Foto: Daniel Dittus (c)
Elbphilharmonie Hamburg, 26. Mai 2018
Elisabeth Leonskaja, Klavier
Ludwig van Beethoven
Sonate As-Dur op. 110
Sonate c-Moll op. 111
Franz Schubert
Sonate B-Dur D 960
Franz Liszt (als Zugabe)
Sonetto del Petrarca Nr. 104 S 161/5 »Pace non trovo« / Années de pèlerinage, deuxième année, Italie
Sonetto del Petrarca Nr. 123 S 161/6 »I‘ vidi in terra« / Années de pèlerinage, deuxième année, Italie
von Sebastian Koik
Den ersten Satz aus Ludwig van Beethovens Sonate As-Dur op. 110 spielt Elisabeth Leonskaja perfekt! Mit flinken Fingern, elegant virtuos, mit feiner Musikalität zeigt sie sehr viel Verständnis für die Komposition und durchschreitet ihre Tiefe. Es ist eine große Leichtigkeit bei gleichzeitiger Ernsthaftigkeit in ihrem Spiel. Wunderbar! Ganz groß. Die Tasten-Legende malt die Töne in der Elbphilharmonie voller Sanftheit, ihr Anschlag klingt, als spielte sie mit samtenen Handschuhen.
Im sehr langsamen Adagio lässt sie jedem Ton viel Zeit und Raum zu atmen und sich zu entfalten. Ihre Interpretation ist sehr zart.
Im weiteren Verlauf des Stückes wären teilweise allerdings ein wenig mehr Expressivität und Härte wünschenswert. Teilweise ist Frau Leonskajas Interpretation zu weich, zu bieder und leicht kraftlos. Man wünschte sich, sie zöge die Samthandschuhe wieder aus. Es fehlt ein wenig Aggressivität und Kante in ihrer Beethoven-Darstellung. Erst das frisch-virtuose Finale überzeugt wieder so richtig.
Nach Beethovens vorletzter steht nun seine allerletzte Klaviersonate auf dem Programm, die Sonate c-Moll op. 111. Es gibt eine schnellere Passage voller Leichtigkeit und Frische, die Töne perlen fein dahin. Doch zumeist gilt: Auch in dieser Sonate lässt es Frau Leonskaja etwas an gesunder Aggressivität und notwendiger Härte vermissen. Es fehlt zudem an Feuer, Dunkelheit, Schwärze. Die tiefen Töne sind nicht dunkel genug im Charakter. Auch etwas mehr Attacke und Biss, Spritzigkeit und Frische täten diesem Beethoven gut. Frau Leonskajas Interpretation ist nicht zupackend genug.
Sehr schön gelingt der russischen Pianistin der Beginn des Adagio. Die Musik atmet. Der sanfte Charakter ihres Spiels überzeugt hier und hat Tiefe. Doch bald herrscht leider wieder ein Eindruck von Biederkeit vor. Es fehlt an Risikobereitschaft in der Umsetzung der Beethoven’schen Gedanken, an Entschlossenheit und Ausdruckswillen. Es mangelt an Kontrast, an Schärfe, an Charakter.
In der zweiten Konzerthälfte gibt es eine weitere letzte Klaviersonate: Franz Schuberts Sonate B-Dur D 960. In schnelleren Passagen überzeugt Frau Leonskaja immer noch mit leichthändigem, spritzig-virtuosem Spiel. Doch ihr Schubert überzeugt an diesem Abend noch weniger als ihr Beethoven: Der Interpretation fehlt es an Überzeugungskraft, das plätschert zu ausdruckslos dahin, ist zu sanft, zu weich, zu brav, zu samtig. Die legendäre Pianistin spielt nicht kontrastreich genug und zeigt einen zu eingeschränkten Dynamik-Umfang.
Das Andante gelingt besser. Im späteren schnelleren Spiel zeigt sie sich wieder souverän virtuos. Ihre künstlerische Darstellung bleibt jedoch in vielen Momenten mangelhaft. Das gefällt in dieser Form vielen – leuchtet die Tiefen und Schattierungen, die Dramatik der Komposition, aber nicht wirklich aus.
Sebastian Koik, 29. Mai 2018,
für klassik-begeistert.de
Ich habe das gleiche Programm mit Leonskaja im Wiener Konzerthaus vor einer Woche erlebt, und ich war danach gar nicht zufrieden, obwohl es einige schöne Momente gab…
Leonskaja hat die drei Sonaten so gespielt, als wären sie 80 Jahre später komponiert worden. Das geht nicht bei Beethoven. Außerdem gab es viele technische Fehler und falsche Töne.
Es wäre besser, wenn junge interessante Pianisten/Pianistinnen die Chance bekommen…
Grüße,
Yehya Alazem
Ich stimme der Aussage, dass Fehler zu hören sind bei Leonskaja, zu. Es kann sein, dass das Spiel überzeugt auch mit den Fehlern, mich stören sie. Ich höre regelmässig live Mitschnitte von Leonskaja im Radio und bin erstaunt, wie viele hörbare Fehler in diesen Mitschnitten enthalten sind. Ob jüngere PianistInnen weniger Fehler machen, weiss ich nicht. Mir fällt bei Leonskaja auch auf, dass ihre Übergänge zwischen laut und leise oder leise und laut fast immer abrupt sind, was mir bei Wiener Klassik nicht immer die beste Lösung scheint.
Laubeiter