Belshazzar – eine Sternstunde in Wien... aber eine Regisseurin schafft babylonische Verwirrungen

Georg Friedrich Händel: Belshazzar  Museumsquartier (MusikTheater an der Wien), 24. Februar 2023

Belshazzar © Werner Kmetitsch, Jeanine De Bique (Nitocris), Schauspieler des MusikTheaters an der Wien

Georg Friedrich Händel: Belshazzar
Oratorium in drei Teilen
Libretto von Charles Jennens

Mit: Robert Murray, Jeanine De Bique, Vivica Genaux, Klemens Sander (anstatt Michael Nagl), Eva Zaïcik

Arnold Schoenberg Chor
L’Arpeggiata
Christina Pluhar, Dirigentin

Marie-Eve Signeyrole, Regie

Museumsquartier (MusikTheater an der Wien), 24. Februar 2023 

von Herbert Hiess

Der biblische Stoff aus dem Buch Daniel handelt letztlich vom psychotischen babylonischen König Belshazzar mit den bekannten Ausschweifungen Babylons und letztlich der Machtübernahme durch König Cyrus. Der bei dem Angriff Belshazzars zerstörte salomonische Tempel der Juden und die Entwendung des heiligen Kelchs wären im Prinzip die Rahmenhandlung des Stückes.

Natürlich verlangt das Libretto geradezu eine Visualisierung und Dramatisierung auf der Bühne; ähnlich wie beim Oratorium „Saul“ schaffte Händel eine großartige Komposition daraus. Leider ist die Regisseurin Signeyrole dabei vollkommen in die „Political Correctness“-Falle getappt, dass es höher nicht geht.

Sie macht daraus (opportunistischerweise) eine „Umweltoper“, wobei offenbar das Trinkwasser den heiligen Kelch symbolisiert. Mit unzähligen Videoclips und Liveaufnahmen mit einem auf der Bühne herumwandelnden Kameramann wird die Bühne zum Videoscreen. Was nicht heißt, dass das schlecht wäre. Schon Frank Castorf hat vor vielen Jahren seine Regiearbeiten mit Videos „aufgepeppt“ – dies aber gekonnt; auch nicht zu vergessen Romeo Castelluccis grandiose Umsetzung von Glucks „Orfeo“ aus 2014 bei den Wiener Festwochen (hier nachzulesen: https://www.evolver.at/musik/Wiener_Festwochen_2014_24614/).

Auch wenn manche glauben, dass hier bei Händel etwas Neues, Modernes gezeigt wurde – manchmal ist es eher ein „alter Hut“. Und schade, dass die Umsetzung hier 2023 dann vielleicht nicht so berauschend war.

Leider deswegen, da es insgesamt ermüdete und die wenigen belanglosen Modernisierungsversuche à la Oper 4.0 eher in die Hose gingen; sie lenkten von der Thematik des babylonischen Herrschers ab.

Die Bühne hingegen war insgesamt sehr gut aufgebaut; die Personenführung exzellent – die Inszenierung hätte nach dem Grundsatz „Weniger ist mehr“ vorgehen müssen.

Musikalisch war die Aufführung vom Allerfeinsten. Eine traumhafte Erscheinung war Jeanine De Bique aus San Fernando, Trinidad, die nicht nur hervorragend aussieht, sondern ebenso singt. Mit ihrer eindrucksvollen biegsamen Stimme, die vom Mezzo bis zum hohen Sopran reicht, könnte sie sogar in die Fußstapfen einer Leontyne Price treten. Eine Frau, die man sich merken muss.

Belshazzar © Werner Kmetitsch Jeanine De Bique (Nitocris), Eva Zaïcik (Daniel), Schauspieler des MusikTheaters an der Wien

Ihr missratener Sohn Belshazzar wurde vom britischen Tenor Robert Murray, der mit seiner baritonalen Stimme äußerst höhensicher ist; Händel hat hier viele Spitzentöne komponiert, die der großartige Sänger ebenso ausführte. Auch ein bemerkenswerter Mann.

Belshazzar © Werner Kmetitsch, Robert Murray (Belshazzar)

Ebenso exzellent der Barockprofi Vivica Genaux in der Hosenrolle des Königs Cyrus mit ihrem noch immer sehr eindrucksvollen Mezzo, Eva Zaïcik als Daniel und Klemens Sander, der an diesem Abend Michael Nagl ersetzen musste. Laut Ansage hatte der Bariton in wenigen Stunden gelernt und mit dem Orchester probiert; er sang vom Orchestergraben aus, während der Abendspielleiter auf der Bühne die Aktionen ausführte. Chapeau für Herrn Sander; eine ausgezeichnete Leistung, die sicher nicht unbemerkt blieb.

Belshazzar © Werner Kmetitsch, Vivica Genaux (Cyrus), Michael Nagl (Gobrias), Arnold Schoenberg Chor

Das wahrhafte Fundament des Abends war der Arnold Schoenberg-Chor (Leitung: Erwin Ortner); der an diesem Abend wirklich mit Herz sang – endlich wird das maschinenhafte Runterspulen der Partitur abgelegt. Und eine Ohrenfreude war das Barockensemble L’Arpeggiata unter der kompetenten Leitung von Christina Pluhar. Die Musiker spielen teils auf Originalinstrumenten (z.B. Pauken) und Nachbauinstrumenten (z.B. Clarino = Barocktrompete). Frau Pluhar machte aus der Partitur ein Klangereignis der Sonderklasse.

Belshazzar © Werner Kmetitsch, Vivica Genaux (Cyrus), Arnold Schoenberg Chor, Schauspieler des MusikTheaters an der Wien

Wenn nicht die verwirrende Regie gewesen wäre, könnte man guten Gewissens von einer Sternstunde sprechen. In Ansätzen war ja die Regiearbeit sehr gut; nur der übermäßige Bezug auf irgendwelche tagesaktuellen Themen kann sich sehr schnell zum Bumerang auswirken – so wie an diesem Abend. Letztlich stumpft das den Zuseher sogar ab.

Herbert Hiess, 25. Februar 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Gioachino Rossini: La gazza ladra (MusikTHEATER AN DER WIEN), 25. November 2022 im Museumsquartier Halle E 

Leoš Janáček, Das schlaue Füchslein Museumsquartier Halle E, 20. Oktober 2022

Alessandro Scarlatti, Il Primo Omicidio, Georg Friedrich Händel, Belshazzar Staatsoper Unter den Linden, Berlin, 31. Oktober 2019, Opernhaus Zürich, 3. November 2019

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