Funktioniert das, wenn Gordon Hamilton und Wilbert Roget II Klassik und Computerspiel verbinden?

Düsseldorfer Symphoniker, Gordon Hamilton, Dirigent  Tonhalle Düsseldorf, 8. Juli 2025

#Ignition © Joschua Voßhenrich

Düsseldorfer Symphoniker
Gordon Hamilton, Dirigent

Wilbert Roget II, Gast

Jörg Mohr, Regie

Richard Wagner – Ritt der Walküren aus „Die Walküre“

Nobue Uematsu – Hauptthema aus „Final Fantasy VII“

Wilbert Roget II – Suiten zu “Call of Duty WWII”, “Lara Croft and the Temple of Osiris”, “Mortal Combat 11” und “Star Wars Outlaws”
Austin Wintory – “Assassins Creed Unity”

Geoff Knorr – “Ich habe die Nacht geträumt“ in Bearbeitung für „Civilization VI“

Georges Bizet – Ausschnitte aus der Oper “Carmen”

Martin O’Donnell & Michael Salvatori – „One Final Effort” aus “Halo 3”

John Williams – „Star Wars Main Theme”

Tonhalle Düsseldorf, 8. Juli 2025

von Daniel Janz

Komponisten, die Geld verdienen wollen, müssen heute mit Videospielen arbeiten – so lautet jedenfalls der Tenor der Branche. Gleichzeitig ist Videospielmusik immer noch eine Rarität im Konzertsaal. Nach Gordon Hamilton (43) ist es wohl Zeit, das zu ändern. So führt er an diesem Dienstagabend zusammen mit seinem Ehrengast, dem Computerspiel-Komponisten Wilbert Roget II, das #IGNITION-Publikum auf eine Reise in verschiedene Heldenwelten und wechselt dabei zwischen weltbekannten Klassikern, altbekannten Spiele-Ikonen und vor Kurzem erschienenen Neuheiten.
Es wird schnell klar, dass Videospiele an Musik ihre eigenen Anforderungen setzen. Der Kontrast zur Symphonik verdeutlicht sich von Anfang an. Den Einstieg macht ausgerechnet ein Werk, das durch seine Überwältigungsästhetik das Publikum meistens zu erschlagen droht. Dass Wagners „Ritt der Walküren“ aus der Oper „Die Walküre“ heute als erstes erklingt, ist aber vielleicht nicht ganz geschickt? Er wirkt heute doch recht verhalten, sodass das Überwältigungs-Moment zu kurz kommt. Der Rezensent fragt sich, ob das Orchester nicht noch etwas Vorlauf gebraucht hätte.

Videospielmusik mit Stärken und Schwächen

Wagners Musik sticht trotz des verhaltenen Einstiegs die nachfolgenden Werke kompositorisch aus. Es folgen vor allem Titel vom US-amerikanischen Videospiel-Komponisten Wilbert Roget II (41), der als Gast heute auch Interviewfragen beantwortet. So bezeichnet er die Tonart fis-moll wegen ihres „entsättigten Tons“ für den Egoshooter „Call of Duty WWII“ als „organisch“ passend, legte bei „Lara Croft and the Temple of Osiris“ aus der „Tom Raider“-Reihe Wert darauf, in die Welt richtig einzutauchen und gesteht, dass er bei der Musik zum Beat-em-Up „Mortal Combat 11“ großen Respekt vor dieser seit Jahrzehnten existierenden Spielserie hatte.

#Ignition © Joschua Voßhenrich

Das Atmosphärische trifft seine Musik. Bei „Call of Duty“ deuten fahle Trompeten und eine verzweifelte Cellomelodie in Abwechslung zu kräftigem Schlagzeug die Sinnlosigkeit des Sterbens im zweiten Weltkriegs an. Und bei Lara Croft aus „Tomb Raider“ versprühen orientalistische Melodien das Flair ferner Länder, bevor in „Mortal Combat 11“ starke Rhythmen die Kämpfe in einer Nahkampf-Arena andeuten, wobei ein fast süßliches Violinensolo gegen Ende mit dem Martialischen bricht.

Das malt Eindrücke, bleibt aber unaufdringlich. Diese Kurzszenen vermitteln kaum mehr, als ebenjene Atmosphäre. Musikalisch bleibt es flach: Tonartenwechsel fehlen bei der zumeist auf Hauptfunktionen liegenden Harmonik und es braucht eine große Portion Effekthascherei, um Spannung aufrechtzuerhalten. Das funktioniert im Spiel dann doch besser, wo man als Spieler in die Handlung vertieft mitbestimmt und die Musik selbst im Hintergrund bleibt. Aber im Konzertsaal offenbart es Schwächen.

Dazu kommt auch, dass diese Stücke per Design keine Geschichte erzählt oder thematische Arbeit leistet. Etwas besser gelingt das zum Beispiel in der Musik zum Abenteuerspiel „Final Fantasy VII“ vom japanischen Komponisten Nobue Uematsu. Zwar bleibt auch diese Musik auf einem atmosphärischen Level stehen. In ihrer Abwechslung erzählt sie aber zumindest von Aufbruchsstimmung und davon, dass große Abenteuer warten. Ähnlich geht es auch in der Musik zu „Assassins Creed“ von Austin Wintory zu. Hier wechseln sich Pathos und sensible Momente ab, bevor es mit Walzer-Rhythmen in die Pause geht. Alles in allem bleibt es aber sehr szenisch.

#Ignition © Joschua Voßhenrich

Nach der verhaltenen ersten Hälfte folgt Interaktion

Was Videospiel-Musik kann, erkennt man in der zweiten Hälfte. Für das Aufbau-Strategiespiel „Civilization VI“ nutze Komponist Geoff Knorr Material vom Lied „Ich habe die Nacht geträumt“ und zauberte daraus eine Suite quer durch die Zeitalter der Menschheitsgeschichte. Geführt vom heute wunderbar klingenden Englischhorn entsteht ein vereinfachter Variationszyklus, der auch im Konzertsaal besteht. Der Rezensent fühlt sich jedenfalls zum ersten Mal seit Konzertbeginn wieder ergriffen.

Und weiterhin ergreifende Klänge folgen aus der Oper „Carmen“ von Georges Bizet. Obwohl dieses Werk dem weitestgehend jungen Publikum eher unbekannt sein dürfte, fällt auch hier starker Applaus auf; leider auch zwischen den Sätzen. „Les Toréadors“ fetzt richtig los, bevor die berüchtigte „Habanera“ allzu vertraute Klänge bietet. Auch hier bleibt es wieder etwas verhalten. Das freche Moment, das eigentlich die laszive Carmen charakterisieren soll, kommt etwas zu kurz. Dafür ergänzt es sich aber perfekt mit dem sensibel von Harfe und Flöten gespielten „Intermezzo“ bevor sich das Orchester im „Danse Bohème“ zu einer richtigen Klangexplosion steigert.

Im Anschluss an diesen Klanggenuss folgt noch einmal Musik von Wilbert Roget II. Diesmal wirft das Regieteam Bilder aus dem kürzlich erschienenen (und von Spielern mäßig angenommenen) Spiel „Star Wars Outlaws“ an die Leinwand, die das Orchester mit Live-Musik aus dem Spiel unterlegt. Dadurch wird deutlich, wie die Musik heutzutage auch auf Ereignisse im Spiel reagiert und nahezu fließend von einer Stimmung in die andere wechseln kann. Selbst wenn diese Musik im Konzertsaal Probleme offenbart, so wird durch die Interaktion deutlich, dass ihre große Stärke in der direkten Reaktion auf Aktionen der Spieler besteht. Vielleicht hätte es zu den anderen Titeln also auch Bilder aus den Spielen gebraucht?

#Ignition © Joschua Voßhenrich

Zum Abschluss folgen aber noch einmal zwei Werke, die für sich stehen. „One Final Effort“ illustriert das bis zuletzt heroische Streben des Protagonisten „Master Chief“ aus der „Halo“-Reihe, der im intergalaktischen Kampf für die Menschheit Übermenschliches leistet. Trotz reduzierter Orchestrierung aus Streichern, Klavier und Schlagzeug rührt dieses Werk so sehr, dass es im Anschluss Stehende Ovationen gibt. Und „Star Wars“ von John Williams ergreift ohnehin immer und setzt dem Ganzen heute noch ein Sahnehäubchen auf. Auch wenn der Rezensent nicht von allen Titeln überzeugt wurde, so muss man am Ende also doch anerkennen, dass Gordon Hamilton auch diesmal ein sehr junges Publikum wieder vollends begeistert hat.

Daniel Janz, 10. Juli 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

#IGNITION-Reihe Tonhalle Düsseldorf, 12. November 2024

#IGNITION, Düsseldorfer Symphoniker, Gordon Hamilton, Dirigent Tonhalle Düsseldorf, 19. Januar 2022

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