Das bildmächtige Tanzstück "Ein Mittsommernachtstraum" von Alexander Ekma endet in Dortmund mit begeisterten Ovationen des Publikums

Ein Mittsommernachtstraum, Ballett von Alexander Ekma  Theater Dortmund, 18. November 2023

Erste Szene auf der Bühne: Das Dortmunder Ensemble wirbelt vor der aufgehenden Sonne Heu in Höhe (Foto: Leszek Januszewski)

Das Publikum im nahezu ausverkauften Dortmunder Opernhaus reagierte begeistert und feierte das Ensemble lange mit stehenden Ovationen. Zusammengefasst war es ein zwar nicht sehr in die Tiefe gehender, aber netter, unterhaltsamer, folkloristisch-mystischer Ballettabend mit erinnerungswürdigen Bühnenbildern.

Ein Mittsommernachtstraum, Ballett von Alexander Ekma

Musik von Mikael Karlsson
Musikalische Leitung: Alexander Prushinskiy

Theater Dortmund, Opernhaus, 18. November 2023


von Dr. Ralf Wegner

Man könnte meinen, dieses Tanzstück hat Bezug zu Sha­ke­s­peares Komödie. Mitnichten, es geht um eine träumerische Überhöhung eines in der Tiefe der schwedischen See­le verankerten Volksfestes, welches Ende Juni zur Sommersonnenwende veranstaltet wird. Eine konkretisierte Handlung gibt es nicht, aber immer wieder Bilder, die beeindrucken.

So beginnt es: Ein Mann, auf dem Besetzungs­zettel Träumer genannt (Filip Kvačák) schläft in einem Gitterbett, der Wecker klingelt, er streckt seine Hand aus, der Wecker schweigt. Eine Frau erscheint (Hostess genannt: Amanda Vieira) und reicht ihm Hose und Hemd, er zieht sich an und wird von ihr hinter den noch geschlossenen Bühnenvorhang geführt. Dieses Procedere wird am Ende wiederholt, alles beginnt von Neuem; jedenfalls für die Besucher der nächsten Aufführung.

Elektronisch verstärkte Musik dringt in den Saal, Freudenschreie ertönen auf der Bühne; der Vorhang gibt die gro­ße, Heu-übersähte Bühne des Dortmunder Opernhauses frei, auf der sich 34 Tänzerinnen und Tänzer wälzen, erheben, springen und das Heu synchron nach oben werfen, sowie allerlei jugendlichen Unsinn treiben. Das Bild mit dem über die Weite der Bühne vom gesamten Ensemble in die Höhe geworfenem und wieder herabfallenden Heu ist über­wäl­tigend und bestimmt maßgeblich den Eindruck, den dieses Tanzstück hinterlässt. Das obige Bild gibt diesen Eindruck nur bedingt wider (um einer Allergie vorzubeugen, wur­­de statt Heu Gemeiner Lein, versehen mit Brandschutzmittel, eingesetzt). Am Ende dieser geschätzt zwanzig-minütigen Szene geht am Bühnenhimmel die Sonne auf und überstrahlt die mittlerweile im Heu liegenden, sich ihren inneren Emotionen hingebenden Tänzerinnen und Tänzer.

Die auf dem Kopf stehenden Birken senken sich herab, links die Sängerin Hannah Tolf, vorn Daria Suzi und Francesco Nigro (Foto: Leszek Januszewski)

Eine blonde Sängerin tritt auf, im Hintergrund spielt ein sechsköpfiges Ensemble. Alles, auch der klangvolle Gesang von Hannah Tolf, wird elektronisch verstärkt. Das Heu wird beiseitegeschoben und unter einer Art Maibaum folklorebetont getanzt, geschmust und geliebt. Zwischendurch erinnert manches an den Stil von Pina Bausch: Das gesamte Ensemble bewegt sich flotten Schritts mehrfach von rechts nach links und umgekehrt, tritt auch mit leeren Gläsern nach ganz vorn an die Rampe (der Orchestergraben ist überdeckt) und blickt minutenlang, Kontakt heischend, ins zunächst irritierte, dann verlegen lachende und mit Beifall reagierende Publikum. Alles endet an einem langen Tisch mit einem in Müdigkeit und orgiastischer Trunkenheit endenden Gelage.

Nach der Pause halluziniert der Träumer, sieht, wie sich der lange Tisch hebt mit einer sich an diesen verzweifelt hängenden und später von oben herabstürzenden Person; er sieht sein Gitterbett in der Höhe verschwinden, sieht kopflose Männer und Trolle erscheinen; ein Fisch fällt vom Bühnenhimmel, und noch größere Fische werden über die Bühne geschoben.

Und immer steht das gesamte Ensemble auf der Bühne, formt sich zu einer Gruppe, während sich ein Tänzer absondert. Die Gruppe reagiert auf ihn mit Empathie; später bilden sich zwei Reihen aus Tänzerinnen und Tänzern, die tausendfüßlergleich, eng hintereinander gereiht, voranschreiten und sich schließlich zu einer Riege vereinen. Zu wummernden Bässen wird etwas langatmig, Ballettsprünge und Arabesken zitierend, getanzt.

Ein Tänzer hebt, wie im klassischen Grand Pas de deux (Nussknacker), seine Kollegin schnell in die Höhe und lässt sie „in den Fisch“ fallen und, die Ironie der Szene betonend, den vom Bühnenhimmel gefallenen Fisch heben; ein Paar zelebriert in Slow Motion seine Liebesbeziehung (Daria Suzi und Francesco Nigro) und… und… und. Und wieder ergibt sich ein beeindruckendes Bühnenbild, als sich von oben vier auf dem Kopf stehenden stämmige Birken nach unten senken, denn die Welt steht Kopf im Traum; vielleicht auch nicht nur da, möchte man denken. Am Ende leert sich die Bühne, der Träumer findet in sein Gitterbett zurück.

Das vielköpfige Dortmunder Ensemble beim Schlussbeifall (Foto: RW)

Das Publikum im nahezu ausverkauften Dortmunder Opern­haus reagierte begeistert und feierte das Ensemble lange mit stehenden Ovationen. Zusammengefasst war es ein zwar nicht sehr in die Tiefe gehender, aber netter, unterhaltsamer, folkloristisch-mystischer Ballettabend mit erinnerungswürdigen Bühnenbildern.

Dr. Ralf Wegner, 18. November 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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