Foto: Ignition (c) Nelly Balancik
Düsseldorfer Symphoniker
Gordon Hamilton, Dirigent
Jörg Mohr, Regie
John Williams – Hedwigs Thema (Aus den Harry Potter-Filmen), 2001
Joe Hisaishi – The Legend of Ashitaka (aus: Princess Mononoke), 1997
Joe Hisaishi – The Path of the Wind (aus: My Neighbour Totoro), 1988 & Orchestral Stories
Jules Massenet – Méditation aus „Thaïs“, 1894
Purojekuto Musashi – Sadness and Sorrow, 2003
Evan Call – The Voice in My Heart (aus: Violet Evergarden) & The Ultimate Price, 2018
Antonín Dvořák– Largo aus der Symphonie Nr. 9 „Aus der Neuen Welt“, 1893
Johann Sebastian Bach – Toccata und Fuge in d-Moll (Orchesterbearbeitung nach Leopold Stokowski)
Masuda / Takanashi – Naruto Medley, 2002
George Gershwin – Gershwin in Hollywood (Auszüge)
Shiro Sagisu – Musik aus „Neon Genesis Evangelion“, 1995
Arturo Márquez – Danzón No. 2, 1994
Tonhalle Düsseldorf, 29. Mai 2024
von Daniel Janz
Wenn in Düsseldorf das Publikum kein Halten kennt, weil Musik aus Film, Anime und Computerspielen gepaart mit Klassik erklingt, kann das nur bedeuten: Es ist wieder #IGNITION. Erneut entführen Gordon Hamilton (42) und die Düsseldorfer Symphoniker in fremde Welten und präsentieren Werke, die eingefleischten Klassik-Fans wohl unbekannt, Liebhabern fernöstlicher Kulturgüter dafür aber umso mehr ans Herz gewachsen sein dürften. Unter dem Titel „Totoro & Friends“ stellen sie 2 Fragen: „Wer hat die schönste Melodie?“ – und – „Bei wem gibt’s die größte Action?“
Mit John Williams’ Musik zu „Harry Potter“ steigen sie direkt stark ein. Hedwigs Thema wird glänzend (und durch elektronische Verstärkung der Celesta laut hörbar) für alle dargeboten. Magie wird von den flirrenden Streichern versprüht und auch Holzbläser und Hörner verzücken. Dazu passend folgt „The Legend of Ashitaka“ aus „Prinzessin Mononoke“, das bereits 2022 hier zu hören war. Selbes Orchester, selber Dirigent – für diejenigen, die damals dabei waren, gibt es da heute nicht viel Neues. Trotzdem bleibt die Feststellung, dass dies beeindruckende Musik mit viel Pathos ist.
Von Joe Hisaishi – dem Komponisten für „Prinzessin Mononoke“ – folgen auch „The Path of the Wind“ aus dem Film „My Neighbour Totoro“ sowie später die „Orchestral Stories“, die von beiden Werken das Spannendere sind. Hier greifen Drama, Charme und Humor ineinander und sorgen für Abwechslung. Im „Path of Wind“ überwiegen stattdessen flirrende Klänge von Celesta, Glockenspiel, Harfe, Vibraphon und Holzinstrumenten in Abwechslung mit an Kitsch grenzenden Einsätzen von Klavier und Violine. Das ist schön anzuhören, wirkt auf Dauer aber etwas fahl komponiert.
Die anschließende Méditation aus der Oper „Thaïs“ von Jules Massenet sticht dann deutlich hervor. Obwohl es sich hier um ein lyrisches Intermezzo aus Harfe und Solovioline mit kleinen Horneinsätzen handelt, ist dieses Kleinod am heutigen Abend einer der Höhepunkte. Das ist aber auch eine wunderschöne, zeitlose Melodie! Und so filigran, wie die Musiker dies darbieten, können einem schon die Tränen kommen. Der enthusiastische Zwischenapplaus dafür ist jedenfalls absolut verdient!
Dieselbe Ergriffenheit stellt sich bei Purojekuto Musashis „Sadness and Sorrow“ aus dem Anime „Naruto“ nicht ein. Dieses Stück passt mit seinen vielen schmachtenden Streichermotiven und der ebenso prominenten Solovioline zwar thematisch gut und das Publikum feiert es mit viel Applaus. Der Rezensent findet es aber unspektakulär. Ähnlich geht es ihm auch mit Evan Calls „The Voice in My Heart“ und „The Ultimate Price“ aus „Violet Evergarden“. Beide bestechen zwar durch volle Akkorde und feierliche Passagen. „The Ultimate Price“ plätschert für seinen dramatischen Titel aber doch arg vor sich hin und „The Voice in My Heart“ verlässt sich zu sehr auf das Glockenspiel. Wer die Animes nicht kennt, wird hiermit wohl nur bedingt warm…
Zum Abschluss der ersten Konzerthälfte warten die Düsseldorfer Symphoniker dann aber noch einmal mit einem echten Klassiker auf. Dvořáks neunte Sinfonie wird so häufig gespielt, dass sie fast schon als überbewertet gelten könnte. Doch man muss anerkennen, dass das Largo mit seinem Englischhornsolo immer noch eine der schönsten Melodien aller Zeiten birgt. Und wenn es so stark und kontrastreich, wie heute gespielt wird, ist es die Wiederholung auch wert. Mit diesem schmachtenden Orchesterjuwel verabschieden sich die Musiker dann auch in die Pause. Ob das Motto „die Suche nach der schönsten Melodie der Welt“ gelungen ist? Fürs Publikum zu diesem Zeitpunkt wohl schon. Aber dem Rezensenten fehlen da doch Schlaglichter auf Tschaikowsky, Schumann, Richard Strauss oder Luise Adolpha Le Beau.
In der zweiten Hälfte stechen dann vor allem energiegeladene Kompositionen hervor. Schon mit dem ersten Ton wird deutlich: Die Zeiten von Schwärmerei und Schwelgen sind vorbei. Stattdessen ertönen die mächtigen Klänge der Orgel zu einem der wohl bekanntesten Stücke weltweit: Die Toccata und Fuge von Johann Sebastian Bach in d-Moll. Dieses Werk – DAS Paradestück für die Orgel – kann nicht oft genug gespielt werden, da ist die Aufführung heute wieder Beweis dafür. Und als das gewaltige Spiel noch vom Orchester übernommen wird, ist das Garant für einen weiteren Höhepunkt.
Daran schließt das „Naruto Medley“ von Masuda/Takanashi (im Programm stand der Name „Nakanashi“) nahtlos an. Nicht nur greift es Motive aus der Toccata auf. Auch legen die Düsseldofer Symphoniker hier richtig los! Tosende Rhythmen, poppige Stöße von Drumsetz und japanischen Trommeln, schrille Figuren von Streichern und Holzbläsern, dröhnende Blechbläserfanfaren oder Sakralklänge der Orgel – auf der Suche nach der meisten Action legt dieses Stück gut nach. Und auch die Musik aus „Neon Genesis Evangelion“ stößt in dasselbe Horn. Deren Bezüge zu Bach werden heute zwar nicht eröffnet. Dafür aber fasziniert sie durch ihre bunte Mischung aus martialischen Rhythmen, idyllischer Strandmusik und heiterem Flötenspiel. So kann man fast vergessen, dass sie bereits auf der letzten #IGNITION hier gespielt wurde.
Im Kontrast erscheint George Gershwins Musik zu „Gershwin in Hollywood“ fast gemäßigt. Diese Bühnenmusik lässt sich wohl am ehesten als Aneinanderreihung von Filmmusiktropen der 1920er Jahre beschreiben. Schnell fragt man sich, ob Gershwin hier die Grundlagen für den späteren Hollywood-Sound gelegt oder plump abgeschrieben hat. Hier klingt das Orchester fast wie eine Big Band, wobei gedämpfte Bläser das Geschehen weitestgehend bestimmen. Ein sehr beschwingter Beitrag.
Mit dem Danzón Nr. 2 von Arturo Márquez hauen sie dann aber noch einmal einen richtigen Hit raus! Hier darf die Klarinette in einem filigranen Solo glänzen, bevor lateinamerikanische Rhythmen einen leidenschaftlichen Tanz einleiten. Schillernde Phrasen aus Piccoloflöte und Klavier bieten hier einen roten Faden im Solospiel der Holzbläser gegen die breiten Akkorde von Blech und Streichern. Eigentlich ein Wunder, dass das Publikum hierzu nicht aufspringt und einen flotten Tango hinlegt!
Dafür reißt es sie zum Schlussapplaus fast geschlossen aus den Sitzen. Schon wieder haben Gordon Hamilton und die Düsseldorfer Symphoniker gezeigt: Entscheidend ist, was begeistert! Sie kennen nun mal ihr Publikum und wissen, wie sie es überzeugen können. Und mit der Ankündigung, bei der nächsten #IGNITION im September Musik aus „Attack on Titan“ zu spielen, bricht er richtige Jubelstürme los. Man kann also schon jetzt davon ausgehen, dass auch dies wieder ein Spektakel werden wird.
Aktuell suchen die Veranstalter der #IGNITION-Reihe nach Vorschlägen für Orchesterstücke. Wer einen Wunsch äußern möchte, darf dies (zusammen mit einem persönlichen Grund, warum dieses Stück in ein Konzert gehört) unter folgender Mailadresse tun:
Daniel Janz, 31. Mai 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at