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Klassische Oper statt Regietheater. Mit diesem Aufhänger wirbt man beim Festivalsommer in Rheinsberg, wo man dem aktuellen Trend ein wenig Einhalt gebieten möchte. Startschuss fällt am 22. Juni 2024. Dabei setzt Intendant Georg Quander auf Tradition, Originalklang & junge Stimmen. Subversives Bildmaterial wäre vor der historischen Kulisse des Rokoko-Schlosses sowieso fehl am Platz.
Festivalsommer, Schloss Rheinsberg
22. Juni – 31. August 2024
von Jürgen Pathy
„Bringt’s das echt, mit so einem Negativ-Einstieg auf Besucherfang zu gehen, statt eigene Qualität anzupreisen“, springt einem sofort ein Kommentar ins Auge. Dieser Frage muss sich das Team des Festivals in Rheinsberg, rund 100 km nordwestlich von Berlin, schon stellen. Auf Facebook hatte man eine Werbung geschaltet. Der Slogan: „Keine Lust auf Regietheater?“, trifft im aktuellen Gefecht um die Vorherrschaft der Regie sicherlich auf fruchtbaren Boden, muss sich aber auch den Vorwurf gefallen lassen, auf billige Weise auf Zuschauerfang zu gehen. Dass man durchaus mehr zu bieten hat, beweist ein Blick auf das Programm und die Besetzung.
Ein Hauch von Metropole
Mit der US-Amerikanerin Vivica Genaux hat man einen klingenden Namen an Land ziehen können. Bereits in jungen jahren hatte die Mezzosopranistin ihre Koloraturen an der Met in New York zur Schau stellen dürfen. Weitere Engagements folgten. In Wien stand sie ebenso auf der Bühne, wie in Zürich, Paris und bei den Salzburger Festspielen. Bei der aktuellen Überarbeitung von Glucks „Iphigenie in Aulis“ setzt man in Rheinsberg wieder auf ihre Stimmgewalt. Bereits bei den Osterfestspielen hatte sie in Glucks Erfolgsoper mit „Unterkiefer erschütterndem Vibrato“ die königliche Präsenz der Klytämnestra unterstrichen.
Auf der Freiluftbühne stellt Regisseur und Intendant Georg Quander den antiken Tragödienstoff im Sommer abermals in den Mittelpunkt. Der gebürtige Düsseldorfer, der von 1991 bis 2002 die Berliner Staatsoper als Intendant auf Erfolgskurs zurückgeführt hat, verfolgt dabei natürlich ein seriöses Gesamtkonzept. Das Motto des Festivals, neben clickbaitartiger Werbung: „Die Schatten Trojas“. Mit IPHIGENIE erzählt man die Vorgeschichte zum Trojanischen Krieg, mit DIDO von Niccolò Piccinni (ca. 1780) die Folgen der mythologischen Kriegswirren rund um Homers Epos Ilias. Dabei setzt er auch auf junge Stimmen.
Nikolina Hrkać, eine junge Sopranistin aus Mostar, erweckt dabei besonders freudige Erinnerungen. Bei den Brixen Classics, im Südtiroler Eisacktal, hatte die junge Künstlerin bereits einen Einstand gefeiert, der sich sehen lassen kann. In Budapest ist sie ebenfalls schon aufgetreten. Dashuai Jiao ist Preisträger des eigenen Gesangswettbewerbs, den man in der Kammeroper Schloss Rheinsberg jährlich veranstaltet.
Glucks Erfolgsoper vor historischen Gemäuern
So klein das Festival also sein mag: Das traditionelle Konzept und die Spielstätte scheint vielversprechend. Das legendäre „Heckentheater“ im Schlosspark ist eine Freiluftspielstätte, deren Ursprünge bis ins 18. Jahrhundert zurückreichen. Prinz Heinrich von Preußen hatte den Bau 1758 veranlasst. Sein Bruder, Friedrich der Große, hatte auf Schloss Rheinsberg „die glücklichsten“ Jahre seines Lebens verbracht. Viele namhafte Karrieren haben von hier schon ihren Lauf genommen. Annette Dasch, Aris Argiris und Olga Peretyatko, um nur einige der klingenden Namen zu erwähnen.
Einen Vorgeschmack auf das Festival bietet die Eröffnungsgala bei FREIEM Eintritt am 22. Juni 2024. Gefolgt von einer Open-Air-Gala am 27. Juni, bei der die schönsten Arien und Ensembles aus Oper und Operette im Schlosshof alle Sinne verwöhnen werden.
Ab dem 6. Juli starten die Opernserien, bei denen man sich selbst ein Bild davon machen kann, auf wie viel Wahrheit der Slogan „kein Regietheater“ nun wirklich ruht. An sechs Abenden: „Iphigenie auf Aulis“ (Gluck); an drei Abenden: „Dido – Königin von Karthago“ (Piccinni).
Abgerundet wird das Programm durch eine Meisterklasse und weitere Veranstaltungen. Für Anfahrt und Rückreise nach Berlin ist gesorgt. Sonderzüge sichern eine entspannte Fahrt.
Jürgen Pathy (klassikpunk.de), 16. Juni 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Georg Friedrich Händel: Belshazzar Museumsquartier (MusikTheater an der Wien), 24. Februar 2023
Der Freischütz, Carl Maria von Weber Brixen, Hofburg, 17. Juni 2022