Foto: Penelope 2025 B.Jovanovich, V.Karkacheva (c) Bernd_Uhlig
Gabriel Faurés Pénélope ist kein Ladenhüter, das zeigte der begeisterte Applaus der über 1000 Besucher im vollbesetzten Prinzregententheater. Das kaum bekannte Werk hat tiefen Eindruck hinterlassen, der Mut, es im Festspielprogramm vorzustellen, hat sich ausgezahlt.
Pénélope (1913)
Poème lyrique in drei Akten
Komposition Gabriel Fauré
Libretto René Fauchois nach Homers Odýsseia (Odyssee)
Bayerisches Staatsorchester
Vokalensemble „LauschWerk“, Einstudierung Sonja Lachenmayr
Musikalische Leitung Susanna Mälkki
Inszenierung Andrea Breth
Bühne Raimund Orfeo Voigt
Kostüme Ursula Renzenbrink
Licht Alexander Koppelmann
Dramaturgie Klaus Bertisch, Lukas Leipfinger
Prinzregententheater, München, 29. Juli 2025
von Dr. Lorenz Kerscher
Nur selten erklingt Musik von Gabriel Fauré (1845 – 1924) in deutschen Konzert- und Opernhäusern. Hätte mein Vater nicht eine Schallplatte mit seinem fesselnden 1. Klavierquartett op. 15 besessen, wäre dieser Tonschöpfer vielleicht nie auf meinem Radar erschienen. So erwarb ich wenig später eine Aufnahme seines in vielfacher Weise außergewöhnlichen Requiems, das ohne jede Effekthascherei tröstliche Ruhe vermittelt und bei uns zu seinem bekanntesten Werk geworden ist.
Inzwischen kenne und schätze ich viele seiner Kammermusikwerke und Lieder, auch wenn ich noch nie eines davon live erleben konnte.
In seiner Heimat steht Gabriel Fauré offensichtlich in großen Ehren: bei einer Meinungsumfrage auf einem französischen YouTube-Kanal nach dem bedeutendsten Komponisten Frankreichs wurden kürzlich nicht nur Debussy und Ravel, Berlioz und Saint-Saens, sondern auch sein Name genannt. So liest man auch, dass seine 1913 fertiggestellte Oper Pénélope in Frankreich von Anfang an Beachtung fand, während die deutsche Erstaufführung in Chemnitz überhaupt erst im Jahr 2002 zustande kam.
Nun freute ich mich sehr, dass dieses Werk bei den Münchner Opernfestspielen in einer Serie von fünf Aufführungen dargeboten wurde.

Zahlreiche Rezensenten haben schon von diesem mutigen Schritt weg vom gängigen Repertoire berichtet, zweimal auch hier in klassik begeistert. So möchte ich als Besucher der letzten Vorstellung von Pénélope im Münchner Prinzregententheater noch einen Rückblick auf das unvergessliche Erlebnis hinzufügen. Da war am Anfang die bange Erwartung, wie das mir völlig unbekannte Stück auf mich wirken würde. Konnte diesem Tonschöpfer, den ich bislang vor allem für die abgeklärte Ruhe seiner Musik schätzte, überhaupt ein musikdramatisches Werk gelingen? Es dauerte nicht lange und es wurde klar, dass die Antwort ein eindeutiges „Ja“ war!
Gabriel Fauré entwickelt in diesem Spätwerk eine Tonsprache von einer an Mahler oder Zemlinski erinnernden Kühnheit und kann durchaus Wagner das Wasser reichen, wenn es gilt, den Zuhörer mit Orchesterklang zu überwältigen. Die finnische Dirigentin Susanne Mälkki versteht es auch bestens, dieses emotional packend Klangspektrum zum Leuchten zu bringen. Auch die Gesangsstimmen sind ähnlich geführt wie in Wagners Musikdramen, auch wenn keinesfalls von einer Stilkopie die Rede sein kann.
Beide Tonschöpfer verbindet die Absicht, mit den Gesangslinien den Sinn der Dialoge zu transportieren. Diesbezüglich kann ich hier den Solisten ein gutes Zeugnis ausstellen. Victoria Karkacheva beeindruckt mit sicherem und leuchtendem Mezzosopran in der Titelrolle, Brandon Jovanovich als Ulysse (so heißt Odysseus entsprechend dem lateinischen Namen Ulixes auf Französisch) beglaubigt mit differenziertem Ausdruck den sich listig zurücknehmenden Helden, der erst nach kluger Vorarbeit die Rache vollziehen kann. Ein gutes Dutzend kleinerer Rollen sind ebenfalls adäquat besetzt, besonders erwähnen möchte ich den aus Guyana stammenden jungen Tenor Loïc Félix, der mit elegantem, klarem Timbre Antinoüs, den Wortführer der Freier darstellt, und Thomas Mole mit warmer Baritonstimme als Schäfer Eumée.

In mancherlei Hinsicht sehen wir ein Anti-Drama, fehlen den Protagonisten doch zunächst einmal fast alle Handlungsmöglichkeiten. Pénélope kann nichts anderes tun, als in ihrer Ecke kauern und nachts ihre Webarbeit wieder auftrennen, um die Freier hinzuhalten. Und Ulysse hat auf seiner Irrfahrt alle Gefährten verloren und muss beim einfachen Volk Beistand suchen. Regisseurin Andrea Breth fasst das in Bilder von albtraumhafter Langsamkeit. Da wird im Zeitlupentempo eine Suite aus mehreren Räumen voller bewegungsloser Personen oder auch mal ein Rollstuhl mit einem leidenden Protagonisten über die Bühne geschoben.

Nicht alle Ideen der Regie verstehe ich, vielleicht hätte ich doch in die Premierenmatinee gehen sollen? So ist es vornehmlich die Kraft des musikalischen Flusses, die mich sicher durch diese emotionale Odyssee bis hin zu den erlösenden Schlussakkorden leitet.
Am Ende zeigt der begeisterte Applaus der über 1000 Besucher im vollbesetzten Prinzregententheater, dass Gabriel Faurés Pénélope ganz gewiss kein Ladenhüter ist und einen wesentlich größeren Stellenwert im Opernrepertoire verdient. Ich hoffe, die Bayerische Staatsoper wird durch diesen Erfolg ermutigt, diese Produktion auch in künftige Spielpläne aufzunehmen. Und auch andere Opernhäuser sollten das außergewöhnliche Werk ernsthaft in Betracht ziehen!
Dr. Lorenz Kerscher, 6. August 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Weiterführend Info:
Beschreibung und Historie des Werks in Wikipedia
Gesamtaufnahme von 2015 mit Untertiteln in YouTube
Gabriel Fauré, Pénélope (1913) Prinzregententheater, München, 21. Juli 2025
Gabriel Fauré, Pénélope Prinzregententheater, München, 18. Juli 2025 PREMIERE