Foto: Anna Netrebko. Foto: Instagram
„Adriana Lecouvreur“ mit Anna Netrebko an der Deutschen Oper Berlin
Deutsche Oper Berlin, 4. September 2019
Francesco Cilea: Adriana Lecouvreur
von Peter Sommeregger
Die 1902 uraufgeführte Oper „Adriana Lecouvreur“ des Komponisten Francisco Cilea entstand zwar in der Blütezeit des Verismo, orientiert sich stilistisch aber eher an älteren Vorbildern wie Massenet. Sie ist das einzige Werk Cileas, das sich dauerhaft auf den Opernbühnen halten konnte.
Die Titelrolle ist höchst dankbar, sie galt einst als Paraderolle Renata Tebaldis, später der Caballe und Angela Georghius. Aktuell tourt Anna Netrebko damit durch Europa und hat auch die Deutsche Oper Berlin erreicht.
Das Werk wird konzertant aufgeführt, aber die Sänger versuchen, mit angedeuteten Interaktionen dem komplizierten Stück etwas mehr Dramatik zu verleihen. Vor allem der Star des Abends, Anna Netrebko spielt engagiert die historische Figur der Schauspielerin Adrienne Lecouvreur und macht auch ausgiebig von theatralischen Gesten Gebrauch. Vom ersten Ton an ist sie stimmlich präsent, die Stimme scheint erneut größer und dunkler geworden zu sein. Sie ist perfekt fokussiert, technische Probleme scheint diese Künstlerin nicht zu kennen, in allen Lagen strömt der kostbare Sopran voll und klangschön. Die Übergänge vom zarten Piano bis zum Forte sind aus einem Guss.
Ihr zur Seite steht der aserbaidschanische Tenor Yusif Eyvazov, dem es zunehmend besser gelingt, aus dem übermächtigen Schatten seiner weltberühmten Ehefrau zu treten. Was Eyvazov an diesem Abend als Maurizio leistet, sollte ihm in Zukunft das Attribut „Netrebko-Gatte“ ersparen. Seine groß dimensionierte Tenorstimme bewältigt die immens schwierige Partie nicht nur, es gelingt ihm, das ungestüme Temperament des sächsischen Prinzen glaubwürdig abzubilden. Ob im Forte oder in den Piano-Passagen springt die Stimme mühelos an und ist durchaus modulationsfähig.
Die Partie der Fürstin von Bouillon, der Gegenspielerin Adrianas, ist an diesem Abend der russischen Mezzosopranistin Olesya Petrova anvertraut. Sie verfügt über ein etwas derbes, grobkörniges Timbre, das leider wenig ansprechend ist. Im Idealfall liefern sich die beiden Frauenstimmen ein hoch interessantes Duell, was an diesem Abend aber nicht der Fall war.
Anrührend gestaltet Alessandro Corbelli die Partie des Michonnet, des väterlichen Freundes Adrianas. Sein reifer Bassbariton trifft genau den richtigen Ton für diese dramaturgisch wichtige Rolle.
Geleitet wird die Aufführung von Michelangelo Mazza, der mit Umsicht durch die anspruchsvolle Partitur navigiert und seiner Aufgabe souverän gerecht wird.
Woran liegt es, dass man anfangs mit der Aufführung nicht ganz glücklich wird? Die sehr komplexe Handlung mit ihren historischen Figuren, aber einer erfundenen Handlung eignet sich vielleicht nicht optimal für eine Konzertversion, sie schreit förmlich nach Kulisse, ein bisschen Plüsch, Kerzenleuchtern und dem Rauschen von seidenen Roben. Anna Netrebko bemüht sich zwar redlich, mit zweimaligem Kostümwechsel den optischen Reiz zu erhöhen, hatte aber bei der Wahl ihrer Kleider nicht die glücklichste Hand, von der mausgrauen Gewandung ihrer Gegenspielerin ganz zu schweigen.
Wahrscheinlich war es mehr die allzu glatte, allzu inszenierte Primadonnen-Show, die hier routiniert abgeliefert wurde. Alles war bis ins Detail kalkuliert, alles auf Effekt angelegt. Aber endlich, im vierten und letzten Akt sprang der Funke über. In der großen Arie und ihrer Sterbeszene lief Anna Netrebko zu unglaublicher Form auf. Alle Verzweiflung und Leidenschaft dieser Figur war auf einmal da, und wurde meisterhaft ausdrucksvoll gesanglich umgesetzt. Auch Yusif Eyvazov steigerte sich in der Schluss-Szene noch einmal – das Resultat war ein grandioses Opernfinale, wie man es sich glanzvoller nicht wünschen kann.
Im Publikum: Jubel ohne Ende!
Francisco Cilea: Adriana Lecouvreur
Konzertante Aufführung, Deutsche Oper Berlin, 4. September 2019
Anna Netrebko Adriana Lecouvreur
Yusif Eyvazov Maurizio
Olesya Petrova Herzogin von Bouillon
Alessandro Corbelli Michonnet
Michelangelo Mazza Dirigent
Peter Sommeregger, 5. September.2019 für
klassik-begeistert.de