Alessio Arduini (Don Giovanni) und Erwin Schrott (Leporello) (Foto: RW)
Das Ensemble agierte wie bei einer Don Giovanni-Aufführung erwartbar. Die Sängerinnen und Sänger kannten ihre herkömmlichen Aufgaben, so dass man sich ganz auf die gesangliche Leistungen konzentrieren konnte. Und Mozarts Don Giovanni bietet eine Fülle großartiger musikalischer Momente.
Don Giovanni, Dramma giocoso in zwei Akten (1787)
Text von Lorenzo Da Ponte
Musik von Wolfgang Amadeus Mozart
Philharmonisches Staatsorchester Hamburg
Musikalische Leitung: Francesco Ivan Ciampa
Inszenierung: Jan Bosse, Bühne: Stéphane Laimé, Kostüme: Kathrin Plath
15. Aufführung seit der Premiere am 20. Oktober 2019
Staatsoper Hamburg, 3. November 2024
von Dr. Ralf Wegner
Selten habe ich so eine sinnentleerte Inszenierung gesehen, eingeschlossen das Bühnenbild und die Kostüme, wie bei der 2019 premierten Fassung von Mozarts Meisterwerk Don Giovanni. Auch die jetzt zum dritten Mal gesehene Vorstellung (nach 2019 und 2022) ließ mich nicht nur ratlos zurück, sondern geriet, auch wegen nach wie vor bestehender handwerklicher Fehler, zum Ärgernis.
Ständig bewegte sich die Drehbühne, vor allem während der zahlreichen Arien. Dovlet Nurgeldiyev (Don Ottavio) musste seine Arie Dalla sua pace la mia dipende im Schritttempo zurücklegen und verschwand zeitweise am linken Bühnenrand. Denn beim Halten oder Anschwellen der Töne blieb er stehen, um sich ganz auf seine (hervorragende) Gesangsleistung konzentrieren zu können. Auch Blendung der Zuschauer mit Lampen oder Scheinwerfern halte ich für zu kritisierendes inszenatorisches Handwerk.
Für den Ballakt hatte sich die Kostümbildnerin auch für die Männer glitzernde Röcke ausgedacht, die nicht nur Don Ottavio der Lächerlichkeit preisgaben, sondern ebenfalls einige Orchestermitglieder, die zum Aufspielen die Bühnen betraten. Aber nicht alle, manche von ihnen hatten sich offenbar geweigert, sich so veralbern zu lassen. Was sollte das. Don Giovanni (Alessio Arduini) durfte dagegen einen Anzug tragen. Er wäre als einziger Mann unter Entmannten zu interpretieren, wenn nicht Erwin Schrott als Leporello ebenfalls von den Silberröckchen verschont geblieben wäre.
Das Bühnenbild bestand aus Halbzylindern, die sich im Kreise drehten (Drehbühne) und jeweils eine andere Sicht auf das Geschehen zuließen. Seitlich blieben diese Elemente versetzt, so dass stets auch die Haltegerüste zu sehen waren. Äußerlich gab es eine Bemalung bzw. Projektion mit offenbar verfallenden, fast ruinös wirkenden Hausstrukturen, deren Fenster zum Teil zu öffnen, häufig aber auch vermauert waren. Nur Don Giovannis Festsaal war eine silbrige Rückwand vergönnt, was an einen Kinosaal der 1950er Jahre erinnerte.
Von Anfang an trat eine Schauspielerin (Swana Rode) auf, die jede Szene begleitend beobachtete, manchmal, wie bei Giovannis Champagnerarie, in tänzerische Zuckungen verfiel und ihn im Schlussbild als sinnbildlicher Tod niederdrückte. Der verklärende kathartische Schluss der Oper entfiel, das Stück endete mit Giovannis Tod.
Das Ensemble agierte wie bei einer Giovanni-Aufführung erwartbar. Die Sängerinnen und Sänger kannten ihre herkömmlichen Aufgaben, so dass man sich ganz auf die gesanglichen Leistungen konzentrieren konnte. Und Mozarts Don Giovanni bietet einer Fülle großartiger musikalischer Momente.
Die drei Stunden Nettospielzeit vergingen daher wie im Fluge. Anfangs hatte ich Schwierigkeiten mit Rachael Wilsons Donna Elvira. Trotz klanglicher Breite und genügender stimmlicher Attacke klang ihr Mezzo vor allem bei der ersten Arie Ah, fuggi il traditor doch etwas scharf. Die große Arie im zweiten Akt Mi tradì quell’alma ingrata gestaltete sie farbenreich und klangvoll, selbst die dynamisch stärker betonten Passagen blieben klar und ohne Schärfe. Ähnliches gilt für Narea Son als Donna Anna. Ihre große Arie im zweiten Akt Non mi dir, bell’idol mio sang sie berührend schön mit angenehmer Höhe, genügend klaren Koloraturen und beseeltem Ausdruck. Ihre erste Arie Or sai chi l’onore empfand ich als klanglich noch eher unspezifisch, auch fehlte es der Stimme an dramatischem Volumen. Da erinnere ich mich lieber an frühere dramatischere Interpretinnen dieser Partie wie Margaret Price oder Luba Orgonasova.
Die koreanische Sopranistin Hera Hyesang Park überzeugte als stimmstarke und schönstimmige Zerlina, die eher undankbare Rolle des Masetto oblag dem Hamburger Ensemblemitglied David Minseok Kang. Ganz hervorragend gelang dem Bass Alexander Rosvalets der donnernde Schlussgesang des Komturs (Don Giovanni! a cenar teco… Pentiti).
Bleiben noch Leporello und die namensgebende Hauptpartie. Erwin Schrott hatte seine eigene Art der Darstellung des Dieners, d.h. er fühlte sich in seinem Spiel dem Vorgesetzten überlegen, zumindest aber als gleichberechtigt. Stimmlich war er das auch. Mit seiner Eingangsarie Madamina, il catalogo è questo übertrumpfte der Bassbariton alles, was Alessio Arduini danach noch zu singen hatte. Arduini sang gut, wenngleich seinem Bariton die Fülle fehlte und er bei der Serenade Deh, vieni alla finestra, o mio tesoro so leise wurde, dass man ihn fast nicht mehr hörte, jedenfalls verlor die Stimme dabei nicht nur an Volumen, sondern auch an Klang.
Trotz der genannten Einschränkungen war es eine hörenswerte Aufführung mit insgesamt guten bis sehr guten sängerischen Leistungen. Auch das Philharmonische Staatsorchester spielte unter der Leitung von Francesco Ivan Ciampa bemerkenswert, die Sängerinnen und Sänger gut begleitend, mit warmen Klang und klaren dynamischen Abstufungen. Der Jubel des Publikums galt am Ende allen Mitwirkenden, auch dem Orchester und dem Dirigenten, besonders aber Rachael Wilson, Erwin Schrott und Alexander Roslavets.
Dr. Ralf Wegner, 4. November 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Wolfgang Amadeus Mozart: „Don Giovanni“ Salzburger Festspiele, Großes Festspielhaus, 11. August 2024
Don Giovanni, Wolfgang Amadeus Mozart Wiener Staatsoper, 17. Januar 2024