Drei Künstlerkarrieren mit dem Anspruch nach den Sternen zu greifen

Filmrezension: PRIMADONNA OR NOTHING  Kinostart in Deutschland, 7. August 2025

Plakat PRIMADONNA OR NOTHING camino-film.com © Artwork

Drei Sängerinnen im Opernfach

Valerie Eickhoff, die Ehrgeizige
Angel Joy Blue, die Unermüdliche
Renata Scotto, die Legendäre

PRIMADONNA OR NOTHING
Ein Dokumentarfilm von Juliane Sauter

Uraufführung beim DOK.fest München am 10. Mai 2025

Kinostart in Deutschland, 7. August 2025

Kino Union, Berlin-Friedrichshagen, 13. August 2025

von Ralf Krüger

Die 90 Filmminuten sind fast vorbei, da zeigt die Kamera nochmal auf Renata Scotto. Sie schaut in den Spiegel, zieht den Lippenstift nach, vermisst etwas auf dem Schminktisch, verfeinert etwas an den Haaren. Dann geht sie nach nebenan, setzt sich in einen großen Sessel. Sie und wir hören eine angenehme Opernstimme. Man ahnt, dass es die von Renata Scotto ist. Eine Aufnahme aus alten Tagen. Das Spannendste an dieser Sequenz sind aber nicht Musik und Gesang, eher die Gesten der alten Dame.
Wie sie aufsteht aus dem Sessel, ihre Arme ausbreitet als stünde sie auf der Bühne, über das ganze Gesicht hinweg strahlt und mit den Lippen die Arie singt, die aus dem Lautsprecher ertönt. Jetzt ist sie nochmal die Operndiva, die Primadonna, die einst das Publikum begeisterte. Das ist so wunderbar mitanzusehen, so ergreifend, so emotional. Es krönt diesen Film, für den ich eine lange Zeit brauchte, um mich mit ihm zu arrangieren.

Primadonna Or Nothing Camino Film

Im schönen Friedrichshagen, nahe des Müggelsees im Südosten Berlins, treffen sich Seniorinnen und Senioren mittwochs um 10 Uhr zum Kino. Es gibt Kaffee und Kuchen zum Ticket und nach dem Genuss zieht sich die illustre Gesellschaft in 3 Kinosäle zurück.

Für die allermeisten Filme sollte man vorher reservieren, so groß ist die Nachfrage nach Filmkunst an diesem Ort. Doch für Primadonna or Nothing ist das nicht erforderlich. Liegt es am heißen Sommer, der in dieser Woche auch Berlin erreicht? Oder ist es eher der sperrige Filmtitel, mit dem man nichts anfangen kann? Nur wenige Zuschauerinnen und ich erleben hier eine Opern-Doku, in der es weniger um Werke und Inszenierungen geht, als vielmehr um ihre Protagonistinnen. Und ihren Traum, ihren Anspruch und ihr Streben nach den Sternen zu greifen und die Nummer 1 zu sein.

Wenn ich ehrlich bin, hat mich das Ganze am Anfang ziemlich gelangweilt.

Der Film begleitet Valerie Eickhoff aus Deutschland bei ihrer Teilnahme an einem internationalen Gesangswettbewerb. Sie will nicht nur die Zweitbesetzung am Theater sein, sie will diesen Wettbewerb gewinnen um ihren Bekanntheitsgrad zu erweitern.

Angel Joy Blue, die Amerikanerin, tourt um die halbe Welt, wird gefeiert, hat aber Heimweh nach Zuhause. Ihre Telefonate mit der Schwester nerven den Zuschauer ungemein.

Primadonna Or Nothing Camino Film

Renata Scotto sehen wir im Kreise ihrer Familie (oder Freunde) beim Essen im Restaurant und beim Theaterbesuch. Ihre Bemerkungen und Kommentare haben nichts mehr mit der Realität der Gegenwart zu tun.

Primadonna Or Nothing Camino Film

Was dieser Film zum Ausdruck bringen will, verstand ich erst als Valerie Eickhoff diesen Gesangswettbewerb eben nicht als Gewinnerin verließ. Wir erleben, wie sie das Halbfinale erreicht, schließlich das Finale, aber doch auf dem Treppchen weiter unten steht. In der entscheidenden Filmszene sind wir Zeuge des Telefonats mit ihrer Mutter. Valerie Eickhoff sitzt im Taxi und wir erfahren im Gespräch, dass sie Dritte geworden ist. Dritte bei Hunderten von Bewerbern ist doch gut, sagt die Mutter. Aber es interessiert niemanden, sagt die Sängerin. Und hier ist es – das „Nothing“ aus dem Filmtitel. Man ist Nichts, man ist Niemand, wenn man nicht ganz oben steht. „The Winner Takes It All“, sang einst ABBA.

Primadonna Or Nothing Camino Film

Man kann als Zuschauer nur ahnen, wie arbeitsintensiv die Produktion dieses Filmes gewesen sein muss. Der Beginn datiert noch in der Coronazeit, als wir alle diesen Mundschutz trugen. Renata Scotto starb im August 2023 und somit dokumentiert Primadonna or Nothing ihre letzte Lebenszeit. Die Kamera war in allen Einstellungen sehr dicht dran an den Künstlerinnen und der Zuschauer hat viel erfahren über die Kämpfe, die hinter den Kulissen des Opernbetriebes ausgefochten werden und von denen wir keine Ahnung haben.

Ich habe jetzt einen ganz großen Respekt vor diesem Berufsstand!

Ralf Krüger, 13. August 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Valerie Eickhoff ist inzwischen Ensemblemitglied der Semperoper in Dresden und in der kommenden Spielzeit u.a. als Hänsel in „Hänsel und Gretel“ von Humperdinck zu sehen.

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