Festakt zur Eröffnung der Elbphilharmonie-Plaza,
Hamburg, 4. November 2016
Sie ist eine Schöne, eine Wunderschöne „an der Elbe Auen“. Sie macht atemlos. Sie bewegt. Sie sagt: An diesem betörenden Ort möchte ich unvergängliche Musikwerke zu Gehör bekommen. Sie sagt: Hier darf ich träumen und meine Seele baumeln lassen.
Genau so werden es klassik-begeisterte Menschen empfinden, wenn das 789-Euro-Millionen-Projekt Elbphilharmonie am 11. Januar 2017 seine Pforten öffnet. Davon konnten sich jetzt über 300 Journalisten aus aller Welt überzeugen.
Die Elbphilharmonie lädt zum Träumen ein. Sie sagt: Komm wieder, hier wirst Du Dein Glück finden. Dein Augen-Glück in atemberaubender Architektur, die sprachlos macht. Dein Sinnesglück bei unvergänglicher, bei göttlicher Musik, dargeboten von wirklichen Weltklasse-Orchestern und Weltklasse-Solisten, die um Hamburg bislang oft noch einen Bogen gemacht haben.
Über 220.000 Menschen aus aller Welt hatten sich für das Eröffnungskonzert der Elbphilharmonie in Hamburg, am Mittwoch, 11. Januar 2017, beworben. 450 Menschen dürfen sich zu den Glücklichen zählen und noch eine liebe Person mitnehmen.
Die Elbphilharmonie wird das Kulturleben in der Hansestadt Hamburg, wird das Kulturleben in der Metropolregion Hamburg, in Norddeutschland, ja, in Deutschland und in Europa verändern. Die Elbphilharmonie bietet der Kaufmanns- und Hafenstadt Hamburg einen Quantensprung, der den Kulturstandort Hamburg in die klassische Champions League katapultieren wird. Bislang spielte das stolze Hamburg, was klassische Musik angeht, nicht in der ersten europäischen Liga, obwohl rund 37,5 Millionen Euro Steuergelder jährlich auf dem Konto der Hamburgischen Staatsoper landen. Ein Trauerspiel für die Stadt Johann Adolph Hasses, Carl Philipp Emanuel Bachs, Felix Mendelssohn Bartholdys, Johannes Brahms’ und Gustav Mahlers.
Der kleine Saal der Elbphilharmonie, derzeit noch ohne Stühle, ist ein Traum, eingebettet in feinstem Buchenholz von der französischen Loire. Er bietet Platz für 700 Klassik-Begeisterte. Die Akustik ist noch einmal verbessert worden. Und dann der große Saal: Großzügig ist er, von atemberaubender Klarheit. 2100 Menschen können hier hören, sehen und träumen. Man denkt, der Saal böte nur Platz für 500. Dank der Weinberg-Bauweise rund um die Bühne sitzt kein Zuschauer mehr als 30 Meter vom Dirigenten entfernt.
Der Saal der Elbphilharmonie ist ein Meisterwerk in moderner Erhabenheit. Er erzeugt eine Atmosphäre von Wohlgefühl und Geborgenheit bei gleichzeitiger Jetztbezogenheit und Vorwärtsgewandtheit. Er ist ein architektonisches Meisterwerk der Schweizer Jacques Herzog und Pierre de Meuron.
„Wir möchten den Menschen etwas sehr Sinnliches, etwas Emotionales mit unserer Auffassung von Architektur bieten. Die Menschen sollen psychisch und physisch ein sinnliches Erlebnis haben“, sagte Pierre de Meuron.
Hamburgs klassik-begeisterter Bürgermeister Olaf Scholz, der gemeinhin in der Öffentlichkeit nicht zu Gefühlsausbrüchen neigt und regelmäßig mit seiner Ehefrau, der schleswig-holsteinischen Schulministerin Britta Ernst, zu Besuch an der Hamburgischen Staatsoper ist, gerät ins Schwärmen, wenn er von dem Moment erzählt, als er das erste Mal den Großen Saal betrat.
„Das erste Mal, als ich in diesem Saal war, war ich sehr berührt“, sagte Olaf Scholz. „Als das NDR Elbphilharmonie Orchester unter Leitung von Thomas Hengelbrock hier das erste Mal probte, waren die Musiker nicht zufrieden in den Pausen – nein, die waren erleuchtet. Ich habe nur in erleuchtete Gesichter geschaut.“ Der Bürgermeister habe sich dann auf viele verschiedene Plätze im Saal gesetzt. „Und überall das gleiche Klangerlebnis. Ich bin mir sicher, dass die Experten aus aller Welt ein großartiges Zeugnis ausstellen werden.“
Erste Töne, am Freitag bei Voraberöffnung gespielt auf einem Steinway-Flügel, der auf der Bühne stand, brachten schon einmal eine Vorahnung davon, wie raumfüllend, wie klar und transparent und mit wie viel Wohlfühlgefühl die Töne im Saal erklingen werden. Die Klangtapete, die sogenannte „weiße Haut“, dürfte für eine neue Klangkultur in Europa sorgen und die Elbphilharmonie in die Top Ten der internationalen Konzerthäuser katapultieren.
In der ersten Saison kann sich die „Elphi“, was die Nachfrage angeht, schon mit den großen Häusern in Europa wie dem Goldenen Saal im Wiener Musikverein und der Wiener Staatsoper, wie dem Concertgebouw in Amsterdam oder der Berliner Philharmonie messen – ja sie übertrumpft derzeit sogar in punkto Kartenhype die Mitbewerber: Alle wichtigen klassischen Konzerte bis Ende Juni 2017 sind ausverkauft. Es gibt im Großen Saal nur noch Restkarten für Raritäten.
Bei dem Hype, den die Elbphilharmonie entfacht hat, lässt sich bis auf nahe Zukunft feststellen: Hier kann Erna Kasupke im Großen Saal auf dem Kamm blasen, und das Haus wird trotzdem voll. Es wird in der Elbphilharmonie in den nächsten Jahren, davon ist auszugehen, ein großer Run auf bedeutende Konzerte einsetzen. Die Begeisterung dürfte so groß sein, wie wenn Anna Netrebko an der Wiener Staatsoper die Violetta in Giuseppe Verdis „La Traviata“ singt.
Restkarten an der Abendkasse soll es in diesem demokratischen Hause, das jedes Hamburger Schulkind während seiner Schullaufbahn einmal mit einem musikalischen Workshop besucht haben soll, zum Glück noch geben.
Die bis zu 110 Meter hohe Elbphilharmonie hat auch optisch viel zu bieten: Eine 82 Meter lange gebogene (konkave) Rolltreppe, die größte ihrer Art in Westeuropa. Eine phantastische Treppe, beleuchtet von modernen wie warmen Strahlern. Den Ausblick durch die großzügigen Scheiben auf den Hafen mitten in der 1,8-Millionen-Einwohner-Stadt Hamburg. Den Blick auf die vier Hamburger Hauptkirchen und das Kriegsmahnmal St. Nikolai. Ja, vor allem der Blick vom neuen ins alte Hamburg: von der Elbphilharmonie aus der Hamburger Hafencity auf DAS Wahrzeichen der Hamburger, die evangelisch-protestantische Kirche St. Michaelis, den die Hamburger liebevoll „Michel“ nennen. Und natürlich die Elbe, Hamburgs Sehnsuchts- und Wirtschaftsstrom, der dem „Tor zur Welt“ Arbeit, Freiheit und Wohlstand brachte.
Die Elbphilharmonie-Plaza bietet 1200 Menschen stündlich phantastische Aussicht auf den Hafen und die Stadt. Sie hat von 9 bis 24 Uhr geöffnet. Olaf Scholz fand die richtigen Worte: „Wir stehen hier im Hamburger Hafen, 37 Meter über dem Meeresspiegel auf dem höchsten öffentlichen Platz in Norddeutschland – und über uns schwebt ein Hochhaus. Die Elbphilharmonie ist ein Haus für alle. Sie ist wie das Parlament der Musikstadt Hamburg. Ein Konzerthaus, das die Welt begeistern wird.“
Die Bau der Elbphilharmonie bleibt ein Unikum: Ihr Bau dauerte zehn Jahre, wurde von Skandalen erschüttert und ist viel teurer geworden, als geplant. Die Kosten haben sich verzehnfacht, die Bauzeit hat sich um gut sechs Jahre verlängert.
Das war bei einem Bauwerk, das auf einem alten Speicher mitten im Hafen auf Holzpfählen gegründet wurde, nicht unvorhersehbar. Dass Hamburg weiter gemacht hat, trotz des Tollhauses, trotz der Millionen-Explosionen, trotz politischer Untersuchungsausschüsse, war richtig.
Das Schöne hat seinen Preis. Und die Elbphilharmonie wird die Kosten, die sie verursacht hat, über kurz oder lang spielend wieder erwirtschaften und zehntausende Menschen in die schöne, noch ziemlich stille Elbmetropole im Norden ziehen, deren Bürger die hanseatische Gelassenheit besaßen, auf Olympische Spiele im Hafen zu verzichten.
Dass die schöne neue Perle für musikalische Sternstunden sorgen wird, ist so sicher wie das zweimal tägliche Turmblasen des Trompeters von St. Michaelis.
Andreas Schmidt, 4. November 2016
klassik-begeistert.de