Bild: Die Jazz-Geigerin Yilian Canizares
Festival da Jazz St. Moritz, 8. Juli bis 1. August 2021
Es waren am diesjährigen, 13. Festival da Jazz im mondän-weltberühmten St. Moritz vor allem die starken Frauen, die mich am meisten beeindruckten: Die Kubanerin Yilian Canizares, ein schier atemberaubendes Multitalent, eine hervorragende Sängerin und erstklassige Violinvirtuosin, dazu tänzerisch begabt, von unwiderstehlicher karibischer Fröhlichkeit – und bildschön noch dazu.
von Charles E. Ritterband
Canizares intoniert die großartigen kubanischen Rhythmen mit Temperament und Subtilität; die alten afrikanischen Ursprünge schimmern durch in diesen mitreißenden, aber oft auch ergreifenden Tonfolgen. Ihr zur Seite steht ihr hochbegabter Landsmann, der schlaksige Klaviervirtuose Omar Sosa, dessen augenzwinkernder Humor immer wieder aufblitzt und die Eleganz der Sängerin Yilian Canizares aufs trefflichste ergänzt. Die Kubaner traten auf im historischen Theatersaal des Jugendstil-Hotels „Reine Victoria“ in St. Moritz Bad, das – wegen Covid – dieses und schon letztes Jahr den legendären und stets hoffnungslos überfüllten Dracula-Club, gegründet vom Playboy-Prototyp und Multitalent Gunter Sachs, als Haupt-Austragungsort des jährlichen Jazz-Festivals ersetzte.
Ebenfalls in diesem assoziationskräftigen Saal trat am nächsten Abend die katalonische Sängerin und Posaunistin Rita Payés, diesmal gemeinsam mit ihrer Mutter Elisabeth Roma, einer erstklassigen Gitarristin, auf. Ihr Programm wies ein weites Spektrum auf – vom portugiesischen Fado über den spanischen Bolero zum brasilianischen Bossa Nova. Payés versprühte südlich-sonnige Lebensfreude mit ihrer ausdrucksvollen Stimme und ihrem sonoren Spiel auf der Posaune.
Im Countryclub-Park des renommierten „Kulm“-Hotels begeisterte die niederländische Altsaxophonistin und Jazz-Sängerin Candy Dulfer ein großes Publikum von Jazz-Aficionados, die sich selbst vom strömenden Regen nicht davon abhalten ließen, ihrem Idol zu huldigen. Die namhafte Instrumentalistin feiert seit dreieinhalb Jahrzehnten weltweit Erfolge und ihr Debutalbum „Saxuality“ war schon im Titel Programm: Sex-Appeal kombiniert mit meisterhafter Beherrschung ihres Instruments. Das zieht.
Zu den „Starken Frauen“ ist unbedingt die aus Benin stammende Angélique Kidjo zu zählen – mit ihrem Motto „Sing the Truth“. Eine politische Wahrheit, aus der Kidjo nie ein Hehl machte – und sie 1982 zur Flucht aus Benin nach Frankreich zwang. Ihre Musik ist multi-ethnisch – sie verwendet Quellen aus dem Afro-Pop, dem klassischen Jazz und der afro-karibischen Musik – und, wie bei dieser mutigen Künstlerin nicht anders zu erwarten, überaus leidenschaftlich.
Das Programm der im „Reine Victoria“ und im „Kulm“-Park auf Eintrittskarte wurde wie jedes Jahr ergänzt durch Gratis-Konzerte auf der „Lakeside Stage“ in einem Garten am Ufer des St. Moritzer Sees und auf der Terrasse des Café „Hauser“ im Zentrum von St. Moritz Dorf. Dies ermöglichte einem breiteren Publikum wenn schon nicht die ganz großen Stars, so doch immerhin exzellente Jazz-Musiker und Gruppen kennenzulernen. Nicht nur die starken Frauen brillierten am diesjährigen Festival da Jazz, sondern auch die Jazz-Legenden. So war der für seine fast revolutionäre Innovation des Harfenspiels berühmt gewordene Andreas Vollenweider endlich wieder zu hören, ebenso der musikalische Visionär John McLaughlin. Auch der inzwischen fast legendäre schweizer „Mister Swing“ mit seiner Big Band, Pepe Lienhard – seit Jahrzehnten als Begriff in aller Munde – wird am 1. August, als Schweizer Nationalfeiertag ein markantes Datum, im Kulm-Park im 75. Lebensjahr seinen Auftritt haben.
Vor ausverkauften Publikumsrängen war schließlich die vielseitige (Jazz, Blues, Gospel, Canzoni) italienische Jazz-Ikone Zucchero zu hören – dass er, der mühelos ganze Stadien füllt und vielfach Gold- und Platin-Alben produziert hat, eigens zum Festival da Jazz nach St. Moritz kommt, um vor einem zahlenmäßig vergleichsweise bescheidenen Publikum aufzutreten, wird Zucchero hoch, ja als „Sensation“ angerechnet.
Dr. Charles E. Ritterband, 27. Juli 2021, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at