Der Schlauberger 16: Die Geldmasche – warum der goldene Mittel-Weg so beliebt ist

Der Schlauberger 16  klassik-begeistert.de

Tritt den Sprachpanschern ordentlich auf die Füße! Gern auch unordentlich. Der Journalist und Sprachpurist Reinhard Berger wird unsere Kultur nicht retten, aber er hat einen Mordsspaß daran, „Wichtigtuer und Langweiler und Modesklaven vorzuführen“. Seine satirische Kolumne hat er „Der Schlauberger“ genannt.

von Reinhard Berger

Geld ist bä! Das nimmt man nicht in den Mund. Am besten auch nicht in die Hand. Sie dürfen höchstens mal dran schnuppern, denn angeblich stinkt es nicht.

Aber es gibt eine Alternative. In einem Leserbrief erfuhr ich, dass Tierheime Finanzmittel brauchten. Aha, entfuhr es mir, die wollen Geld! Es traut sich nur keiner, das zu sagen.

Erfunden haben diesen sprachlich interessanten Ersatz kluge Politiker und Verwaltungen. Weil Geld bä! ist, bemühen sie die Mittel. Steigerung: finanzielle Mittel.

Das kommt vermutlich von mittellos, also bar jeder Mittel. Umgangssprachlich: Wenn jemand keine Kohle hat. Kohlelos klingt ja wohl albern.

Allerdings habe ich auf der Suche nach dem goldenen Mittel-Weg eine Ausnahme entdeckt: Wenn es um Investitionen geht, drohen Politiker gern damit, Geld in die Hand zu nehmen. Unser Geld!

Hui, da bekomme ich eine Gänsehaut.

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Ziemlich quer, ziemlich kreuz: Auf unseren Straßen ist der Teufel los

Jawohl, der Teufel ist los. Auf den Straßen. Schlagzeilen aus meinem Archiv bestätigen das, alles

doppeldeutige Klippen aus Zeitungen, die leicht zu Stolpersteinen werden können. Zum Beispiel diese Dame. Sie muss mächtig viel Dampf gehabt haben: „Frau rammt Wohnmobil. Drei Verletzte.“ Da macht mein Vorstellungsmögen Bocksprünge. Genauso wie bei dieser Meldung: „83-Jähriger rammt Auto und flüchtet.“ Hui, der war aber gut drauf. Mensch gegen Maschine, das ist verdammt mutig.

Erschreckend: „Betrunken, ohne Jacke und auf Socken hat eine Polizeistreife einen 53-Jährigen aufgegriffen.“ Betrunken, na gut. Aber nur auf Socken im Dienst, das geht gar nicht.

Andererseits: Sie haben’s wirklich nicht leicht, unsere Wahrer der öffentlichen Ordnung. Wer da mental nicht gefestigt ist, kommt schon mal ins Grübeln: „Leiche beim Spaziergang entdeckt“, stand in der Zeitung. Ein Zombie? Gibt’s nur im Film. Drogen? Nee, sind gerade verhökert worden: „Heroin der Kripo zum Kauf angeboten.“

Also Wahrnehmungsstörungen. Gibt’s übrigens auch in der Jahreshauptversammlung der Arbeitnehmervertretung. „Gewerkschaft: Begrüßung und Ehrung verstorbener Kollegen.“ Ehrung ist ja okay. Aber: Haben Sie schon mal einem Toten „Guten Tag“ gesagt? Die Deutsche Kriegsgräberfürsorge kennt sich da besser aus. „Volksbund: Tote suchen Angehörige“, wollte uns eine Meldung weismachen. Ich weiß ja nicht.

„In Marburg lebender Gewalttäter ist tot“ ist genau so mysteriös. Herrschaftszeiten. Wenn er tot ist, kann er nicht mehr in Marburg leben. Oder es gibt doch Zombies.

Ich bin eher für was Handfestes: „Opfer hatte Glück, Messerstich war gefährlich.“ Endlich mal ’ne gute Nachricht. Denn manchmal hat das Leben auch seine Sonnenseiten: Einer der bekanntesten Knastbrüder Brandenburgs durfte endlich raus. Aber das neue Leben begann holprig: „Wegen Altersdiabetes musste ihm der linke Unterschenkel amputiert werden. Seitdem war er faktisch auf freiem Fuß und tourte quer durch die Republik.“

Aber auch in der Geschäftswelt geht es brutal zu: „Schaufenster von Juwelier eingeschlagen.“ Und nun frage ich mich: Hat der Juwelier keine andere Möglichkeit, an seine Auslage zu kommen? Auch wenn die Scheibe von der Versicherung bezahlt wird? Um eine völlig neue Art von Gewalt ging es in dieser Schlagzeile: „Schlägerei mit Pfefferspray.“ Jetzt prügeln sie sich sogar schon mit Spray aus der Dose.

Wie brutal unsere Welt ist, wird in einer Meldung aus einem früheren ZDF-Mittagsmagazin deutlich: „In Malmö kommt es immer wieder zu Schießereien mit Toten.“ Nicht minder zimperlich geht diese Zeitungsmeldung mit der Polizei um: „Toter bei Unfall mit Polizeiauto im Einsatz“. Natürlich war kein Toter eingesetzt worden.

Merkwürdig war auch diese Nachricht: „So hat er sich nach einem Unfall mit mehreren Toten aufs Rad gesetzt und ist vier Stunden durch die Gegend gefahren.“ So große Fahrräder gibt es doch gar nicht.

Mir reicht’s für heute.

Reinhard Berger, 5. September 2020, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
aus: HNA

Der Schlauberger 14: Der Ort für Denker hat jetzt einen Föhn – Delikatessen vom Klo

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Reinhard Berger

Allerleikeiten
Reinhard Berger, geboren 1951 in Kassel, Journalist, Buchautor, Hunde- und Hirnbesitzer.
Vergänglichkeiten: Vor dem Ruhestand leitender Redakteur der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen (HNA).
Herzlichkeiten: verheiratet, zwei Söhne, zwei Schwiegertöchter, drei Enkel, ein Rottweiler.
Anhänglichkeiten: Bach, Beethoven, Bergers Nanne (Ehefrau).
Auffälligkeiten: Vorliebe für Loriot, Nietzsche, Fußball, Steinwayflügel, Harley-Davidson.
Öffentlichkeiten: Schlauberger-Satireshow, Kleinkunstbühne.
Alltäglichkeiten: Lebt auf einem ehemaligen Bauernhof.


www.facebook.com/derschlauberger

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Satirische Rätsel für Ausgeschlafene mit Lexikon für Sprachpanscher.
Wartberg-Verlag

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