Donizettis sprühendes Meisterwerk wohlklingend in der Wiener Staatsoper
Gaetano Donizetti, Don Pasquale
Wiener Staatsoper, 30. November 2017
von Charles E. Ritterband
Der Kontrast konnte nicht größer sein: Während die – seit einiger Zeit dem Theater an der Wien angegliederte – Kammeroper, wenige Gehminuten Richtung Donaukanal, eine mit Jazz- und sogar Schrammelmusik angereicherte, hochoriginelle und brillante Miniaturversion von Gaetano Donizettis angeblich in unglaublichen zehn Tagen entstandenes Meisterwerk auf die winzige Bühne dieses Theaters stellt, bietet die majestätische Wiener Staatsoper mit ihrem riesigen Bühnenraum eine traditionellere Version des „Don Pasquale“.
Der Vorteil der Kammeroper-Variante: Die Commedia dell’Arte-Essenz und damit die umwerfende Komik wird viel deutlicher als im Haus am Ring, wo man den Eindruck erhält, dass der große Bühnenraum mit unzähligen Kulissen, Statisten und Choristen gefüllt werden muss, um Wirkung zu erzielen. In der Kammeroper ist das alles aufs Wesentliche reduziert: Drei Sänger, eine Sängerin, eine leere Bühne, Kostüme in grellen Leuchtfarben.
Die Bühnenbildnerin der etablierten Staatsoper-Version, Noelle Ginefri-Corbel, machte aus dem „Don Pasquale“ allerdings auch eine originelle Angelegenheit: Der alte, sich selbst überschätzende Geizhals (umwerfend komisch und manchmal geradezu berührend, aber stimmlich eher zurückhaltend: der Bariton Alessandro Corbelli) ist Eigentümer einer ebenso schummrigen wie verstaubten Bar – seine Angetraute Norina (mit überschäumendem Temperament und stimmlich virtuos: die Sopranistin Andrea Carroll) baut den Raum in ein eher an ein Bordell erinnerndes rosarotes Boudoir um; die detailfreudige Bühnenbildnerin ließ sogar die biederen Bilder auswechseln, die von einer Altmännerdomäne zur Teenager-Wanddekoration mit Bodybildern und kitschigen Tierzeichnungen mutiert.
Überragend der junge Tenor Ernesto (Maxim Mironov); das Liebesduett im Garten, im letzten Akt, könnte man sich himmlischer gar nicht vorstellen. Solide Malatesta (der Bariton Pietro Spagnoli), der im Schnellgesangs-Duett mit Pasquale vor dem Vorhang zur Hochform aufläuft. Gute Personenführung (Regie: Irina Brook), die das Komische an der Sache hervorragend zur Geltung bringt.
Fulminant, temperamentvoll und mit witzigem Belcanto-Verve vom ersten Ton der Ouverture an das Orchester der Wiener Staatsoper unter Evelino Pidò. Störend nur, dass sich in der schmuddeligen Bar schon während der Ouverture allerlei Überflüssiges tut: das lenkt nicht das Publikum, sondern letztlich auch das Orchester ab. Überhaupt tat die Regie in dieser Inszenierung öfter mal des Guten viel zu viel: diese witzigste aller Opernkomödien braucht gewiss keine zusätzlichen Äußerungen seitens der Regie wie billige Gags (die allzu großzügig eingesetzten rosa Federn im letzten Akt) und kindischen Slapstick: Der verzweifelte Hagestolz Pasquale verliert als Running Gag immer wieder seine blonde Perücke und setzt sie dann verkehrt wieder auf.
Der Journalist Dr. Charles E. Ritterband schreibt exklusiv für klassik-begeistert.at. Er war für die renommierte Neue Zürcher Zeitung (NZZ) Korrespondent in Jerusalem, London, Washington D.C. und Buenos Aires. Der gebürtige Schweizer lebt seit 2001 in Wien und war dort 12 Jahre lang Korrespondent für Österreich und Ungarn. Ritterband geht mit seinem Pudel Nando für die TV-Sendung „Des Pudels Kern“ auf dem Kultursender ORF III den Wiener Eigenheiten auf den Grund.