Tritt den Sprachpanschern ordentlich auf die Füße! Gern auch unordentlich. Der Journalist und Sprachpurist Reinhard Berger wird unsere Kultur nicht retten, aber er hat einen Mordsspaß daran, „Wichtigtuer und Langweiler und Modesklaven vorzuführen“. Seine satirische Kolumne hat er „Der Schlauberger“ genannt.
von Reinhard Berger
„Bevor du in den Lautraum gehst“, sagte ich zu meinem Enkel, „zieh eine saubere Doppelkappnahthose an. Und bleib nicht wieder an der Personenvereinzelungsanlage hängen.“ Wenn er so voller Vorfreude ist, verwechselt er das gern mal mit der Abstandseinhaltungserfassungsvorrichtung. Aber die wird ihm ja wohl kaum begegnen. Jedenfalls warne ich immer: „Sei vernünftig, benutze die bedarfsgesteuerte Fußgängerfurt.“
Das sind sie. Die Sahnehäubchen unserer verbeamteten Sprachartisten. Und hier ist die Übersetzung:
Mein Enkel will in eine Disco und zieht seine saubere Jeans an. Die Doppelkappnahthose stammt noch aus DDR-Beständen. Jedenfalls warne ich ihn vor dem Drehkreuz am Eingang, das ihn schon mal jäh gestoppt hat. Vorsichtshalber soll er die Straße nur an der seltsamen Furt, der Fußgängerampel, überqueren.
Und was ist eine Abstandseinhaltungserfassungsvorrichtung? Raten Sie mal:
a) Querstreifen auf der Autobahn, immer vor Brücken, um Drängler zu entlarven.
b) Markierung vor einem Schalter (Bank/Post).
c) ein Zollstock.
Ich mag es, mich an diesem verstaubten Geschwurbel abzuarbeiten. Selbst auf die Gefahr, eines Tages in Schließzangen abgeführt zu werden. Also in Handschellen. Und glauben sie mir: Alles hier Zitierte ist echt. Ich habe nichts erfunden.
Auch diesen Hinweis aus einem Merkblatt der deutschen Post nicht. Wetten, dass Sie nicht wissen, was ein Wertsack ist? Aber ich! „Der Wertsack ist ein Beutel, der aufgrund seiner besonderen Verwendung nicht Wertbeutel, sondern Wertsack genannt wird, weil sein Inhalt aus mehreren Wertbeuteln besteht, die in den Wertsack nicht verbeutelt, sondern versackt werden.“
Das lernen Sie bis zum nächsten Mal auswendig.
Inzwischen werfe ich einen Blick auf die Genderdiskussion. Wer kennt sich da besser aus als der Lehrerverband: „Besteht ein Personalrat aus einer Person, so erübrigt sich die Trennung nach Geschlechtern.“ Das Leben kann ganz einfach sein. Und wenn es zu Ende ist, tritt das Bundesreisekostengesetz in Kraft: „Stirbt ein Bediensteter während der Dienstreise, so ist die Dienstreise beendet.“
Und wer bezahlt das alles? Das weiß das Landgericht Rheinland-Pfalz: „An sich nicht erstattbare Kosten des arbeitsgerichtlichen Verfahrens erster Instanz sind insoweit erstattbar, als durch sie erstattbare Kosten erspart bleiben.“ Aber natürlich nur auf Antrag. Wie in einem Formular des Postgirodienstes: „Persönliche Angaben zum Antrag sind freiwillig. Allerdings kann der Antrag ohne die persönlichen Angaben nicht weiter bearbeitet werden.“ Basta!
Seien Sie bitte mal gespannt: Sprachliche Placebos
Haben Sie schon mal was von verbalen Placebos gehört? Hier ist eins aus einem bedeutenden Online-Magazin: „Man darf gespannt sein, welche Ideen in den kommenden Monaten und Jahren auf den Markt kommen.“
Junge, Junge, das haut rein, was? Volle Lotte ins sprachliche Vakuum. Und dann auch noch „man“. Nicht etwa „ich“ oder „ihr“ oder „Sie“. Nee. „Man“ darf. Und zwar gespannt sein.
Placebos halt. Sie nützen nix, tun keinem weh und füllen ruckzuck die Spalten. So wie dieser äußerst beliebte Leersatz: „Bleibt abzuwarten, was noch alles passiert.“ Hammerhart, gell? Das einzig Erfreuliche an diesem Satz ist, dass er ohne „man“ auskommt.
Unterm Strich bleibt für mich übrig: Gespannt zu sein und abzuwarten ist ja nicht verboten, stimmt’s?
Ich habe übrigens auch so einen gewaltigen Satz erfunden, den ich Ihnen schenke und den Sie gefahrlos verwenden dürfen: „Die Sonne geht im Osten auf.“
Und ich füge hinzu: Meistens.
Reinhard Berger, 29. August 2020,
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
aus: HNA
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Allerleikeiten
Reinhard Berger, geboren 1951 in Kassel, Journalist, Buchautor, Hunde- und Hirnbesitzer.
Vergänglichkeiten: Vor dem Ruhestand leitender Redakteur der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen (HNA).
Herzlichkeiten: verheiratet, zwei Söhne, zwei Schwiegertöchter, drei Enkel, ein Rottweiler.
Anhänglichkeiten: Bach, Beethoven, Bergers Nanne (Ehefrau).
Auffälligkeiten: Vorliebe für Loriot, Nietzsche, Fußball, Steinwayflügel, Harley-Davidson.
Öffentlichkeiten: Schlauberger-Satireshow, Kleinkunstbühne.
Alltäglichkeiten: Lebt auf einem ehemaligen Bauernhof.
www.facebook.com/derschlauberger