"Musikstadt Hamburg": In der Hamburgischen Staatsoper lodern wieder Esprit, Passion und Feuer

Die Hamburgische Staatsoper: Aufbruch zu neuen Ufern, Spielzeit 2025/26  Hamburg, 5. März 2025

Die Hamburgische Staatsoper, 5. März 2025

Foto: DIESE 3 MÄNNER SOLLEN DIE HAMBURGISCHE STAATSOPER WIEDER AUS DER BEDEUTUNGSLOSIGKEIT HOLEN: DEMIS VOLPI (v.l.), TOBIAS KRATZER UND OMER MEIR WELLBER.
Foto© Patrik Klein, klassik-begeistert

von Andreas Schmidt

In der Hamburgischen Staatsoper lodert – endlich !!! – wieder das Feuer der Leidenschaft. Ab der kommenden Spielzeit 2025/26 nehmen der deutsche Star-Regisseur Tobias Kratzer, der israelische Generalmusikdirektor Omer Meir Wellber und  der bereits im Amte fungierende Intendant des Hamburg Balletts, Demis Volpi, das Heft in die Hand. Vielmehr sind sie alle jetzt schon mächtig am Hackeln und bester Dinge, die sehr traurigen und desaströsen letzten zehn Jahre unter der Ägide des Schweizers Georges Delnon und des US-amerikanischen GMDs Kent Nagano vergessen zu machen… und zu neuen Alsterufern aufzubrechen.

Delnon, bald 67, und Nagano, 73, hatten die Staatsoper Hamburg künstlerisch, musikalisch, motivationsmäßig sowie vom Standing und Führungsstil her in die untere 2. deutsche Opern-Liga schlittern lassen. Delnon ließ jede Führungsqualität vermissen und inszenierte ganze 1,3 Werke; Nagano machte zuletzt vor allem eine sehr schwere Krankheit zu schaffen… und er identifizierte sich – mit Erstwohnsitz in Paris und Zweitwohnsitz in San Francisco – auch nie wirklich mit dem Haus an der Dammtorstraße im Norden Deutschlands. Hamburg, das war für ihn: schnell hin und noch schneller zurück.

© Patrik Klein

Beide Herren waren in Hamburg nie richtig bei der Sache!… obwohl Delnon 7,5 Minuten zu Fuß von der Staatsoper wohnt.

Paradigmenwechsel: Aus Schlaftabletten wurden energiegeladene Ideenträger

Das wird jetzt sicherlich anders! Meir Wellber und Kratzer sprühten bei Präsentation der neuen Spielzeit nur so vor Tat- und Willenskraft – erschienen waren zu dieser „Pressekonferenz“ rund 8 Medien und rund 150 Freunde und Förderer und Mitarbeiter der Staatsoper; es gab aufwendige Brötchen, auch mit Roast Beef, und für jeden eine Leinentasche mit der Aufschrift „Die Hamburgische Staatsoper“ – das ist die neue Firmierung.

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Tobias Kratzer, Erschaffer zahlreicher hochgelobter Inszenierungen, zeigte sich, ganz in Schwarz und natürlich mit einer Schirmmütze, in einem stylischen schwarzen, tief aufgeknöpftem Oberhemd, extrem energiegeladen und hoch motiviert. Er ist auch rhetorisch ein Outperformer und trug frei, frisch und fröhlich seine Vision, sein Programm, seine Leidenschaft für ein Opernhaus im Wandel vor.

Für eine Bürgeroper in der Perle an der Elbe

Kratzer erinnerte in den Opern-Werkstätten und im Fundus in Hamburg-Rothenburgsort an das „experimentellste Opernhaus in Deutschland unter dem Schweizer Komponisten Rolf Liebermann“ (erstmals 1959 bis 1973), gedachte auch eines seiner Regie-Vorbilder, Peter Konwitschny (* 21. Januar 1945 in Frankfurt am Main). „Humor, Intelligenz und Werktreue zeichnen auch seine Werke aus“, sagte der gebürtige Landshuter, 45.

Kratzer (Regie) und Meir Wellber (Musikalische Leitung) starten in die neue Saison mit „Das Paradies und die Peri“ von Robert Schumann, komponiert 1843 – ein weltliches Oratorium, das (fast) nie als Oper aufgeführt wird. Der Verfasser dieser Zeilen hat es mit dem Symphonischen Chor Hamburg schon 4 Mal gesungen, in Hamburg (Laeiszhalle), Flensburg und Sonderborg, DK – die Musik Schumanns fesselt, reißt mit, berührt und ist höchst romantisch. Ein Auftakt, der Hoffnung macht und sehr neugierig. Die Premiere steigt am Samstag, 27. September, um 20 Uhr in der Hamburgischen Staatsoper. Dauer: ca. 1:40 Minuten, ohne Pause.

Kommen wir zu Omer Meir Wellber, 43. Ich habe ihn schon mehrfach in Wien und Hamburg gehört, erlebt und war immer begeistert von seiner Vitalität, seiner Leidenschaft, seiner vollkommenen Begeisterung für die Musik und den Klangkörper – er spricht auch sehr schnell, mit englischen Versatzstücken.

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Nachhaltig in Erinnerung bleibt mir ein Dirigat Wellbers im Wiener Konzerthaus vor knapp 2000 Zuschauern am 1. Januar 2024: Er zelebrierte, er tanzte, er atmete, er betete mit Ludwig van Beethoven die 9. Sinfonie „Freude schöner Götterfunken“ und hinterließ ein beseeltes Publikum in das Neue Jahr. Wellber verlässt in Wien die Volksoper Wien (die ihn gerne länger gehalten hätte) und ist justement in seine neue Hamburger Wohnung eingezogen: in Winterhude unweit der Alster. „Ich liebe Grün und Wasser“, sagte mir der Israeli, „und ich kann mit dem Fahrrad zur Oper fahren.“

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Omer Meir Wellber (hebräisch עומר מאיר ולבר; geboren am 28. Oktober 1981 in Be’er Scheva, Israel) ist ein israelischer Dirigent, schreibt wikipedia. Gleichzeitig zu seiner Verpflichtung als GMD des Philharmonischen Staatsorchesters Hamburg ist er Music Director des Teatro Massimo in Palermo, Sizilien.

Möge ein leergespieltes Haus mit vielen demotivierten Mitarbeitern wieder in die Spitzenliga aufsteigen –
Hamburg hätte es verdient

Die Staatsoper Hamburg hat in den letzten Jahren viele, viele Zuschauer verloren. Ich saß zuletzt immer wieder in Repertoire-Vorstellungen, bei denen mehr als 70 Prozent der Sitze leer blieben. Bei den richtigen Voll-Zahlern sah die Quote noch schlimmer aus. Delon und Nagano, beide gesundheitlich angeschlagen, haben den einstigen Stolz der Freien und Hansestadt verwaisen lassen. Leider hat Senator Dr. Carsten Brosda, SPD, 50, geboren in Gelsenkirchen – er hielt eine vorzügliche ! Rede und warb für Risikobereitschaft: „No risk, no fun!“ – nie die Reißleine gezogen, und diese maßgeblich – faulen und falschen – Verantwortlichen für den CRASH der Hamburgischen Staatsoper über die Elbe geschickt.

© Patrik Klein

Ich fragte Tobias Kratzer, ob er eine Zielvorgabe für Steigerungen der Auslastungskapazität habe. Mit seinem bayerischen Humor antwortete er schlicht und ergreifend: „Nein!“ Der Bald-Intendant sagte mir im Zwiegespräch, er wolle auf dem Guten seiner Vorgänger aufbauen – und noch viel Gutes hinzufügen.

Viele Künstler sagen: „Wenn jemand Hamburg in den Griff bekommt, dann der Tobias!“

RISIKO gehen Herr (sicher auch zukünftiger) Kultursenator und seine Angestellten Kratzer  und Wellber indes ein: Sie spielen bei den Premieren viel Unbekanntes (etwa Michail Glinka: Ruslan und Ljudmila und eine Uraufführung namens Monster’s Paradise – Libretto: Elfriede Jelinek, Komposition: Olga Neuwirth); der GMD will Kompositionen verändern: sprich umkomponieren lassen; in die Oper soll mehr Leben, mehr Diskurs, mehr Hintergrund, wohl auch mehr Streit-Kultur.

© Patrik Klein

Macht das – ALTE – Hamburger, vorwiegend (gut-)bürgerliche Publikum das mit?

So soll etwa in der Elphilharmonie beim Philharmonischen Konzert im
3. Klavierkonzert Ludwig van Beethovens im zweiten Satz eine Uraufführung von Stephen Hough erklingen…

Na, dann, schaun mer mal. Mit den Symphonikern Hamburg sind solche Experimente 2022 bei der 9. Sinfonie van Beethovens mit Buhrufen und Unruhe im Publikum während der Aufführung am Neujahrstag in der Laeiszhalle gescheitert. Eine Neunte ist halt eine Neunte.

Wellber sagte: „Im Musikbusiness ist es in den letzten Jahren immer weniger um Spaß gegangen.“ Seine Vision sei es, dass wir „wie Kinder offen und freudig in ein Konzert gehen“.

Andreas Schmidt, 5. März 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Ein Abend mit Tobias Kratzer, dem neuen Chef der Hamburger Staatsoper, Gespräch mit Florian Zinnecker, Ressortleiter der Zeit Universität Hamburg, 8. Juni 2024

Auf den Punkt 17: Omer Meir Wellber besteht die Mozart-Mutprobe an der Staatsoper Hamburg klassik-begeistert.de, 22. Juni 2024

Auf den Punkt 1: Omer Meir Wellber, Kirill Gerstein, NDR Elbphilharmonie Orchester klassik-begeistert.de, 18. April 2024

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