DVD-Rezension: Mozart, „Così fan tutte“
Royal Opera House
Thomas Hengelbrock
Opus Arte, OA 1331D
Die dritte und letzte der Opern Mozarts auf Libretti von Lorenzo da Ponte ist eine besondere Delikatesse: „Così fan tutte“ wirkt oberflächlich gesehen wie eine etwas naive Komödie, bei genauerer Betrachtung ist es aber ein tiefgründiges, eigentlich trauriges Stück über die Wandelbarkeit der Liebe.
von Peter Sommeregger
Thomas Hengelbrock hat für diese Aufführung am Royal Opera House Covent Garden in London ein ausgewogenes, spielfreudiges Ensemble zusammengestellt. Der Spielmacher Don Alfonso findet in Thomas Allen einen optisch sehr reifen, stimmlich aber immer noch frischen Interpreten. Die beiden Liebhaber, Guglielmo und Ferrando, harmonieren stimmlich ausgezeichnet, bei Mozart ist der Zusammenklang der Stimmen in den Ensembles besonders wichtig.
Der jugendlich frische Tenor von Pavol Breslik hat mit der ausgesprochen hoch liegenden Partie keinerlei Schwierigkeiten. Sein Timbre ist ansprechend und sehr individuell. Stéphane Degout mit rundem, balsamischen Bariton bildet dazu die perfekt passende Ergänzung.
Der weibliche Teil der Besetzung wird von der virtuosen Fiordiligi Maria Bengtssons dominiert. Der Sopran der schwedischen Sängerin leuchtet in der Höhe förmlich auf, sicher gelingen ihr die zahlreichen Koloraturen und halsbrecherischen Registerwechsel. Dabei wird deutlich, dass die Tessitura der Fiordiligi tiefer liegt als jene der Dorabella, die von der Mezzosopranistin Jurgita Adamonytė gesungen wird, deren Stimme sich deutlich vom Timbre Bengtssons unterscheidet, was im Sinne der Unterscheidbarkeit wünschenswert ist.
Das Trio der Damen wird ergänzt durch die dralle, pointiert singende Despina von Rebecca Evans. Sie verfügt genau über jenen Witz und die Pfiffigkeit, die man sich in dieser Rolle wünscht.
Thomas Hengelbrock ist ein äußerst sensibler Begleiter für die Sänger und lässt insgesamt sehr zügig und straff spielen. Den Sängern gönnt er einige selten gehörte Verzierungen ihrer Gesangslinie, die durchaus reizvoll gelingen.
Die bewährte Inszenierung stammt vom inzwischen verstorbenen Jonathan Miller. Sie besticht durch eine kluge Form der Reduktion der Szene. Agiert wird in einem fast leeren Raum mit weißen Wänden, einem abgedeckten Sofa, zwei Stühlen und einem kleinen Beistelltisch. Das ermöglicht eine intensive Konzentration auf das Drama und bekommt der Aufführung sehr gut. Alle Protagonisten tragen Alltagskleidung, was für die spartanische Inszenierung durchaus passend ist.
Dass die Freunde nach ihrer Verkleidung aber als Punks erscheinen, ist ästhetisch nicht sehr ansprechend, leider tun es ihnen ihre Partnerinnen gegen Ende gleich. Ein wenig verschenkt Miller auch die Auftritte der verkleideten Despina und jene kurzen des Chores. Am gelungensten ist sein Regiekonzept, wenn nur wenige Personen auf der Bühne sind. Am Ende lässt er offen, ob der Partnertausch rückgängig gemacht wird oder nicht, weicht damit geschickt einer Festlegung aus. Also alles offen bei den Punks!
Peter Sommeregger, 21. Juli 2021, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at