Tritt den Sprachpanschern ordentlich auf die Füße! Gern auch unordentlich. Der Journalist und Sprachpurist Reinhard Berger wird unsere Kultur nicht retten, aber er hat einen Mordsspaß daran, „Wichtigtuer und Langweiler und Modesklaven vorzuführen“. Seine satirische Kolumne hat er „Der Schlauberger“ genannt.
Hurra, schon wieder ein neues Wort! Dozierende. Also Dozenten und Dozentinnen. Logisch. Nachdem die Studenten abgeschafft worden sind, wurde es höchste Zeit, auch die Dozenten von der sprachlichen Landkarte zu tilgen. Und so las ich auf Bento.de, dem jungen SPIEGEL-Portal: „Zur Wissenschaftsfreiheit gehört auch der direkte Diskurs zwischen Dozierenden und Studierenden.“ Vereinfacht ausgedrückt: den Sprechenden und den Zuhörenden, also den Diskutierenden.
Aber Vorsicht, Falle: Bei Fußballerinnen und Fußballern klingt die gendergerechte Sprache nicht so toll. Die Fußballernden könnten den Fan eher irritieren. Der Fan? Hoppla, männlich! Aber ganz ruhig. Der Duden erklärt: „Begeisterter Anhänger, begeisterte Anhängerin von jemandem.“ Alles ist wieder gut.
Eins noch: Teilnehmende an einer Protestkundgebung sind? Protestierende.
Mag sein, dass auch ein paar Protestanten dabei sind.
Mehr davon im „Lexikon für Sprachpanscher“ in meinem neuen Buch „Rädzelhaft“.
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Die Küchenmaschine, klinisch getestet: Über Herausforderungen und Rotlichtviertel
Meine Zahnpasta ist klinisch getestet. Von Leuten in weißen Kitteln. Na, dann ist ja alles gut, dachte ich und fiel voll auf den Trick rein. Der Witz ist nämlich: Das mit dem Test mag ja stimmen. Aber das Ergebnis, das verraten sie mir nicht, die Weißkittel. Vielleicht habe ich gerade den größten Dreck gekauft, ich Depp. Weil ich für ein paar Sekunden nicht misstrauisch genug war.
Deshalb: Hier ist meine Rache, hier sind die nervigsten Floskeln der Saison:
Auf Platz 1 steht ganz klar der Hohlraum aller Hohlräume: Die Herausforderung. Der Klimawandel ist eine, das Stellenangebot, der Fachkräftemangel, die Wanderung im Himalaya. Sogar der Wanderschäfer steht angesichts der Wölfe vor einer.
Herausforderung – ein Wort wie eine Küchenmaschine, mit der du alles machen kannst: vom Milchmixen bis zum Möhrenreiben. Irgendwas passt immer.
Auch in der Politik mit ihrer Königsdisziplin, der Rhetorik: „Das Schaffen von bezahlbarem Wohnraum ist die zentrale Herausforderung in dieser Stadt“, hat die Baubürgermeisterin von Leipzig gesagt (Quelle: SZ online) und damit bewiesen, dass auch mit wenigen Worten unfassbar viel heiße Luft produziert werden kann. Und: Es ist ihr gelungen, den bezahlbaren Wohnraum gleich mit abzufeiern. „Bezahlbarer Wohnraum“ ist wie die klinisch getestete Zahnpasta. Beliebig. Jeder Wohnraum ist bezahlbar. Nur nicht von jedem.
Damit ist auch Platz 2 meiner Liste erledigt.
Neuerdings beobachtete ich, wie ein uraltes Geschwür der Rhetorik wieder aufgebrochen ist: Die öffentliche Hand. Das Haus Hohenzollern, so las ich kürzlich, verhandelt mit der öffentlichen Hand wegen der Rückgabe von Gegenständen. Bitte verstehen Sie mich nicht falsch: Das heißt nicht, dass jemand die Hand aufhält. Dann wäre sie ja nichtöffentlich. Öffentliche Hand heißt nicht, dass jeder mal zugreifen darf.
Und wenn’s doch mal passieren sollte, kommt er zuerst hinter Gitter und dann, hoffentlich, auf freien Fuß. Genau genommen auf zwei freie Füße. Sie kennen ja das Sprichwort: Auf einem freien Fuß kann man nicht stehen. Ein gutes Standvermögen brauchen auch unsere unentbehrlichen Helfer wie Feuerwehr, Technisches Hilfswerk, DLRG und viele andere. Damit sie im richtigen Moment das Richtige tun, müssen sie den Ernstfall proben. Ja was denn sonst? liebe Leute.
Und in der Übungspause ist meistens fürs leibliche Wohl bestens gesorgt. Bitte ziehen Sie keine falschen Schlüsse. Das heißt nicht, dass Angehörige des Rotlichtviertels eingeladen worden sind.
Eine Zugabe für Korinthenkacker habe ich noch: Kürzlich las ich über eine studierte Chemikerin, einen gelernten Malermeister und sogar eine gelernte Lehrerin und behaupte kühn: Wenn sie Chemikerin ist, muss sie studiert haben. Und ein Malermeister wird nur Malermeister, wenn er’s gelernt hat. Genauso wie die Lehrerin.
So. Bevor Sie mich der Klugscheißerei bezichtigen, sage ich: Jetzt reicht’s.
Reinhard Berger, 11. Juli 2020, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
aus: HNA
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Allerleikeiten
Reinhard Berger, geboren 1951 in Kassel, Journalist, Buchautor, Hunde- und Hirnbesitzer.
Vergänglichkeiten: Vor dem Ruhestand leitender Redakteur der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen (HNA).
Herzlichkeiten: verheiratet, zwei Söhne, zwei Schwiegertöchter, drei Enkel, ein Rottweiler.
Anhänglichkeiten: Bach, Beethoven, Bergers Nanne (Ehefrau).
Auffälligkeiten: Vorliebe für Loriot, Nietzsche, Fußball, Steinwayflügel, Harley-Davidson.
Öffentlichkeiten: Schlauberger-Satireshow, Kleinkunstbühne.
Alltäglichkeiten: Lebt auf einem ehemaligen Bauernhof.
www.facebook.com/derschlauberger