Foto: Pierre Boulez Saal, February 2017 © Volker Kreidler
von Sandra Grohmann
Wer gern klassische Musik hört, muss noch lange nicht gern Streaming-Dienste dafür nutzen. Schließlich verbringen wir alle schon genug Zeit vor der Mattscheibe und schätzen das Erlebnis eines echten Konzert- oder Opernbesuchs gerade um des einmaligen und lebendigen Erlebnisses willen.
Schon der Konzertbesuch ist indes nicht jedermanns Sache. Schon lange wird ja behauptet, dass der klassische Konzertbetrieb im Niedergang begriffen sei. Deshalb hat sich das Forschungsprojekt „Experimental Concert Research“ um Prof. Dr. Martin Tröndle von der Zeppelin Universität zur Aufgabe gesetzt, Erfahrungen in Live-Konzerten zu erforschen (s. https://experimental-concert-research.org/?lang=de). Namhafte Institutionen wie das Radialsystem Berlin und der Pierre Boulez Saal sowie eine Künstlergruppe um Alban Gerhardt unterstützen das Projekt. Gegenstand der Untersuchungen sind (oder vorläufig: waren) Reaktionen von Konzertbesuchern auch in Abhängigkeit etwa vom Saal und der Vorbildung – interessant etwa, dass sich mehr packen lässt, wer Musik ohne großes Vorwissen auf sich wirken lassen kann.
Für die Zeit der coronabedingten Schließungen wendet sich das Forschungsprojekt nun, wie auch manche von uns Besuchern, dem Streaming zu. Welche Formate sprechen hier wen an? Genügt es, ein Konzert abzufilmen, oder bedarf es weiterer Gestaltung, um ein Angebot attraktiv zu machen? Das Projekt will mit seinem Ableger „Digital Concert Experience“ die verschiedenen Streaming-Formate testen und später auch mit der Wirkung analoger Konzerterlebnisse vergleichen.
Das scheint ein spannendes Anliegen. Können zum digitalen Abruf bereitgestellte Angebote, wie ursprünglich vielfach intendiert, tatsächlich ein jüngeres Publikum ansprechen? Oder schaffen sie das nicht und langweilen obendrein noch die traditionellen Konzertbesucher? Für verschiedene Experimente werden noch Teilnehmer gesucht. Wer mag, kann sich über die Beantwortung eines Fragebogens unter https://digital-concert-experience.org/?lang=de bewerben. Statt wieder nur über Corona zu reden, mag das für sich genommen schon eine attraktive Beschäftigung darstellen.
Sandra Grohmann, 23. Januar 2021, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at