Staatsoper Hamburg, 2. Oktober 2018
von Ulrich Poser
Mit Klaus Florian Vogt ist es wie mit Wagner: Die einen lieben ihn abgöttisch, die anderen nicht. Der Rezensent gehört seit Jahren zur ersten Gruppe und pilgert – nur wegen Vogt – zum Beispiel nach Bayreuth, Berlin und München, wo Herr Vogt in den letzten Jahren als Lohengrin, Stolzing und Tannhäuser die Vogtianer aus der ganzen Welt durchwegs begeistert hat. Insbesondere sein Stolzing in Bayreuth in der gerade zur Inszenierung des Jahres gewählten Interpretation von Barrie Kosky entfachte jeden Abend vehemente Jubelstürme. Was für eine Stimme!
Nun waren an diesem Abend in der Hamburgischen Staatsoper nicht alle Protagonisten gesund: Allison Oakes (Marietta/die Erscheinung Mariens) und Alexey Bogdanchikov (Frank/Fritz) ließen sich als indisponiert, weil erkältet bzw. vergrippt, ansagen.Nicht so Klaus Florian Vogt als Paul, der über sehr weite Strecken eine tadellose, gewohnt phantastische Darbietung mit seiner glasklaren, betörenden, wunderbaren und so typisch hellen Tenorstimme ablieferte. Allerdings klangen an diesem Abend einige wenige Spitzentöne etwas angestrengt und forciert, was vermutlich daran gelegen haben könnte, dass der Sänger vielleicht auch etwas erkältet war.
Der empathische Vogtianer mit zu viel Phantasie (zu dieser Gattung Mensch zählt sich der Rezensent) macht sich dann natürlich gleich Sorgen um seinen Star. Ist seine Stimme in Gefahr? Singt er zuviel? Sollte er zwischen den Aufführungen längere Pausen machen? Was muss er tun, damit ihm seine wunderbare Stimme noch sehr lange erhalten bleibt? Wieso muss er jetzt auch noch als Florestan einspringen? Sollte er wirklich bald den Tristan singen?
Wie drücke ich die Sorge aus? Wie sage ich es dem Kinde? Nehmen wir doch einfach als grobe Vorlage einen Brief, den Richard Wagner am 22. November 1881 aus Palermo an König Ludwig II. von Bayern schrieb. Dann könnte man das wie folgt ausdrücken:
Mein holder, herrlicher, stets mir neu aufgehender Königs-Stern!Eine sonderbare Fügung des Zufalls hat es bewirkt, dass ich mir vorgestern in der Vorstellung der „Toten Stadt“ in der Hamburgischen Staatsoper etwas Sorgen um den Wunderbaren machte. Dass die Gesundheit, insbesondere die göttliche Stimme meines Erhabenen so lange wie möglich erhalten bleibe, muss oberstes Ziel alles irdischen Strebens sein.So möge er sich nach eigenem Gutdünken bewusst auch einmal schonen und nicht zu viele Engagements annehmen. Natürlich kommen die Impresarios aus der ganzen Welt ständig auf ihn zu: Singe dies, singe das. Und das auch noch!Hier sollte der Gesegnete aber zu rechten Zeit einen Vernunftriegel vorschieben und dem rein geschäftigen Treiben der emsigen Häuser, Veranstalter, Agenten und Manager Einhalt gebieten. Nicht jeder Tenor hat Stimmbänder aus Titan wie die Herren Melchior oder Domingo. Es bedrücken bis heute die traurigen Geschichten, zum Beispiel diejenige von Peter Hofmann, der auch einmal ein ganz Großer war.Möge er die Kraft finden, auch mal Nein zu sagen. Das wird sich auf Dauer auszahlen!
Mein Herz und mein Haus grüßt in Demut und Liebe den göttlichen Freund!
In treuer Anbetung ersterbend
Ein Vogtianer
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Die britische Sopranistin Allison Oakes sang übrigens eine phantastische Marietta. Trotz Erkältung. Die Sängerin verfügt über einen glasklaren, wunderschönen Sopran. Man denkt bei dieser gewaltigen Stimme natürlich sofort an ihre Brünnhilde und Isolde. Auf ihre Gutrune in der Götterdämmerung am 25. November 2018 dürfen sich die Hamburger jetzt schon freuen. Frau Oakes, bitte singen Sie unbedingt mehr in Hamburg!
Das Philharmonische Staatsorchester Hamburg unter der Stabführung von Roland Kluttig kam nach kurzem Anlauf gut in Fahrt und lieferte eine ausgezeichnete Leistung ab. Insbesondere die an Richard Strauss angelehnte Orchestrierungstechnik und der leichte Hang der Partitur zur Moderne ließen mehrfach gespannt aufhören.
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