten Harikiri endet – eine Oper ohne Happy End, denn auch die Überlebenden dieses blutigen Endes werden sich ein Leben lang quälen: Leutnant Pinkerton, dessen verzweifelter Ruf „Butterfly“ um Sekunden zu spät kommt, der Konsul, der trotz seiner klaren Sicht der Dinge deren Lauf nicht beeinflussen konnte und Pinkertons neue amerikanische Ehefrau, die mit einem mutterlosen Adoptivkind in ihre Heimat zurückreist, von Gewissensbissen gequält…

Giacomo Puccini, Madama Butterfly
Libretto: Giuseppe Giacosa und Luigi Illica

The Royal Opera House in Covent Garden, 27. September 2022

von Dr. Charles E. Ritterband (Text und Fotos)

Dass diese Handlung, welche die Brutalität des Kolonialismus und die Geringschätzung gegenüber der Frau und der „Exotin“ zum Thema hat, spätestens aus heutiger Sicht höchst problematisch erscheint, ist keine Neuigkeit. Generationen von Regisseuren waren bemüht, diese Problematik szenisch zu thematisieren – mit sehr unterschiedlichem Erfolg. Dass diese Inszenierung (Moshe Leiser und Patrice Caurier) dies irgendwie versuchte, ist zumindest diesem Kritiker nicht aufgefallen. Bleibt also nur noch das Programmheft („Objects of Desire: Japanese Women Through Western Eyes“). „Giacomo Puccini, Madama Butterfly
Royal Opera House, 27. September 2022“
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Covent Garden inszeniert „Così“ als Theater der Illusionen

Clever und poetisch, diese Inszenierung (Jan Philipp Gloger), welche die bekannte Handlung als „Theater im Theater“ darstellt – als doppelte Illusion gewissermaßen:  Denn die beiden jungen Männer geben sich ja der von Don Alfonso gnadenlos entlarvten Illusion hin, dass ihnen ihre Liebsten bedingungslos treu seien. Wir blicken durch den Bühnenrahmen der Royal Opera hindurch auf eine andere Bühne, doch diesmal von hinten. Die Kulissen versuchen nicht, Realität darzustellen oder zu imitieren – ihre Kulissenhaftigkeit wird deutlich gezeigt, sie werden beliebig beiseite geschoben oder emporgehoben. Der Schauplatz dieser musikalischen Farce, Parodie der „Opera Seria“ und doch in ihrer Aussage von erschütterndem Ernst („es gibt keine Treue“) ist also genauso rasch und beliebig veränderbar wie die Beziehungen, die sie darstellt:  Eine Welt der Versatzstücke. Und musikalisch, wie ja alles in der Royal Opera, hervorragend – temperamentvoll und doch subtil das Orchester unter der souveränen Stabführung der Engländerin Julia Jones und erstklassig bis überragend sämtliche Stimmen.

Royal Opera Covent Garden, 28. Juni 2022 (Wiederaufnahme)

Wolfgang Amadeus Mozart (Libretto Lorenzo da Ponte),
Così fan tutte ossia
La scuola degli amanti

Chor und Orchester der Royal Opera Covent Garden
Julia Jones, Dirigat

von Dr. Charles E. Ritterband (Text und Fotos)

In dieser Inszenierung gibt es nicht, wie sonst üblich, Soldaten in Uniformen und ein Kriegsschiff, das vor den Gestaden von Neapel verankert ist, um die scheinbar in den Krieg ziehenden Ferrando und Guglielmo aufzunehmen. Der Chor singt den Militärmarsch „in Zivil“ und die beiden rücken in Zivilkleidung ein. Bemerkenswert und klug ist, dass sie dann nicht wie sonst üblich in abenteuerlich-exotischer Verkleidung zurückkehren und die Freundin des Freundes anbaggern, sondern sie treten eigentlich in identischer Kleidung wieder auf – nur, dass sie jetzt die von Despina so genüsslich zelebrierten Schnurrbärte aufgeklebt haben.

Was hat das zu bedeuten? Die beiden Schwestern werden in dieser Version nicht durch eine aufwändige Verkleidung getäuscht, sondern sie können, ja müssen, erkennen, dass es sich bei den angeblichen Fremdlingen um die Boyfriends der Schwester handelt. Und dennoch spielen sie dieses Spiel der anfänglichen Standhaftigkeit, Treue und Prüderie – sie wissen demnach allzu genau und von vorneherein auf was und wen sie sich da einlassen werden. Ziemlich dialektisch das Ganze: Inmitten dieses Spektakels der Illusionen sind also die beiden Frauen völlig illusionslos und können sich nicht darauf berufen, auf eine bunte Verkleidung hereingefallen zu sein. „Wolfgang Amadeus Mozart, Così fan tutte
Royal Opera Covent Garden, 28. Juni 2022 (Wiederaufnahme)“
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Elīna Garanča fasziniert als Dalila mit einem strahlenden Samson an ihrer Seite

Ein neuer Höhepunkt an der renommierten Royal Opera in Covent Garden: Die unvergleichliche Elīna Garanča hält das Londoner Publikum mit warmer, tiefer und erotisch-verführerischer Stimme als Dalila in Bann, während der junge südkoreanische Tenor Seokjong Baeck als neuer Stern am Opernhimmel in der tragischen Rolle des Samson in Camille Saint-Saëns’ dramatischem Meisterwerk erstrahlt. Unter der bewährt meisterhaften Stabführung von Antonio Pappano begeistert das Hausorchester der Royal Opera; unter der präzisen Leitung des Chormeisters William Spaulding bringt der Chor dieses bedeutendsten britischen Opernhauses die hervorragende Akustik dieses prachtvollen Hauses aus der Mitte des 19. Jahrhunderts voll zur Geltung.

Camille Saint-Saëns, Samson et Dalila (Libretto Ferdinand Lemaire),
Royal Opera Covent Garden London, 3. Juni 2022

von Dr. Charles E. Ritterband (Text und Foto)

 Saint-Saëns’ Meisterwerk wurde 1877 vollendet und im selben Jahr in Weimar uraufgeführt – doch Covent Garden brachte die Oper erst 1903 auf die Bühne: Auf der Bibel basierende Handlungsabläufe im Theater wurden damals in England als „unangebracht“ erachtet – während Verdis „Nabucco“ mit seiner durchaus ähnlichen Handlung und ebenfalls auf biblischer Inspiration beruhend bekanntlich schon 1842 an der Scala uraufgeführt wurde.

Doch angesichts dieses ambivalent zwischen Oper und Oratorium oszillierenden Werkes wird sofort deutlich, weshalb Samson et Dalila Saint-Saëns’ bei weitem erfolgreichste seiner zwölf Opern war – und  die einzige, die damals wie heute immer wieder aufgeführt wird. Einen nicht unerheblichen Anteil an der anhaltenden Popularität dieser Oper hat das packende Libretto des auf der Karibik-Insel Martinique geborenen Ferdinand Lemaire. Aber auch die Orchestrierung ist perfekt, und Dalilas berühmte, überwältigend schöne Arie, mit der sie den verliebten Toren Samson umgarnt, lässt den Besucher des Opernhauses nicht los, wenn der Vorhang längst gefallen ist: Jubel für die weltberühmte Mezzosopranistin und den Novizen-Tenor. „Elīna Garanča fasziniert als Dalila mit einem strahlenden Samson an ihrer Seite“ weiterlesen

Die Royal Opera Covent Garden fasziniert mit einem überwältigenden „Lohengrin“

Wagners romantische Oper „Lohengrin“, ein Werk des Umbruchs an der Schwelle von großen Opern wie dem „Fliegenden Holländer“ (1843) und „Tannhäuser“ (1845) zur Tetralogie des „Ring“ (1876) wurde 1850 in Weimar uraufgeführt und erreichte die Royal Opera Covent Garden erstmals ein Vierteljahrhundert später, am 8. Mai 1875 – und zwar in italienischer Sprache.  Von da an und bis zum Ersten Weltkrieg (verständlicherweise nicht danach) wurde „Lohengrin“, nunmehr in der Originalsprache, zur populärsten und meistgespielten Oper Wagners in Großbritannien. Dem, was jetzt, in einer vier Jahre alten Wiederaufnahme, auf der Bühne von Covent Garden zu sehen und zu hören ist, kommt kein geringeres Prädikat als „überwältigend“ zu. Sänger und Orchester erbringen Höchstleistungen, Bühnenbild (Paul Steinberg) und Inszenierung (David Alden) sind ebenso hochintelligent wie faszinierend. Damit hat Covent Garden einen neuen Markstein in der Wagner-Aufführungsgeschichte dieses renommierten Hauses gesetzt. Diese erste völlig durchkomponierte Oper Wagners, in der er sich von musikalischen „Nummern“, großen Arien verabschiedet hat und einen kontinuierlichen musikalischen Fluss in Bühne und Orchester bringt, nimmt mit seinen eingängigen Leitmotiven – dem programmatischen „Nie sollst du mich befragen“ und dem musikalischen Motiv des Schwans – die Leitmotivik des „Rings“ vorweg.

Richard Wagner, Lohengrin, Romantische Oper in drei Akten
Royal Opera Covent Garden, 24. April 2022, Wiederaufnahme von 2018

von Dr. Charles E. Ritterband (Text und Fotos)

 Die Assoziationen sind unausweichlich: Kriegerisch ist die Rede von der Bedrohung der deutschen Nation beziehungsweise Brabants „aus dem Osten“ (gemeint sind hier die Ungarn statt den Russen) die Rede. Dass es sich bei dem in dieser Inszenierung gewählten Schauplatz um einen totalitären Staat und unzweideutig um Nazideutschland handelt ist mehr als offensichtlich: Grimmige Krieger mit Stahlhelmen, Soldaten, welche mit ihren Waffen die in zeitloses, tristes Grau gekleideten (Kostüme: Gideon Davey) sichtlich eingeschüchterte Zivilisten in Schach halten. Die mächtige Skulptur eines Schwans, der unverkennbar einen grimmigen Adler und nicht einen edlen, eleganten Schwan als Wappentier dieses diktatorischen Staates zu verkörpern hat. Und über allem die zahllosen Schwanenflaggen in den Farben des NS-Reichs rot-weiß-schwarz – der „Guardian“ nennt sie treffend „swan-swastika banners“, denn das Hakenkreuz konnte man sich unschwer dazu denken. Die Bühnenarchitektur erinnert an das, was wir heute täglich in den Nachrichten aus Ukraine sehen: verbrannte, graue, aus der Vertikalen in Schieflage gerückte Hausruinen. Das Ganze ist packend, ergreifend, geradezu atemberaubend. „Richard Wagner, Lohengrin, Wiederaufnahme 2018,
Royal Opera Covent Garden, 24. April 2022“
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Ein kraftvoller Rigoletto und eine berührende Gilda begeistern das Londoner Publikum

Die Neuinszenierung des „Rigoletto“ an  der Londoner Royal Opera unter der meisterhaften Regie des Direktors des Hauses für die Sparte Oper, Oliver Mears, reiht sich in die hochkarätige Serie großer Opern, die an der Königlichen Oper in Covent Garden zu bewundern ist: Tosca, Nozze di Figaro, Traviata. Mears erspart dem Zuschauer nichts – seine Inszenierung macht mehr als deutlich, dass dies (trotz der zwischen dem Herzog und Gilda aufflammenden Liebe) keine romantische und (trotz der eingängigen Melodien) keine Belcanto-Oper ist: Das ist knallharter Verismo. Im Palast des Herzogs wird schonungslos Brutalität praktiziert, Monterone werden auf offener Bühne die Augen ausgestochen, in der mörderischen Taverne des Sparafucile wird ungehemmter Sex zwischen dem Herzog und Maddalena vollzogen und das Gewitter im dritten Akt erschüttert mit grellen Blitzen und dem durchdringenden Chorgeheul des Windes nicht nur die Bühne, sondern auch den Zuschauerraum. Die Darsteller sind dieser ambitionierten Inszenierung vollumfänglich gewachsen, mit ihren großartigen Stimmen und ihrer hervorragenden Rollen-Charakterisierung gehen sie nicht unter in dieser groß dimensionierten Inszenierung. Wir erleben hier Verdi auf dem Höhepunkt seines Schaffens, in seiner wohl erfolgreichsten Oper, die Verdi selbst gegenüber seinem Freund Cesare De Sanctis geradewegs als „meine beste Oper“ bezeichnete.

Foto: © microsoft BING

Giuseppe Verdi, “Rigoletto”, Libretto: Francesco Maria Piave (nach Victor Hugo), Royal Opera House Covent Garden, 12. März 2022

von Dr. Charles E. Ritterband (Text und Foto)

Dass vor der dramatischen Ouvertüre des „Rigoletto“ die ukrainische Nationalhymne aus dem Orchestergraben des in den gelb-blauen Nationalfarben der Ukraine angestrahlten Hauses ertönte, war ein Akt der Solidarität mit dem Opfer der russischen Aggression – der vom Publikum mit einhelligem Applaus begrüßt wurde. Gleichzeitig aber weckte dies die Erkenntnis, wie sehr sich doch Gewaltherrscher gleichen: Hier der Herzog in seinem Palast, Herrscher über ein Herzogtum, umgeben von willfährigen Höflingen, der über Leichen geht, um seinen Willen durchzusetzen – dort der Diktator eines riesigen Landes, der hemmungslos ein ganzes Land und dessen Zivilbevölkerung seinen paranoiden Großmachtsfantasien opfert.

Verdi wurde oft als der vielleicht politischste unter den Opernkomponisten genannt (unbedingt muss man allerdings Puccinis „Tosca“ zu den hochpolitischen Werken zählen…) – und wohlbekannt ist ja auch, wie „Rigoletto“ die Hürden der politischen Zensur zu passieren hatte und entsprechend modifiziert wurde. Nicht erwähnen muss man in diesem Zusammenhang „Nabucco“, der zur Nationaloper Italiens wurde mit dem Chor der hebräischen Exilierten, der zur „geheimen Nationalhymne“, zum Fanal eines geeinten, freien Italiens wurde… Eine Verdi-Oper vor dem Hintergrund der entsetzlichen Nachrichten vom ukrainischen Schlachtfeld – aktueller könnte eine Oper, könnte ein Komponist kaum sein. „Giuseppe Verdi, “Rigoletto”,
Royal Opera House Covent Garden, 12. März 2022“
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Angela Gheorghiu begeistert als Tosca an der Royal Opera in London

Die rumänische Sopranistin Angela Gheorghiu rief mit ihrer sängerisch und schauspielerisch überragenden Tosca an der Londoner Royal Opera Begeisterungsstürme hervor. Ihr Landsmann und kongenialer Partner, der Tenor Stefan Pop, in seinem Aussehen fast eine Art Wiedergänger des unsterblichen Luciano Pavarotti, meisterte die Partie des Malers Mario Cavaradossi mit Bravour und überragender stimmlicher Stärke und Schönheit. Die rumänischen Hauptdarsteller ernteten minutenlangen Applaus und enthusiastische „Brava“ und „Bravo“ – Rufe aus dem begeisterten Publikum in einem der schönsten und berühmtesten Opernhäuser weltweit. Als grandioser Bösewicht, stimmlich geradezu überwältigend und darstellerisch herausragend, der Baron Scarpia des deutschen Baritons Michael Volle. Orchester der Royal Opera in dramatischer Höchstform – unter der sensiblen und zugleich temperamentvollen Stabführung von Marco Armiliato, dessen glanzvolle Laufbahn mit Stationen an allen großen Bühnen der Welt von der „Met“, über die Wiener Staatsoper, der Opéra Paris, der Bayerischen Staatsoper, dem Opernhaus Zürich bis zur Arena di Verona zahllose Höhepunkte aufweist.

Foto: Staatsoper Hamburg ©

Royal Opera House Covent Garden, 8. Februar 2022

Giacomo Puccini „Tosca“ (Libretto Giuseppe Giacosa und Luigi Illica),

von Dr. Charles E. Ritterband (Text und Foto)

Dies war die wohl perfekteste „Tosca“ meiner jahrelangen Laufbahn als Opern-Liebhaber und Rezensent: klassisches, realistisches und überaus detailreiches Bühnenbild (Paul Brown), das insbesondere das Intérieur der Römer Basilika Sant’Andrea della Valle und den pompösen (und zugleich infernalischen Amtssitz) des Polizeichefs Scarpia im Palazzo Farnese wiedergibt. Die schauspielerischen Leistungen mit ihren zahllosen stimmigen Feinheiten, die überragenden sängerischen Leistungen sämtlicher Darsteller. Das grandiose Orchester unter der souveränen Stabführung des großartigen Marco Armiliato, das die sensiblen Gefühle der Tosca und Marios mit großer Feinfühligkeit und ebenso den Machtrausch des Scarpia und die überwältigende, mit der staatlichen Machtdemonstration durchtränkte Kirchenmusik samt Choral und Orgel intonierte. „Giacomo Puccini „Tosca“, Angela Gheorghiu,
Royal Opera House Covent Garden, 8. Februar 2022“
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Joyce DiDonato, Star des Abends, brilliert als Irene in Händels Oratorium "Theodora"

Unbestritten war Star des Abends Joyce DiDonato, die in „Theodora“ an der Londoner Royal Opera als Irene brillierte und einmal mehr ihre offenbar grenzenlose Vielseitigkeit unter Beweis stellte. Händels Oratorium in drei Akten war nicht als Bühnenstück gedacht – aber die Regisseurin Katie Mitchell, angeblich von feministischen Motiven beseelt, meisterte die szenische Umsetzung dieses anspruchsvollen Werkes hervorragend. Ein mehr als dreistündiger Marathon für die durchwegs hervorragenden Sängerinnen, Sänger und Publikum – aber eine Rarität auf der Opernbühne, und in höchster Qualität, wie man es denn auch in Covent Garden nicht anders erwartet.

Royal Opera House London, 7. Februar 2022

Georg Friedrich Händel, „Theodora“, Libretto: Thomas Morrell. Oratorium in drei Akten.

von Dr. Charles E. Ritterband (Text und Foto)

 Keine leichte Aufgabe, ein Oratorium szenisch so auf die Bühne zu bringen, dass nicht nur ein akustisches sondern auch ein optisches Erlebnis entsteht, das der erheblichen Länge dieses Werks standhält. Dem Publikum und vor allem den Darstellern wird viel abverlangt und die Längen in der zwar wunderschönen, aber passagenweise doch als eher repetitiv empfundenen Musik Händels, die meist mühsamen Texte (die man als Zuschauer sehr rasch ignoriert) und die bisweilen zähe, pathetische Handlung verlangen allen Beteiligten – diesseits, jenseits und im Orchestergraben – einiges ab.

Die Handlung wurde aus dem Alten Rom in die Jetzt-Zeit, in ein Hotel aus den 60er Jahren mit einem großen Speisesaal von bewusst öd-beigem 60er-Jahre Design (Bühne: Chloe Lamford) verlagert. Das Bühnenbild, auf einem Wagen montiert, ließ sich in beide Richtungen bewegen, was den Effekt eines Film-Schwenks bot und erfolgreich der gelegentlich aufkommenden Monotonie in Handlung und Musik entgegenwirkte. „Georg Friedrich Händel, „Theodora“,
Royal Opera House London, 7. Februar 2022“
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Begeisterungsstürme für „Nozze“ an der Royal Opera

Sprühend, humorvoll, eine Augen- und Ohrenweide – so präsentiert sich die Wiederaufnahme von David McVicar’s ebenso intelligenter wie sinnesfreudiger und eleganter Inszenierung der „Nozze“ an der Royal Opera Covent Garden unter dem bewährten Dirigat von Großmeister Antonio Pappano. Während man sich im fernen Wien – sowohl an der Staatsoper als auch im Theater an der Wien – mit den großen Werken des Opernrepertoires in akrobatischen Regietheater-Experimenten übt, setzt das Königliche Opernhaus in London in der Regel auf klare, klassische Inszenierungen. Und diese sind, vom Bühnenbild bis zu den Sängerinnen und Sängern, unterstützt vom fabelhaften Orchester der Royal Opera, von einer humorvollen Frische und feinfühliger Musikalität, die weltweit ihresgleichen sucht.

Wolfgang Amadeus Mozart, Die Hochzeit des Figaro (The Marriage of Figaro), Libretto: Lorenzo da Ponte, Royal Opera House London,  Januar 2022

Royal Opera House – Covent Garden, 25. Januar 2022

Wolfgang Amadeus Mozart, Die Hochzeit des Figaro

Orchester der Royal Opera
Antonio Pappano Dirigent
Chor der Royal Opera

von Dr. Charles E. Ritterband (Text und Foto)

 Einmal mehr wird in dieser Produktion die Verbindung zwischen Sprache und Musik deutlich: Die Besetzung der „Nozze“ an der Royal Opera stammt mehrheitlich aus Italien – und man hört es. Die Musikalität der Sängerinnen und Sänger ist kaum mehr zu übertreffen, und das temperamentvoll-feinfühlige Dirigat von Antonio Pappano machte diese Wiederaufnahme von  Mozarts vielleicht perfektester Oper zu einem wahrhaft unvergesslichen Erlebnis. Begeisterungsstürme des zwar überwiegend aber emotionell ganz und gar nicht zurückhaltenden Publikums widerspiegelten die überragende Qualität dieser Aufführung – und der größte Jubel beim Schlussapplaus galt völlig zu Recht der (physisch wie gesanglich) überragenden „Contessa“ der (wen wundert’s!) aus Italien stammenden Federica Lombardi.

Blick hinter die Kulissen des Schlosses

Ein Geniestreich des Altmeisters David McVicar ließ die Handlung beginnen, bevor sie eigentlich begann – nämlich während der Ouvertüre. Diese Oper ist, wie wir alle wissen, weit mehr als nur eine frivole Komödie um Liebe, Ehe, Ehebruch und Sex – es geht um das, was die Engländer (insbesondere seit der Kult-Fernsehserie „Downton Abbey“) unter dem Stichwort „upstairs downstairs“ einordnen: Jene, die sich (gesellschaftlich und physisch, in den englischen Herrenhäusern) „oben“ bewegen und jenen, die sich vor allem, außer wenn sie „die da oben“ bedienen, „unten“ aufzuhalten haben, in der Küche, im Weinkeller, in den Abstell- und Gesinderäumen. „W.A. Mozart, Die Hochzeit des Figaro,
Royal Opera House – Covent Garden, 25. Januar 2022“
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„Standing Ovations“ für neuen Star-Tenor Freddie de Tommaso an der Royal Opera

Der junge britisch-italienische Tenor Freddie de Tommaso – sein Name lässt eher an die Rock’n‘Roll – Szene der 50er Jahre denken als an die Opernbühne – ist der neue aufsteigende Stern der der renommiertesten Royal Opera (ROH) in Covent Garden. Er hatte am ROH bereits in der Saison 2016/2017 in „Meistersinger“ debütiert, doch sein Durchbruch erfolgte erst vor wenigen Tagen, als er den indisponierten Bryan Hymel in der Rolle des Cavaradossi kurzfristig ersetzte – und das anspruchsvolle Publikum der Royal Opera zu Begeisterungsstürmen hinriss. Wir hatten das Vergnügen, ihn zusammen mit der großartigen russischen Sopranistin Elena Stikhina in der Titelrolle zu erleben – eine Traumbesetzung.

The Royal Opera House, London, 15. Dezember 2021

Giacomo Puccini, „Tosca“

von Dr. Charles E. Ritterband (Text und Foto)

Die Tosca-Inszenierung des englischen Regisseurs Jonathan Kent, vor rund 15 Jahren auf die Bühne des Royal Opera House (ROH) gebracht, ist nicht mehr ganz taufrisch und, auch was das Bühnenbild (Paul Brown) betrifft, zwar prachtvoll und durchaus noch tragfähig, aber doch ausgesprochen konventionell. Fürs Unkonventionelle ist eher die in wenigen Gehminuten am Trafalgar Square erreichbare English National Opera an ihrer Spielstätte London Coliseum zuständig, während sich die ROH in Covent Garden für die Standardwerke im Repertoire doch eher an traditionelle Inszenierungen hält. Das wird vom Londoner Publikum durchaus goutiert und letztlich auch erwartet. Doch für Frische sorgte die fulminante Interpretation durch das Hausorchester des ROH unter der souveränen Stabführung der jungen ukrainischen Dirigentin Oksana Lyniv. „Giacomo Puccini, Tosca,
The Royal Opera House, London, 15. Dezember 2021“
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