Walküre, Bayreuther Festspiele 2023 © Enrico Nawrath
Der Dirigent Pietari Inkinen lässt seine Streicher wie wilde Rennpferde hinter Brünnhilde herlaufen, Christa Mayers Fricka deklassiert selbst den weltbesten Wotan. Bayreuth rast weiterhin im sicheren Siegeskurs an die Spitze der diesjährigen musikalischen Richard-Wagner-Meisterschaften! Und diesmal überzeugt auch die umstrittene, dennoch intelligente Inszenierung von Regisseur Valentin Schwarz!
Festspielhaus Bayreuth, Bayreuther Festspiele, 27. Juli 2023
Die Walküre
Musik und Libretto von Richard Wagner
von Peter Walter
Selten hat eine Fricka mit den wenigen Worten ihrer recht kleinen Rolle den Göttervater dermaßen deklassiert. Doch Christa Mayer beherrscht die Bühne auch am zweiten Ring-Abend mit beispielloser Brillanz. „Laß von dem Wälsung!“: Das ist bei ihr keine Bitte einer bangenden Frau, sondern ein Befehl der eigentlichen Herrscherin von Walhall. Dagegen ist selbst Tomasz Konieczny, der beste Wotan der Welt, machtlos!
Auch Elisabeth Teige als Sieglinde räumt ab wie keine andere. Ihr dramatischer, intensiver Sopran leuchtet sonnenwarm in alle Ecken des Hauses. Draußen herrscht Wetter wie im frostigen Winter, innen strahlt eine stimmliche warme Sommersonne! Zum absoluten Highlight des Abends wird ihr Auftritt im dritten Aufzug: Verzweifelt, hilflos singt sie um ihr Leben mit dem frisch geborenen Siegfried in den Armen. Diese Stimme spürt man so richtig doll unter der Haut!
Dagegen hatte der wohl beste Siegmund der heutigen Zeit, Klaus Florian Vogt, sicherlich schon bessere Tage. Vor seiner schwesterlichen Braut musste der Wälsung nicht nur um Nothung, sondern auch gegen die tenorale Höhe seiner Rolle kämpfen, einmal gar ein Wörtchen verschlucken.
Nun gut, was für Vogt ein „schlechter Tag“ ist, wäre für andere eine einzigartige Traum-Leistung gewesen. Ich erinnere mich noch genau an Usain Bolts Fehlstart und anschließende Disqualifikation bei einer Leichtathletik-WM. Kann alles mal passieren, Bolt wie Vogt sind trotzdem unangefochtene Meister ihres Fachs.
Umso stärker war dafür Georg Zeppenfeld als Hunding. Der Marathon-Bass-Sänger meisterte den mysteriösen Wirt mit makelloser Textverständlichkeit und glasklarer Melodei. „Hunding heißt der Wirt“, und Hunding heißt auch der Meister im Haus! Seine donnernden „Wehwalt“-Rufe stellen klar, gegen wen Siegmund zum Kampf und Streite zieht. Wenn schon diese eher nebensächliche Rolle so einen donnernden Applaus hervorruft…
Und der Göttervater des Abends, Tomasz Koniecznys Wotan, muss sich seiner Gemahlin zwar ergeben. Doch kaum hat diese ihr Machtwort gesprochen, beherrscht er wieder die Bühne wie der scheinbar unangefochtene Herrscher der Götterwelt. Seine Stahlkraft-Stimme verlangt mit scheinbar endlosen Kräften „das Ende“ und donnert der Götterdämmerung entgegen.
Aber er kann auch anders: In seinem liebevollen Abschied von seiner Lieblingstochter entpuppt er seinen wahren Willen der Liebe, das rührt einen zu Tränen. Er ist eben zerrissen zwischen Macht und Liebe. Ein Wotan par excellence!
Die Lieblingstochter selbst, Brünnhilde, ist eine starrköpfige Kriegerin und folgt der Liebe Macht. Trotz etwas schwieriger Textverständlichkeit überzeugt Catherine Foster mit einem insgesamt kämpferischen Auftritt in der Titelrolle. Wie auf einem galoppierenden Pferd stürzt sie sich in die „Hojotoho!“-Rufe und reißt das Publikum mit auf ihr Ross. Auch ihre acht Walküren-Schwestern scheinen mächtig Spaß am Walküren-Ritt zu haben. Würden sie mit dieser Stimmstärke auch Wotans eigentlichen Willen verteidigen, die Tyrannei des Göttervaters hätte sofort ein Ende. Tun sie aber nicht, das wollte Wagner so nicht.
Wie schon am Vorabend wird der Dirigent Pietari Inkinen zum Helden des Abends. Seine Streicher lässt er wie wilde Rennpferde hinter Brünnhilde herlaufen, genau das, was eine feurige Walküre braucht. Da muss man sich sehr fest im Sattel anschnallen, um bei diesem turbulenten Ritt durch Walhall nicht vom Hocker zu fliegen! Auch mit den schwebenden Schicksalsmotiven malt er eine mysteriöse Stimmung im Saal und zaubert magische Gänsehaut-Momente herbei. Bayreuth rast weiterhin im sicheren Siegeskurs an die Spitze der diesjährigen musikalischen Richard-Wagner-Meisterschaften!
Nun das Beste zuletzt: Die Inszenierung. Gab es im Rheingold regietechnisch noch wenig zu feiern und – nicht im positiven Sinne – viel zu lachen, so füllt Valentin Schwarz den zweiten Ring-Abend mit intelligenten Einfällen und stimmigen Erklärungen der Handlung. Allein schon die Charakterisierung Wotans: Erst erschießt er seinen eigenen Sohn, dann schmeißt er im Feuerzauber noch Fricka den Ehering vor die Füße. Das sind zwar keine schönen Szenen. Aber es ist einfach die bittere Realität dieser Handlung. Manch eingefleischte Wagnerianer wollen es vielleicht nicht glauben. Aber diese Walküre erzählt die Geschichte einfach, wie sie ist.
Somit wird also auch die Walküre zum vollen Erfolg für das neue alte Wagner-Mekka. Für die zweite und dritte Walküre gibt es noch Karten… warum eigentlich? Liebe Wagner-Fans, bis vor kurzem musstet ihr noch jahre- und jahrzehntelang auf Karten für die Festspiele auf dem heiligen Hügel warten. Nun habt ihr die – hoffentlich – einmalige Gelegenheit, diese fabelhafte Walküre ganz ohne Wartezeit zu sehen!
Peter Walter, 28. Juli 2022 für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Das Rheingold, Musik und Libretto von Richard Wagner Bayreuther Festspiele, 26. Juli 2023
Richard Wagner, Parsifal (Eröffnung) klassik-begeistert.de, 26. Juli 2023
Richard Wagner, Parsifal Bayreuther Festspiele, 25. Juli 2023 (Eröffnung)