„Die Münchner Philharmoniker kennen ihren Mahler, keine Frage. Interessant ist zu beobachten, wie über die Jahre aus dem ursprünglichen jungen Haudrauf Dudamel ein hoch sensibler, reifer Dirigent geworden ist. Schade nur, dass das Publikum am Ende keine Geduld hat, den letzten Ton richtig verklingen zu lassen und seiner Begeisterung sofort freien Lauf lässt.“
DVD-Besprechung: Gustav Mahler, 2. Symphonie c-Moll „Auferstehung“
(Unitel 802808)
Chen Reiss, Sopran
Tamara Mumford, Mezzosopran
Orfeó Català
Cor de Cambra del Palau de la Música Catalana
Münchner Philharmoniker
Gustavo Dudamel, Dirigent
von Peter Sommeregger
Dieser Mitschnitt eines Konzertes vom Juni 2019 ist schon durch den Ort der Aufführung bemerkenswert und ein optisches Vergnügen. Die prächtige Kulisse des im Jugendstil errichteten Palau de la Música Catalana in Barcelona ist eine Sehenswürdigkeit für sich und Mahlers monumentale Auferstehungs-Symphonie, nur kurz vor dem Bauwerk entstanden, scheint wie für dieses Ambiente geschaffen.
Die gastierenden Münchner Philharmoniker stellen das Orchester, der Dirigent Gustavo Dudamel hat dieses Werk schon häufig dirigiert und man spürt seine Affinität zu dieser Musik in jeder Geste. Bei aller Wucht, mit der er in den ersten Satz einsteigt, kostet er gleichzeitig auch die Kantilenen des zweiten Themas schwebend zart aus. So stellt er starke Kontraste, gleichzeitig aber auch eine große Ausgewogenheit her.
Der zweite Satz im Stil eines Ländlers wird sehr weich und lyrisch genommen, hier herrscht zarte Empfindsamkeit vor. Der dritte Satz, der die Melodie des Wunderhorn-Liedes „Des heiligen Antonius Fischpredigt“ aufnimmt und vielfach variiert, lockert den Ablauf deutlich auf und gibt dem schwermütigen Werk so etwas wie eine Leichtig- und Schwerelosigkeit zurück.
Umso stärker der Kontrast zum ersten der beiden Vokalsätze. Sehr feierlich und schlicht, wie von Mahler vorgegeben erklingt das „Urlicht“, das Solo des Mezzosoprans, ganz im Stil der Wunderhorn-Lieder. Tamara Mumford stattet dieses Lied mit tiefer Empfindung aus, ihr schöner, nuancenreicher Mezzosopran verleiht dem Stück auch die gewünschte emotionale Tiefe.
Berliner Philharmoniker, Gustavo Dudamel, Tamara Mumford, Philharmonie Berlin
Im Finalsatz entfesselt Mahler das gesamte Spektrum eines großen spätromantischen Orchesters, eines gemischten Chores und zweier Solisten. Das Ringen um, und schließlich die Verheißung der Auferstehung wird „wild herausfahrend“ wie vom Komponisten gefordert eingeleitet.
Dudamel zelebriert diesen Satz sehr nuancenreich, immer wieder nimmt er den großen Apparat zurück, wodurch er die Voraussetzung für Steigerungsmöglichkeiten schafft. Zum Mezzosopran gesellt sich nun der klare, frische Sopran von Chen Reiss, der mit Mumfords Stimme bestens harmoniert. Der Cor de Cambra del Palau de la Música Catalana sowie der Orfeó Català fügen sich gut ein, lediglich die Sopranhöhen klingen ein wenig schwach.
Die Münchner Philharmoniker kennen ihren Mahler, keine Frage. Interessant ist zu beobachten, wie über die Jahre aus dem ursprünglichen jungen Haudrauf Dudamel ein hoch sensibler, reifer Dirigent geworden ist. Schade nur, dass das Publikum am Ende keine Geduld hat, den letzten Ton richtig verklingen zu lassen und seiner Begeisterung sofort freien Lauf lässt.
Ausgezeichnet auch die Bildregie von Corentin Leconte, er führt dem Zuschauer viele Detailansichten des reich dekorierten Saales vor und gestaltet die Schnitte höchst sensibel und sinnvoll. Ein besonderer Moment gelingt ihm, als er lediglich Dudamels Hand zeigt, die den außerhalb des Saales platzierten Bläsern den Einsatz gibt. Der Gesamteindruck ist sehr positiv, am liebsten würde man das Konzert gleich zum zweiten Mal hören. Für jeden Freund der Mahler’schen Symphonien ein Muss!
Peter Sommeregger, 16. August 2020, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at